Einspruch König Oskars II. gegen den Beschluß des Stortings vom 7. Juni 1905

vom 10. Juni 1905

An den Präsidenten des Stortings.

Ich will an Sie und durch Sie an das Storting und das ganze norwegische Volk folgende Worte richten in Erwiderung der Schreiben und Beschlüsse sowohl der norwegischen Regierung wie des Stortings.

Den Eid, den Norwegens König nach § 9 des Grundgesetzes bei seinem Regierungsantritt ablegt, "das Königreich Norwegen in Übereinstimmung mit dessen Verfassung und Gesetzen regieren zu wollen", macht es für mich zu einer königlichen Pflicht, es nicht damit bewenden zu lassen, was der norwegischen Staatsrat anläßlich meines Beschlusses vom 27. Mai d. J. ausgesprochen hat, in dem ich erkläre, daß ich es zurzeit nicht für zweckmäßig erachtete, den Beschluß des Stortings betreffs Errichtung eigenen norwegischen Konsulatswesen zu sanktionieren. Der Staatsrat machte hierbei geltend, daß dieser Beschluß, im Widerstreit mit dem einstimmigen Vorschlag des norwegischen Staatsrats, eine Aufhebung des verfassungsmäßigen Rechts des Norwegischen Reiches enthalte, selbst diese Angelegenheit zu entscheiden, sowie eine Kränkung von Norwegens Freiheit, Selbständigkeit und Souveränität, wobei der Staatsrat erklärte, daß kein Mitglied der gegenwärtigen norwegischen Regierung sich bereits finden lassen würde, meinen Beschluß gegenzuzeichnen und ihm dadurch, nach Auffassung des Staatsrats, die verfassungsmäßige Gültigkeit zu verleihen.

Das Recht des norwegischen Königs, wann er findet, daß der Wohl des Reiches es erfordert, einem vom Storting in gesetzmäßiger Weise angenommenen Gesetzesvorschlag die Sanktion zu verweigern, ist unbedingt. Von dieser Regel gibt es keine Ausnahme, selbst wenn das Storting denselben Beschluß unverändert, so oft es will, gefaßt haben mag. Nach § 79 des Grundgesetzes wird indessen der Beschluß des Stortings zum Gesetz für Norwegen auch ohne königliche Sanktion, jedoch ist hierzu unveränderte Beschlußfassung von drei verschiedenen, aufeinander folgenden Wahlen zusammengesetzten Stortingen erforderlich, welcher Beschluß dem König vorgelegt werden soll "mit dem Ersuchen, Seine Majestät wollte einem Beschlusse, den das Storting nach reiflichster Überlegung für nützlich erachte, seine Sanktion nicht verweigern".

In dem in Frage stehenden Falle indessen lag kein vom Storting in solcher Weise gefaßter Beschluß vor, und es kommt deshalb für diesen Fall die Bestimmung des § 78 zur Anwendung: "Billigt der König den Beschluß, so versieht er ihn mit seiner Unterschrift, wodurch der Beschluß Gesetz wird. Billigt er ihn nicht, so sendet er ihn an das Odelsting zurück mit der Erklärung, daß er es zurzeit nicht für dienlich erachte, den Beschluß zu sanktionieren". Und der Paragraph fährt fort: "Der Beschluß darf in diesem Falle von dem dann versammelten Storting dem König nicht mehr vorgelegt werden".

Durch die letztgenannte Vorschrift hat das Grundgesetz deutlich die Freiheit des norwegischen Königs in der Ausübung der ihm unbestreitbar zustehenden Machtbefugnis betreffs der Gesetzgebung schützen wollen.

Mein Beschluß, ein Gesetz über eigenes norwegisches Konsulatswesen nicht zu sanktionieren, kann demzufolge nicht als irgendeine Überschreitung der Machfbefugnis in Gesetzesangelegenheiten, die nach dem Grundgesetz dem König zusteht, gedeutet werden, nicht einmal wenn man fände, daß die vorliegende Frage eine ausschließlich Norwegen betreffende Angelegenheit sei. Aber auf Grund der zwischen Norwegen und Schweden geltenden unionellen Bestimmungen war es nicht allein mein Recht, sondern auch meine Pflicht, als Norwegens König die Sanktion zu verweigern. Denn eine Aufhebung des bestehenden gemeinschaftlichen Konsulatswesen konnte allein dadurch zuwege gebracht werden, daß Norwegen auf freiwillige und freundschaftliche Verhandlung über veränderte unionelle Bestimmungen einging auf der Grundlage voller gegenseitiger Gleichstellung der vereinigten Reiche, wozu nicht bloß die Königsmacht, sondern auch Schwedens Reichstag einstimmig sich bereit erklärt hatten. Daß eine solche Rücksicht auf die Forderungen der bestehenden Union einen Eingriff in Norwegens Selbständigkeit und Souveränität enthalten sollte, diese Behauptung ist um so weniger begründet, als das Grundgesetz unzweideutig Norwegens Selbständigkeit mit seiner Vereinigung mit Schweden verknüpft. Norwegens König muß stets § 1 in dessen Grundgesetz im Auge haben: "Das Königreich Norwegen ist ein freies, selbständiges, unteilbares und unabhängiges Reich, mit Schweden unter einem König vereinigt".

Die Äußerung des Staatsrats - daß mein Beschluß, das vom Storting angenommene Konsulatsgesetz nicht zu sanktionieren, der verfassungsmäßigen Gültigkeit entbehren würde, weil kein Mitglied des norwegischen Staatsrats fand, daß er den königlichen Beschluß gegenzeichnen könne - diese Äußerung enthält eine Behauptung, die ich als wider das Grundgesetz streitend erklären muß. Die Frage über die Bedeutung der Gegenzeichnung nach norwegischem Staatsrecht ist nicht neuen Ursprungs, sondern ist älter als das jetzige norwegische Grundgesetz. Sie fand schon durch die Reichsversammlung in Eidsvold ihre Lösung. Ein dort eingebrachter Vorschlag, daß Gegenzeichnung ausbedungen werden müsste, damit die Befehle des Königs Gültigkeit haben sollte, wurde nämlich als im Widerstreit mit den allgemeinen Prinzipien des Grundgesetzes in der Frage über die Verteilung der Staatsgewalt verworfen. Derselbe Standpunkt machte sich auch geltend im Grundgesetz vom 4. November. Diese Ansicht ist auch ohne Widerspruch vom Konstitutionskomitee in 2 Fällen ausgesprochen worden, im Jahre 1824 und 1839, als das Storting ebenfalls Vorschläge verwarf, die in einer anderen Richtung gingen. Die Veränderung, die § 32 des Grundgesetzes späterhin erfahren hat, verleiht der Ansicht erhöhte Stütze, daß die Gegenzeichnung seitens des Staatsministers nichts anderes ist, als ein Beweis dafür , daß der König einen Beschluß von einem gewissen Inhalt gefaßt hat. Und daß § 31 des Grundgesetzes in seiner Vorschrift über die Gegenzeichnungspflicht des betreffenden Staatsministers unbedingt ist, dieser Ansicht haben auch die Staatsrechtlehrer beigepflichtet, die das Grundgesetz ausgelegt haben. Wenn sich der Staatsrat hiergegen auf eine Äußerung der norwegischen Regierung im Jahre 1847 bei Gelegenheit der Beratung des damals vorliegenden Entwurfs zu einer neuen Reichsakte berufen hat, so hat die Staatsratabteilung dabei übersehen - teils daß diese Äußerung in gleicher Weise, wie bei § 38 der schwedischen Verfassung, allein Ausfertigungen betraf, dagegen aber nicht die in den Sitzungsbericht aufgenommenen Beschlüsse des Königs, teils auch, daß die norwegische Regierung nicht geltend gemacht hat, daß das Grundgesetz Norwegens wirklich irgendwelches Recht zur Verweigerung der Gegenzeichnung bestimme. Das Grundgesetz schreibt im Gegenteil in § 30 ausdrücklich vor: "Aber es ist diesem (dem Könige) vorbehalten, nach seinem eigenen Ermessen Beschluß zu fassen", so wie in § 31: "Alle vom König selbst ausgefertigten Befehle (militärische Kommandosachen ausgenommen) sollen von einem der Staatsminister (vor 1873 dem norwegischen Staatsminister) gegengezeichnet werden".

Daß ich unter diesen Umständen mich berechtigt fühle, Achtung vor einem von Norwegens König in verfassungsmäßiger Weise gefaßten Beschluß zu fordern - das darf man mir nicht verdenken.

Die Machtmittel, die das Grundgesetz dem norwegischen Könige zur Verfügung stellt, um ihn instand zu setzen, nach seiner Überzeugung das Wohl des Landes zu fördern, sind nicht größer, als daß sie für die Königsgewalt bewahrt werden müssen, damit nicht ein gegen die Grundsätze der Verfassung streitender konstitutioneller Gebrauch eingeführt werde, etwas, was nach der ausdrücklichen Vorschrift in § 112 nicht einmal durch Veränderung des Grundgesetzes - das wichtigste - ist, daß Norwegen eine verfassungsmäßige Monarchie sein soll. Damit läßt es sich nicht vereinbaren, daß der König zu einem willenlosen Werkzeug in der Hand des Staatsrates herabsinkt. Sollten indessen die Mitglieder des Staatsrates durch Verweigerung der Gegenzeichnung das Zustandekommen jedes königlichen Beschlusses verhindern können, so würde der norwegische König von jeder Teilnahme an der Ausübung der Staatsgewalt ausgeschlossen werden. Diese Stellung würde in ebenso hohem Grad herabsetzend für den Monarchen wie schädlich für Norwegen selbst sein.

Zu den Umständen, die sich also gegen das Verfassungsmäßige der Verweigerung der Gegenzeichnung seitens des norwegischen Staatsministers anführen lassen und gleichzeitig gegen die Gültigkeit des Dogmas, das man hat schaffen wollen - daß ein Beschluß des Königs, um Gültigkeit des Dogmas, das man hat schaffen wollen - daß ein Beschluß des Königs, um Gültigkeit zu erlangen, von der Verantwortlichkeit  eines der Staatsratsmitglieder getragen sein muß - kommen mit Hinsicht auf die Fragen, die das Unionsverhältnis betreffen, noch weitere Umstände hinzu, die ihren Grund darin haben, daß Norwegens König auch Unionskönig ist. So verschiedene Auffassungen sich auch betreffs des Umfangs der Gemeinschaft geltend machen mögen, welche die für beide Reiche bindenden Unionsbestimmungen geschaffen haben, so ist es doch völlig klar, daß die Königsmacht auch eine unionelle Einrichtung ist. Die Stellung dieses Königs als König nicht bloß in Norwegen oder in Schweden, sondern als Monarch der vereinigten Reiche, macht es dem Könige zur Pflicht, nicht, im Widerspruch zu § 5 der Reichsakte, durch Beschlüsse in dem einen Reiche Entscheidungen vorzugreifen, die auch das andere Reich betreffen. Die Pflicht des Königs ist in dieser Hinsicht unvereinbar mit der Anschauung, daß das eine Reich durch die Verweigerung der Gegenzeichnung seitens des Staatsrats oder ähnliche Maßnahmen den Beschluß des Königs sollte umstoßen können, wodurch er sich geweigert hatte, eine für das andere Reich vorgreifende oder für die Union schädliche Entscheidung zu treffen. Wenn man in Norwegen an einer entgegengesetzten Auffassung hat festhalten wollen, und wenn das norwegische Volk einen Anspruch gelten geltend macht auf das Recht, den König zu zwingen, Beschlüsse zu fassen, die dem widersprechen, was er mit seiner Stellung als Unionskönig für vereinbar ansieht, so ließe sich dies auf keine andere Weise durchführen, als daß der Unionskönig und damit auch Schwedens König in seinen Entscheidungen ganz und gar abhängig werden würde von dem Willen des norwegischen Volks, seines Stortings und seiner Regierung. Eine solche Stellung für die Königsmacht muß ich als wider die zwischen den Reichen durch die Reichsakte gesetzlich bestimmte Vereinigung streitende bezeichnen. Es ist stets mein Bestreben gewesen, Norwegen innerhalb der Union den Platz zu geben, auf den es rechtmäßig Anspruch machen kann. Meine königliche Pflicht gegen die Union fordert von mir, die rechtliche Grundlage der Union auch im Widerstreit mit einer allgemeinen norwegischen Volksmeinung aufrecht zu erhalten.

Die Gesetze, auf die ich den Eid abgelegt habe, und das Wohl der vereinigten Reiche sind bestimmend gewesen für meinen Entschluß bei Entscheidung der Konsulatsfrage, aber hierbei bin ich nicht bloß auf die Verweigerung der Gegenzeichnung seitens des norwegischen Staatsrats gestoßen, sondern auch auf die Abschiedsgesuche von dessen Mitgliedern. Als ich erklärte: "Da es mir klar ist, daß eine andere Regierung gegenwärtig nicht gebildet werden kann, so genehmige ich die Abschiedsgesuche der Staatsräte nicht" - hat der Staatsrat drohend geäußert, daß der Norweger, welcher meinem Beschlusse seinen Beistand gewähren würde, dadurch im selben Augenblick ohne Vaterland sein würde.

Ich wurde also in die Lage versetzt, entweder gezwungen zu sein, selbst den Eid zu brechen, den ich auf die Reichsakte abgelegt habe, oder mich dem auszusetzen, im entgegengesetzten Falle ohne Ratgeber zu stehen. Hier gab es für mich keine Wahl.

Nachdem man auf diese Weise, im Widerstreit mit dem Grundgesetz, versucht hatte, den von Norwegens König gesetzmäßig gefaßten Beschluß zunichte zu machen, hat der Staatsrat dadurch, daß er seine Ämter in die Hände des Stortings niedergelegt hat, Norwegens König ohne Ratgeber gestellt. Das Storting hat diesen Bruch der Verfassung gutgeheißen und durch eine revolutionäre Handlung erklärt, daß Norwegens gesetzmäßiger König zu regieren aufgehört habe, sowie daß die Union zwischen den vereinigten Reichen aufgelöst sei. Schweden und mir als Unionskönig kommt es zu, zu entscheiden, ob Norwegens Angriff auf die bestehende Vereinigung zur gesetzmäßigen Aufhebung der Union führen soll.

Das Urteil der Gegenwart und der Nachwelt muß entscheiden zwischen mir und Norwegens Volk ! -

Rosendals Schloß, den 10. Juni 1905

Oscar


Quellen: Max Fleischmann, Das Staatsgrundgesetz des Königreichs Norwegen, Verlag von M.&H. Marcus Breslau 1912
© 15. Februar  2002 - 30. Juni 2016
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