Staatsvertrag zwischen Frankreich und Batavien

vom 24. Mai 1806

1. Seine Majestät der Kaiser der Franzosen und König von Italien garantieren sowohl für sich, als ihre Erben und Nachfolger, zu ewigen Zeiten dem Staate von Holland (erstmals seit der Revolution von 1795 wird die Republik Batavien als Holland bezeichnet) die Erhaltung seiner verfassungsmäßigen Rechte, seine Unabhängigkeit, den unverminderten Umfang seiner Besitzungen in beiden Weltteilen, seine politische, bürgerliche und kirchliche Freiheit, so wie solche durch die gegenwärtig bestehenden Gesetze feierlich eingesetzt ist, und die Abschaffung aller Privilegien in Betreff der Abgaben.

2. Auf den förmlichen, von Ihren Hochmögenden, den Repräsentanten der batavischen Republik, vorgetragenen Antrag, daß der Prinz Ludwig Napoleon zum erblichen und verfassungsmäßigen König von Holland ernannt und gekrönt werde, willfahren Seine Majestät diesem Wünsche, und ermächtigen den Prinzen Ludwig Napoleon, die Krone von Holland anzunehmen, und sie für sich und seine natürliche, legitime und männliche Nachkommenschaft, nach der Ordnung der Erstgeburt zu besitzen, mit beständigem Ausschlusse der Frauen und ihrer Nachkommenschaft.

Zufolge dieser Ermächtigung soll der Prinz Ludwig Napoleon diese Krone, unter dem Titel, als König, mit aller Gewalt und Autorität besitzen, welche durch die verfassungsmäßigen Gesetze bestimmt sein werden, die der Kaiser Napoleon in dem vorhergehenden Artikel garantiert hat.

Nichts desto weniger wird hiermit festgesetzt, daß die Krone von Frankreich und Holland nie auf dem nämlichen Haupte vereinigt werden können.

Prinz Ludwig Napoleon wurde am 5. Juni 1806 formal mit dem Inkrafttreten dieses Vertrags König von Holland.

in bezug auf die Erbfolge ist zu bemerken, daß bei der Erhebung zum König von Holland bereits ein Sohn, Napoleon Ludwig, geb. 1804 vorhanden war und im Jahre 1808 nochmals ein Sohn, Ludwig Napoleon (der spätere Kaiser Napoleon III.), geboren wurde.  Die Linie des Ludwig Napoleon, König von Holland ist mit Eugen Ludwig Napoleon, Sohn des nachmaligen Kaisers Napoleon III. im Jahre 1879 ausgestorben.

in bezug auf Absatz 2 ist mit den "verfassungsmäßigen Gesetzen" die Verfassung vom 15. März 1805 gemeint.

3. Das Eigentum (die Domäne) der Krone begreift:
a) einen Palast im Haag, der zum Aufenthalte des königlichen Hauses bestimmt sein wird;
b) den Palast im Busch;
c) die Domäne von Soesdyk;
d) so vieles Eigentum an liegenden Gründen, daß es jährlich 500.000 Gulden einträgt.

Überdies versichert das Staatsgesetz dem König eine jährliche Summe von 1.500.000 Gulden holländischen geldes, welche monatlich je zum zwölften teile zu bezahlen ist.

4. Im Fall der Minderjährigkeit gehört die Regentschaft von Rechtswegen der Königin, und wenn keine d ist, ernennt der Kaiser der Franzosen, in seiner Eigenschaft als beständiges Oberhaupt der kaiserlichen Familie, den Regenten des Reiches. Er wählt ihn aus den Prinzen der königlichen Familie, und wenn keine da sind, unter den Eingeborenen. Die Minderjährigkeit des Königs endigt mit Vollendung des achtzehnten Jahres.

5. Der Witwengehalt der Königin soll durch ihren Heiratskontrakt bestimmt werden. Für diesmal ist man überein gekommen, daß gedachter Witwengehalt 250.000 Gulden betragen soll, welche von der Domäne der Krone zu nehmen sind. Nachdem dies zum Voraus davon erhoben ist, soll die Hälfte der übrigen Kroneinkünfte auf den Unterhalt des Hauses des minderjährigen Königs verwendet, und die andere Hälfte zu den Kosten der Regentschaft angewiesen werden.

6. Der König von Holland soll für immer Inhaber einer Großwürde des französischen Reiches unter dem Titel Connetable sein. Die Verrichtungen dieser Großwürde können jedoch, nach dem Gutbefinden des französischen Kaisers, durch einen Prinzen Vizeconnetable versehen werden, wenn derselbe es für gut findet, eine solche Würde zu errichten.

7. Die Mitglieder des regierenden Hauses in Holland bleiben persönlich den Dispositionen der verfassungsmäßigen Statuten vom 30. März 1806, welche das Hausgesetz der kaiserlichen Familie von Frankreich ausmachen, unterworfen.

8. Die Stellen und Ämter des Staates, außer denjenigen, die zum persönlichen Dienste des königlichen Hauses gehören, können nur Eingeborenen erteilt werden.

9. Das Wappen des Königs soll das ehemalige Wappen von Holland, durch den kaiserlichen Adler von Frankreich in vier Felder geteilt, sein, und auf demselben die Königskrone haben.

10. Es soll ohne Verzug zwischen den, diesen Mächten ein Handelsvertrag abgeschlossen werden. Kraft desselben sollen die holländischen Untertanen zu jederzeit in den Häfen und auf dem Gebiete des französischen Reiches als die besonders begünstigte Nation behandelt werden. Seine Majestät der Kaiser und König verpflichtet sich, bei den barbarischen Mächten sich dahin zu verwenden, daß von denselben die holländische Flagge eben so, wie die französische respektiert werde.

    Die Ratifikationen dieses Vertrags sollen zu Paris innerhalb zehn Tagen gegenseitig ausgewechselt werden.

    Paris, den 24. Mai 1806

E. M. Talleyrand
Ch. H. Verhuel            J. J. A. Gogul
J. van Styrom         W. Six. Brantsen

 

Mit diesem Staatsvertrag wurde aus der Batavischen Republik das Königreich Holland und der jüngere Bruder Kaiser Napoleons, Ludwig (Louis), der mit der Stieftochter Napoleons, Hortense de Beauharnais verheiratet war, wurde König von Holland. Der Staatsvertrag kam nur entgegen der Verfassung von 1805 zustande, da der Ratspensionär Schimmelpennink (der gegen die Person des Königs, aber nicht gegen die Erhebung zum Königreich war) umgangen wurde; dieser trat dann auch 4. Juni 1806, dem Tag der Ratifikation des vorstehenden Vertrags zurück. Tags darauf wurde Prinz Ludwig König von Holland und hat an seinem ersten Tage durch ein (verfassungswidriges, da oktroyiertes) verfassungsmäßiges Gesetz die Verfassung von 1805 geändert und erweitert.

Nachdem König Ludwig versucht hatte, das Land den Interessen des Landes gemäß zu regieren, aber ständig durch seinen Bruder, Kaiser Napoleon daran gehindert wurde, indem diese ständig in die Staatsgeschäfte Hollands eingriff, hat er am 1. Juli 1810 zugunsten seines ältesten Sohnes abgedankt und für Holland eine Regentschaft eingesetzt. Diese wurde von Kaiser Napoleon nicht anerkannt, und dieser hat, wohl eher ungeplant, das ganze Königreich Holland durch Dekret vom 9. Juli 1810 mit Wirkung vom 1. Juli 1810 annektiert, so daß Holland ab diesem Zeitpunkt ein Teil des Kaiserreichs Frankreich war.


Quellen:
K.H.L. Pölitz, Die europäischen Verfassungen seit dem Jahre 1789, Brockhaus Leipzig 1833
© 21. April 2003
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