Kaiserliches Patent
vom 26. Juli 1913 (L.G.Bl. Nr. 36)
betreffend die Fortführung der Landesverwaltung des Königreiches Böhmen

Dieses Patent war ein außerverfassungsmäßiges, und daher auch nach damaligem Recht verfassungswidrig, wurde aber auf Vorschlag der Minister erlassen und ohne weiteres in ihrer Verantwortlichkeit durchgeführt.

geändert durch
Allerhöchste Entschließung vom 26. September 1918, mit dem das Statut der Landesverwaltungskommission des Königreichs Böhmen geändert wird (LGBl. 66/1918)

aufgehoben durch
das Gesetz betreffend die Errichtung des Landesverwaltungsausschusses (SdGuV Nr. 38/1918)
(der tschechoslowakische Staat gründete sich auf dem historischen Recht der "Länder der böhmischen Krone", das. sind Böhmen, Mähren und Schlesien)


Wir Franz Joseph der Erste,

von Gottes Gnaden Kaiser von Oesterreich;
König von Ungarn und Böhmen, von Dalmatien, Croatien, Slavonien, Galizien, Lodomerien und Jllirien, König von Jerusalem ect; Erzherzog von Österreich; Großherzog von Toscana und Krakau; Herzog von Lothringen, von Salzburg, Steyer, Kärnten, Krain und der Bukowina; Großfürst von Siebenbürgen; Markgraf von Mähren; Herzog von Ober- und Nieder-Schlesien, von Modena, Parma, Piacenza und Guastalla, von Auschwitz und Zator, von Teschen, Friaul, Ragusa und Zara; gefürsteter Graf von Habsburg und Tirol, von Kyburg, Görz und Gradiska; Fürst von Trient und Brixen; Markgraf von Ober- und Nieder-Lausitz und in Istrien; Graf von Hohenembs, Feldkirch, Bregenz, Sonnenberg etc.; Herr von Triest, von Cattaro und auf der windischen Mark; Großwojwod der Wojwodschaft Serbien ec. ec. ec.

tun kund und zu wissen:

Da der Landtag Unseres Königreiches Böhmen seit Jahren seine gesetzlichen Aufgaben nicht zu erfüllen vermag und nunmehr auch der Landesausschuß weder den finanziellen Obliegenheiten der Landesverwaltung gerecht zu werden, noch überhaupt die ihm zustehenden Funktionen in gesetzmäßiger Weise weiter zu führen in der Lage ist,

da somit die Gesetzgebung des Königreiches Böhmen, sowie die verwaltende und ausführende Tätigkeit der Landesvertretung zum Stillstande gelangt ist,

finden Wir angesichts der Notwendigkeit, die der Bevölkerung Unseres Königreiches Böhmen drohenden Nachteile und Gefahren abzuwenden und insbesondere für die Fortführung der Landesverwaltung Vorsorge zu treffen, kraft Unserer Regentenpflicht

zunächst anzuordnen wie folgt:

Artikel I. Zur Besorgung der dem Landesausschusse des Königreiches Böhmen gesetzlich obliegenden Aufgaben setzen Wir eine von Uns zu ernennende Landesverwaltungskommission ein. Die Wirksamkeit dieser Kommission hat solange zu währen, bis ein vom Landtage neu gewählter Landesausschuß seine Tätigkeit aufgenommen haben wird.

Die Einrichtung und Geschäftsführung der Kommission wird durch das beigeschlossene von Uns erlassene Statut geregelt.

Artikel II. Zur Beschaffung der für die ordnungsmäßige Fortführung des Landeshaushaltes erforderlichen neuen Hilfsmittel sind
1. die Zuschläge zu sämtlichen direkten Steuern, mit Ausnahme der Personaleinkommensteuer, für das zweite Halbjahr 1913 im erhöhten Ausmaße von 65 % und
2. eine Landesauflage auf den Verbrauch von Bier nach Maßgabe der beigeschlossenen von Uns erlassenen Beirauflageordnung einzuheben.

Artikel III. Dieses Patent wird, sammt den einen Bestandteil desselben bildenden Beilagen, im Landesgesetzblatte für das Königreich Böhmen kundgemacht.

Artikel IV. Mit dem Vollzuge dieses Patentes, das mit dem Tage seiner Kundmachung in Kraft tritt, ist Mein Gesamtministerium beauftragt.

    Gegeben in Bad Ischl, am 26. Juli im Eintausendneunhundertunddreizehnten, Unserer Reiche im fünfundsechzigsten Jahre.

Franz Joseph

Stürgkh                 Georig
Hochenburger       Zaleski
Heinold                Forster
Hussarek                Truka
Dlngosz              Schuster
Zenker

 

Beilage I.

Statut der Landesverwaltungskommission des Königreiches Böhmen.

aufgehoben und ersetzt durch
Statut der Landesverwaltungskommission des Königreichs Böhmen (
LGBl. 66/1918)
 

§ 1. Die Landesverwaltungskommission des Königreiches Böhmen tritt bis auf weiteres an Stelle des Landesausschusses und besorgt im Rahmen der geltenden Gesetze die dem letzteren obliegenden Aufgaben.

§ 2. Die Landesverwaltungskommission besteht aus einem Präsidenten, acht Mitgliedern und vier Ersatzmännern. Der Präsident, die Mitglieder und die Ersatzmänner werden vom Kaiser ernannt, wobei ein Mitglied zum Stellvertreter des Präsidenten und ein Mitglied zum Finanzreferenten bestellt wird. Die Referate verteilt im übrigen der Präsident der Kommission, welchem auch bei zeitweiliger Verhinderung einzelner Mitglieder die Einberufung der Ersatzmänner von Fall zu Fall überlassen bleibt.

Der Präsident, die Mitglieder und die Ersatzmänner können vom Kaiser jederzeit ihres Amtes enthoben werden.

§ 3. Der Präsident der Landesverwaltungskommission hat bei Antritt seines Amtes dem Kaiser einen Eid zu leisten, den er in die Hände des Statthalters ablegt.

§ 4. Die Mitglieder und Ersatzmänner haben bei Antritt ihres Amtes dem Kaiser Treue und Gehorsam, Beobachtung der Gesetze und gewissenhafte Erfüllung aller mit ihrem Amte verbundenen Pflichten unter besonderer Wahrung vollster Unparteilichkeit und strenger Einhaltung der im Interesse der Landesfinanzen gebotene Sparsamkeit in die Hände des Präsidenten an Eidesstatt zu geloben.

Der Präsident und die Mitglieder der Kommission haben ihren ständigen Wohnsitz in Prag. Für die Dauer ihrer Funktion beziehen sie aus Landesmitteln eine Entschädigung in jener Höhe, wie sie für die Landesausschußbeisitzer bestimmt ist. Überdies gebührt dem Präsidenten eine jährliche Funktionszulage in der Höhe von sechstausend Kronen.

§ 5. Die bestehende Organisation der Landesämter bleibt aufrecht.

Sämtliche Beamte und Diener derselben werden durch den Präsidenten an den von ihnen abgelegten Eid erinnert.

§ 6. Die erforderliche Neubestellung von Vertretern und Funktionören in einzelnen Korporationen und Anstalten erfolgt hinsichtlich der vom Landesausschuß entsendeten Personen nach Ablauf der Funktionsperiode oder sonstigem Abgang durch die Landesverwaltungskommission, hinsichtlich der vom Landtag gewählten Personen aber im gleichen Falle durch den Kaiser über Vorschlag des Präsidenten.

§ 7. Deie Landesverwaltungskommission hat insbesondere den Voranschlag des Landes hinsichtlich sämtlicher Landeseinnahmen und Landesausgaben zu verfassen. Der zum Beschlusse erhobene Voranschlag ist vom Präsidenten zur Allerhöchsten Schlußfassung vorzulegen.

§ 8. In Betreff der Auslagen aus Landesmitteln ist die Landesverwaltungskommission an den Allerhöchst bewilligten Jahresvoranschlag und an die für die einzelnen Fonde und Anstalten bestehenden Vorschriften gebunden.

In Fällen dringender Notwendigkeit, welche nicht vorhergesehene, daher nicht präliminierte Ausgaben erheischen, kann die Landesverwaltungskommission, wenn eine solche Ausgabe ohne wesentliche Gefährdung des Zweckes nicht verschoben werden kann, eine derartige Ausgabe außerhalb des bewilligten Präliminares veranlassen.

Alle Präliminarüberschreitungen und Abweichungen müssen jedoch im Jahresrechnungsabschluß des Landes, welcher zur Allerhöchsten Genehmigung vorzulegen ist, unter sachlicher Begründung detailliert zur Darstellung gebracht werden. Das Gleiche gilt rücksichtlich der gewährung von Subventionen, von nicht systemisierten Pensions- oder Provisionsbezügen udn Erziehungsbeiträgen sowie von Gnadengaben und Personalzulagen.

Übrigens bleibt es dem Präsidenten überlassen, bei Ausgaben der im dritten Absatze bezeichneten Art, welche seiner Ansicht nach eine besondere bedeutende finanzielle Belastung des Landes in sich schließen, die vorherige Allerhöchste Genehmigung einzuholen.

§ 9. Die Geschäfte der Landesverwaltungskommission werden in Kollegialberatungen verhandelt und erledigt.

Es bleibt jedoch dem Präsidenten überlassen, nach Anhörung der Landesverwaltungskommission festzusetzen und zu bestimmen, welche Geschäfte mit Rücksicht auf ihre mindere Wichtigkeit und behufs schnellerer Erledigung unter Haftung des Präsidenten und des Referenten laufend behandelt werden können.

§ 10. Der Tag und die Stunde der abzuhaltenden Sitzungen sowie die Reihenfolge der in denselben zu verhandelnden Gegenstände ist vom Präsidenten zu bestimmen.

§ 11. Den Vorsitz in den Sitzungen führt der Präsident und in dessen Verhinderung das zum Stellvertreter ernannte Mitglied.

§ 12. Zur Gültigkeit eines Beschlusses der Landesverwaltungskommission ist außer der Anwesenheit des Vorsitzenden jene von mindestens fünf Mitgliedern erforderlich.

Die Beschlußfassung erfolgt mit einfacher Stimmenmehrheit, wobei der Vorsitzende (§ 11) stets, und zwar mit zwei Stimmen mitzustimmen hat; bei Stimmengleichheit gilt jene Meinung als angenommen, welcher der Vorsitzende beigetreten ist.

In allen Angelegenheiten des Finanzreferates können jedoch Anträge, gegen die der Finanzreferent Einspruch erhebt, nur mit einer die absolute Mehrheit der zu zählenden Stimmen um eins übersteigende Stimmenzahl angenommen werden. Auch in anderen Angelegenheiten steht dem Finanzreferenten ein Einspruchsrecht mit der gleichen Wirkung dann zu, wenn der Präsident über Antrag des Finanzreferenten die Angelegenheit als für die Landesfinanzen von entscheidender Bedeutung erklärt.

§ 13. Der Präsident ist verpflichtet, die Ausführung von Beschlüssen der Verwaltungskommission, die nach seiner Auffassung dem öffentlichen Wohle, den bestehenden Gesetzen oder dem Grundsatze der Unparteilichkeit zuwiderlaufen, insoweit sie keinem Rechtsmittel unterliegen, zu sistieren und die Angelegenheit unverzüglich der Allerhöchsten Schlußfassung zu unterziehen.

§ 14. Alle Unterbreitungen des Präsidenten an den Kaiser erfolgen im Wege des Statthalters.

§ 15. Die nach Maßgabe des § 28 der Landesordnung auszustellenden Urkunden sind von dem Präsidenten und zwei Mitgliedern der Kommission zu fertigen und mit dem Landessiegel zu versehen.

§ 16. Soweit in den vorstehenden Bestimmungen keine abweichenden Anordnungen getroffen sind, finden auf die Geschäftsführung der Landesverwaltungskommission die Vorschriften der Instruktion für den Landesausschuß des Königreiches Böhmen Anwendung.
 

Beilage II.

Bierauflageordnung für das Königreich Böhmen.

hier nicht wiedergegeben; siehe LGBl.


Quellen: Landes-Gesetz-Blatt für das Königreich Böhmen Jahrgang 1913 Nr. 36
© 14. Juli  2012 - 25. August 2012
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