Staatsrecht des Herzogtums Kurland

 

der Jahre 1795 bis 1918

Kurland, das war bis 1918 der Name eines Gouvernements des russischen Kaiserreiches und ist heute Name einer Provinz von Lettland. Auch die heutige lettische Provinz Semgallen (d. h. Ende des Landes) gehörte teilweise zum Gouvernement.

Anders als Estland und Livland, die beide im Jahr 1721 als vormals schwedische Besitzungen russisch wurden, blieb Kurland bis 1795 unter polnischer Lehensherrschaft. Aber wie Livland auch, wurde Kurland mit der Auflösung des Deutschen Ordens polnisch und wurde im Jahr 1561 vom König von Polen dem letzten Herr des Deutschen Ordens zu Lehen gegeben. Zwar kam Kurland, unmittelbar nach der Besetzung Livlands und Estlands durch Russland im Jahre 1710 unter russischen Einfluss, blieb jedoch unter polnischer Lehensherrschaft. Im Gegensatz zu Polen wurde Kurland im Jahr 1567 evangelisch und blieb es.

Da mit Herzog Friedrich (reg. 1711 bis 1737) die regierende herzogliche Linie ausstarb und Polen bereits seit 1712 die Vereinigung Kurlands mit Polen anstrebte, kam Russland ins Spiel. Kaiserin Anna, Nichte Zar Peters des Großen und Witwe des vorletzten Herzogs von Kurland, Neffe des Herzogs Friedrich, widersetzte sich der Einverleibung Kurlands durch Polen. Im Jahr 1731 besetzte Russland das Herzogtum und erklärte dem polnischen Hof, dass sie das Herzogtum bei seinem bestehenden Verfassungsrecht als Lehen der Republik unter eigenen Herzögen beschützen werde. Deshalb wurde nach dem Tode Herzog Friedrichs im Jahr 1737 auf Vorschlag der russischen Zarin Anna deren Oberkammerherrn, der Graf Ernst Johann von Biron, einem geborenen Kurländer, vom Landtag zum Herzog von Kurland gewählt. Dieser wurde zwar in der Regierungszeit der russischen Zarin Elisabeths nach Sibirien verbannt und der kurländische Landtag versuchte Nachfolger zu wählen, aber entweder bekam der Gewählte nicht die Zustimmung des polnischen Hofes oder er wurde von Russland abgelehnt. Kurzzeitig kam als Herzog von Kurland der Prinz Karl von Sachsen zum Zug, doch nach dem Regierungsantritt von Zarin Katharina II. wurde Herzog Johann von Biron wieder als Herzog eingesetzt.

Das Ende von Kurland als polnisches Lehen unter russischem Schutz kam aus dem Landtag Kurlands selbst. Die Streitigkeiten zwischen Adel und Bürgerstand in Kurland führten dazu, dass der Landtag von Kurland durch Beschluss vom 18. März 1795 das Herzogtum dem Kaisertum Russland übertrug. Der Beschluss wurde von Herzog Peter, der 1769/72 seinem Vater, Herzog Johann von Biron, folgte, gegen eine jährliche Rente von 36.000 Talern am 28. März 1797 bestätigt.

Mit der Übernahme Kurlands durch Russland wurde Kurland eine Provinz Russlands mit besonderen Rechten. Die Verfassung von 1768 wurde bestätigt und fortgeführt.

Kurland ist heute nur noch eine Landschafts- bzw. Provinzialbezeichnung; sowohl das Volk der Kuren (verwandt mit den Litauern, nicht mit den Letten !!!) ist nahezu ausgestorben. Das Land war mehrheitlich von Letten bewohnt und wurde Teil Lettlands. Wie in Estland und Lettland auch waren in Kurland die deutschsprachigen Bewohner der maßgebende Teil der Bevölkerung und beherrschte den Landtag von Kurland.

Die Privilegien Kurlands umfasste insbesondere als Selbstverwaltung folgende Bereiche: die Rechtsprechung, die Landpolizei, die Kirchenverwaltung, die Schulverwaltung, die Verwaltung der Angelegenheiten der allgemeinen Wohlfahrt, die Post und die Gemeinde- und Stadtverwaltung.

So bestanden neben der allgemeinen Verwaltung eines Gouvernements, Kronbehörden genannt, auch die Landesbehörden genannten Organe der Selbstverwaltung in Kurland. Während die Kronbehörden samt dem Gouverneur oder Statthalter den zentralen russischen Behörden und Ministerien unterstand, waren die Landesbehörde selbstständige und unabhängige Behörden.

Kurland bestand aus dem eigentlichen Kurland (westlicher Teil des Landes mit der Hauptstadt Mittau), dem Herzogtum Semgallen (östlicher, sehr schmaler Teil des Landes mit der Hauptstadt Dünaburg), dem Gebiet des früheren Bistums Pilten (hauptsächlich an der Nordspitze Kurlands) und dem kleinen Bezirk Polangen an der Ostsee, der 1819 erstmals vom Gouvernement Wilna (Litauen) abgetrennt und zu Kurland geschlagen wurde, aber immer wieder mal an das Gouvernement Wilna angeschlossen wurde. Der Bezirk Polangen gehört heute zu Litauen.

Verwaltungsmäßig war Kurland in 5 Kreise (Mitau, Hasenpot, Goldingen, Tuckum und Dünaburg), Oberhauptmannschaften genannt, eingeteilt. Der Kreis war in zwei Hauptmannschaften geteilt.
In Kurland gab es
33 Kirchspiele
11 Städte (Mitau (Hauptstadt), Libau, Hasenpot, Godingen, Pilten, Windau, Tuckum, Bauske, Friedrichstadt, Jakobstadt, Dünaburg),
10 Flecken,
8 Sloboden und
739 (Ritter-) Güter.

 

Als wichtigste Landesbehörde bestand der Landtag des Herzogtums Kurland.

Die Vertretung des ganzen Landes in allen seinen Interessen und in Bezug auf das gesamte Recht hatte in Kurland der Landtag.

Der Landtag trat alle drei Jahre in Mitau zusammen.

Der Landtag Kurlands war nur in Ausnahmefällen ein Virillandtag, denn er trat nur in außerordentlichen Fällen als "brüderliche Konferenz" zusammen; bei diesem hatte jeder Besitzer eines in die Landrolle eingetragenen Gutes Sitz und Stimme. In Kurland trat aber gewöhnlich nur ein Landbotentag aus Landboten (Vertretern) der 33 politischen Kirchspiele zusammen.

Die Beschlüsse des als "brüderlicher Konferenz" zusammengetretenen Landtags wurden durch einfache Majorität der Landtagsmitglieder gefaßt. Bei dem Landbotentag wurde jedoch in sehr schwerfälliger Form verhandelt, da die 33 Landboten an die Instruktionen ihrer Kirchspielsversammlungen gebunden waren. Die Vorschläge auf dem Landbotentag wurden also erst in den Kirchspielsversammlungen erörtert, diese beschlossen die Instruktionen für ihre Vertreter beim Landbotentag und erst dann wurde mit Mehrheit der 33 Landboten entschieden.

Der Landtag war berechtigt, über alle den Adel und die Interessen des gesamten Landes berührenden Angelegenheiten zu beschließen. Er hatte daher die Möglichkeit, die Initiative in Gesetzgebungsangelegenheiten zu ergreifen, ein ausgedehntes Petitionsrecht an die Regierung, die Beschlussfassung in allen wichtigen Angelegenheiten der örtlichen Wohlfahrt, der Landesprästanden, der Verwaltung der Kirchen, der Landesschulen, das Recht der Selbstbesteuerung, das Wahlrecht zu den Ämtern der Landesvertretung, der Richter, der Polizeibeamten und des Konsistoriums. Auch hatte er das Recht, Immediateingaben an den Kaiser zu richten.

Die in die kurländische Adelsmatrikel aufgenommenen adligen Gutsbesitzer hatten verschiedene Vorrechte. In Kurland bestand das Vorrecht darin, daß sie allein berechtigt waren, über Angelegenheiten der örtlichen Adelskorporationen und deren Vermögen zu entscheiden.

Die Vertretung des Landes in Kurland hatte nach außen der Landesbevollmächtigte, der auf 3 Jahre vom Landtag gewählt wurde und das Ritterschaftskomitee, bestehend aus je 2 Vertretern der Kreise, den Kreismarschällen. Das Ritterschaftskomitee bearbeitete alle Vorlagen an den Landtag.

Die Besetzung der Landesbehörden fand durch Wahl auf dem Landtage statt; für die Kreisämter wurde nach Kreisen gewählt, aber auf dem Landtag. War der Landtag bzw. Landbotentag nicht versammelt, so konnten Kreisämter unter gewissen Bedingungen durch Wahl des Konvents (des Ritterschaftskomitees) besetzt werden.

Als Landesbehörden des Herzogtums Kurland bestanden:

- die Landesgerichte. In Kurland bestanden als Landesgerichte: in jedem der fünf Kreise ein Oberhauptmannsgericht und das Oberhofgericht.

Die Mitglieder der Kreisgerichte und des Oberhofgerichts wurden, wie die anderen Richter in Kurland auch, auf Lebenszeit gewählt. Dabei fand folgendes Verfahren statt: Zunächst wurden nur die Beisitzer der Hauptmanns- und Oberhauptmannsgerichte. Aus diesen wurden dann die Richter der Hauptmanns- und Oberhauptmannsgerichte gewählt und aus den letzteren wiederum nach dem Lebensalter die Richter in das Oberhofgericht berufen.

Die Kompetenz der Gerichte hatte sich allmählich historisch festgestellt; sie beruhet daher in persönlicher Hinsicht auf dem Standesprinzip; es bestanden viele Spezialbestimmungen und Verschiedenheiten, und die ausgleichende Regulierung durch die Gesetzgebung wurde vermißt. Zwar hatte der Kaiser mit Datum vom 28. Mai 1880 ein Gesetz über die Organisation der Friedensrichter in den baltischen Gouvernements erlassen, doch wurde es durch die Kron- und Landesbehörden einfach ignoriert und durch Ukas vom 3. Oktober 1884 wieder sistiert, bis zur Reorganisation der Bauernbehörden. Das Gesetz von 1880 hätte in Kurland die russische Friedensgerichtsordnung eingeführt, allerdings mit den Sonderbestimmungen, dass der Gebrauch der deutschen Sprache zulässig war und die Wahl der Friedensrichter der örtlichen Bevölkerung übertrug.

- die Bauerngerichte. Diese, für die bäuerliche Bevölkerung (siehe auch weiter unten) und deren Angelegenheiten errichtetn Behörden beruhten vollständig auf Landesinitiative und standen in enger Beziehung zur Agrarreform der Jahre um 1880. Eingeführt wurden sie zu einer Zeit, wo es sich darum handelte, die Leibeigenschaft aufzuheben und den Bauer allmählich in eine selbständige Stellung hinüber zu leiten; daher war die selbständige Stellung der Bauerngerichte von anderen Gerichten und deren getrennte Organisation sowie die Vereinigung von richterlichen und Verwaltungsbefugnissen in diesen wichtig und einzusehen.

Von den russischen Bauernbehörden unterschieden sich die kurischen Bauerngerichte dadurch, dass jene mit einem umfangreichen Ermessen ausgestattete Verwaltungsbehörden waren, diese aber Gerichte, welche wesentlich und stets das Gesetz anzuwenden hatten und denen die Entscheidungen und Verfügungen in gewissen Verwaltungssachen übertragen waren, was bekanntlich einen bedeutenden Unterschied macht.

Die Bauerngerichte waren unterteilt in:

A. Das Gemeindegericht, das für eine oder mehrere Gemeinden gemeinschaftlich bestand und das in Zivil- und geringfügigen Strafsachen (Polizeivergehen) der Landgemeindeglieder urteilte. Es war, wie alle anderen Gerichte Kurlands, ein Standesgericht, aber jeder, der gegen ein Mitglied einer Landgemeinde eine Klage hatte, musste sie bei diesem Gericht anbringen und seine Sache wurde von diesem Gericht entschieden. Die Gemeindegerichte Kurlands waren eben solche Gerichte, und nicht wie die russischen Gemeindegerichte, Behörden für Bauern, um welche Leute anderer Stände, wenn sie wollen, sich gar nicht zu kümmern brauchten.
Das Gemeindegericht bestand aus einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern, die von der Gemeinde gewählt wurden, ersterer aus den Grundeigentümern und Pächtern, letztere aus allen Gemeindegliedern, alle auf drei Jahre. Der Schreiber wurde von der Gemeindeverwaltung angestellt. Das Gemeindegericht war auch Gericht erster Instanz in allen Sachen unstreitiger Rechtssachen, beglaubigte Verträge aller Art und war Vormundschaftsamt.

B. Das Hauptmannsgericht, bestand aus dem Kreisrichter, einem adeligen und einen Bauern-Beisitzer, die auf den Landbotentagen auf Lebenszeit gewählt wurden. Sie haben die Aufgaben, die In Estland und Livland auf die beiden Instanzen Kirchspielsgericht und Kreisgericht aufgeteilt sind und bilden die II. Instanz. Das Hauptmannsgericht war zugleich in Zivilsachen und Polizei-, Vormundschafts- und Aufsichtsbehörde über die Verwaltung der Landgemeindesachen.
Als Aufsichtsbehörde hatte es die Kontrolle der Gemeindeverwaltungen und -beamten. Außerdem war er zuständig in erster Instanz in Klagsachen von Landgemeindegliedern gegen alle nicht steuerpflichtigen Personen und Gerichtshof zweiter Instanz in allen Beschwerde- und Appellationssachen von den Gemeindegerichten. Es urteilte in Amtsvergehensfällen der Mitglieder der Gemeindegerichte bis zur Strafe der Amtsentsetzung. Es war Obervormundschaftsbehörde für Bauern und Korroborationsbehörde für den Erwerb bäuerlicher Grundstücke. Der Hauptmann (Richter am Hauptmannsgericht) revidierte jährlich die Gemeindeverwaltung und hatte die Aufsicht über die Gemeindekassen.

C. Das Oberhofgericht bildete eine Abteilung, welche die III. und bis in das Jahr 1885 letzte Instanz der Bauern Kurlands bildete.

D. Der Senat des Russischen Reiches war ab 1885 auch für die kurländischen Bauerngerichte die letzte Instanz.

- Die Landpolizeibehörden. Deren Befugnisse wurden durch Reichsgesetz geregelt, wozu in Kurland noch die Beaufsichtigung des Wegebaus, der Krüge, u. s. w. kamen. Die Aufgaben der Landpolizeibehörden waren in Kurland den Hauptmannsgerichten zugeordnet, die für diese Aufgabe kollegialisch organisiert waren. Deren Beamten der Hauptmannsgerichte bezogen eine Besoldung aus der Landeskasse.

Die Verwaltung dieses Amtes durch Selbstverwaltungsbeamte, denen keine bewaffnete Polizeimannschaft zu Seite stand, die größere Ordnung udn Sicherheit, die unvergleichlich bessere Instandhaltung der Wege durch ihre Aufsicht lieferte für Kurland wie auch die beiden anderen russischen Ostseeprovinzen lange Zeit den besten Beweis dafür, wie sehr die Selbstverwaltung heimisch ist und wie Tüchtiges von ihr geleistet wurde.

Durch russisches Reichsgesetz vom 9. Juli 1881 waren aber die Landpolizeibehörden in Kurland abgeschafft. An deren Stelle trat eine allein vom Gouverneur abhängige, bürokratisch organisierte Polizei.

Auf dem Lande hatte der Gemeindeälteste die Polizei zu handhaben, er war sowohl dem Hauptmannsgericht als der Polizeibehörde untergeordnet; zur Aufrechterhaltung seiner Autorität stand ihm eine Strafgewalt zu.

Auf den Gütern wurde die Polizei von der Gutsverwaltung gehandhabt. Sie wurde vom Gutsbesitzer selbst ausgeübt, oder dem Arrendator oder einem sonstigen Bevollmächtigten des Gutsbesitzers, der dem Hauptmannsgericht angezeigt werden musste. Die Gutspolizei konnte auch auf den örtlichen Gemeindeältesten übertragen werden. Die Befugnisse der Gutspolizei waren: Publikation der Gesetze auf dem Hofslande, Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Verhaftung von Vagabunden und Verbrecher, Ergreifung der nötigen Maßregeln bei Feuersbrünste, Bericht an die Behörden über außerordentliche Ereignisse, Einsammlung statistischer Daten, das Recht, persönliche Auskünfte, Schutz und persönliche Hilfe von der Gemeindepolizei zu verlangen und der Aufsichtsbehörde über Nichterfüllung der polizeilichen Pflichten seitens des Gemeindeältesten zu berichten. Die Gutspolizei besaß keinerlei Strafgewalt.

- Das Konsistorium als Verwaltung der evangelisch-lutherischen Landeskirche in Kurland ist das landesweite Konsistorium. Das kurländische Landeskonsistorium hatte ihren Sitz in Mitau. Dem kurländische Landeskonsistorium unterstanden als vorgesetzte Behörde, neben den Pfarrämtern Kurlands auch die evangelisch-lutherischen Pfarrer der westlichen Provinzen Russlands.

Das Landeskonsistorium bestand aus einem weltlichen Präsidenten, einem geistlichen Vizepräsidenten (dem Generalsuperintendenten), zwei weltlichen und zwei geistlichen Räten. Der Präsident, der Generalsuperintendent und die weltlichen Räte wurden vom Landtag gewählt, die geistlichen Räte vom Konsistorium selbst.

Das Konsistorium war sowohl Verwaltungsbehörde als auch Gericht. Es hatte die Ausübung des Kirchenregiments, die Fürsorge für die Verwaltung des geistlichen Amtes, die Beaufsichtigung desselben, es handhabte die Disziplin über die Geistlichkeit und hatten die Gerichtsbarkeit über Amtsverbrechen und Geistlichen und in Ehesachen auszuüben.

- das Ritterschaftskomitee war Träger der Selbstverwaltung Kurlands; diesem waren folgende Behörden unterstellt:

a. die Ritterschaftskanzlei als direkt dem Landesbevollmächtigten unterstehende Kanzlei, bestanden aus einem Sekretär, einem Notar, einem Rentmeister und anderen Beamten, die vom Landtag gewählt wurden. Die Kanzlei hatte die Schriftführung in allen Sachen für den Landtag, das Ritterschaftskomitee, das Oberhofgericht und den Landesbevollmächtigten.

b. die Kassa-Deputierten wurden vom Landtag gewählt und waren für die Verwaltung der Ritterschaftskasse, die Kontrolle der Ein- und Ausgaben, die Fürsorge für rechtzeitige Einzahlung zuständig. Sie nahmen an den Beratungen des Ritterschaftsakomitees teil, aber nicht an den Abstimmungen; zur Revision der Kasse wurden vom Landtag zwei Kassa-Revidenten auf drei Jahre gewählt.

c. die Ritterschafts-Güterkommission, die aus einem Mitglied des Ritterschaftskomitees und fünf nach Kreisen gewählten Deputierten bestand und die für die Verwaltung, Verpachtung und Revision der Ritterschaftsgüter zuständig war.

d. die Verwaltung der Posten und Weg  stand unter der Oberleitung des Landesbevollmächtigten sowie der Kassa-Deputierten. Die oberste Verwaltung des Fahrpostwesens, wie die Repartition der gesetzlichen Fouragelieferung an die Poststationen auf die Güter und die Bauernschaften und die Vergebung der Poststationen in Administration oder Pacht an die Postkommissäre, stand dem Ritterschaftskomitee zu.

Außerdem bestand für jeden Postierungsbezirk ein Konvent, der aus den Gutsbesitzern des Postierungsbezirks bestand. Jeder Bezirk erhielt eine oder mehrere Poststationen. Jeder Postierungs-Konvent wählte einen Postierungsdirektor, war für die notwendigen Reparaturen an den Posteinrichtungen zuständig und beschloss über die Post-Bauten. Die Baulast war so verteilt, dass die Gutsbesitzer das Material und die baren Ausgaben zu leisten hatten, die Gemeinden aber die Anfuhr zu leisten und die Arbeiter zu stellen hatten. Der Postierungsdirektor beaufsichtigte die Poststationen seines Bezirks und führte die Beschlüsse des Konvents aus.

- die Schulverwaltung war unterteilt in eine Landesschulverwaltung, eine Kreisschulverwaltung und eine örtliche Schulverwaltung. Sie unterstand bis zu dem Jahr 1886 in Aufsicht und Gesetzgebung den Landesbehörden, doch hat mit dem Jahr 1886 (infolge der Russifizierung) die russische Zentralbürokratie die Gesetzgebung und die Aufsicht der Schulverwaltung übernommen, indem die kurländische Schulverwaltung dem russischen Ministerium für Volksbildung unterstellt wurde. Trotzdem bestanden die Landesschulbehörden als ausführende Organe des russischen Ministeriums fort.

Als Landesschulbehörde bestand die Oberlandschulbehörde, die aus fünf Oberkirchenvorstehern, die aus den Mitgliedern des Ritterschaftskomitees, für jeden Kreis einer, vom Landtag gewählt wurden, aus dem Generalsuperintendenten und einem besoldeten Schulrat bestand. Er hatte die Oberleitung des Volksschulwesens, traf die Anordnungen zur Förderung desselben mit Zustimmung des Landtags, stellte den Geschäftsgang der Verwaltung fest, regelte die Prüfung, Besoldung und Anstellung der Lehrer, genehmigte die Lehrpläne und Lehrbücher und entschied alle Anfragen und Beschwerden der Schulen und Verwaltungen.

- zur Kreisverwaltung zählten die Oberkirchenvorsteher-Ämter, von denen in jedem Kreis ein Amt existierte, das aus dem Oberkirchenvorsteher, welcher vom Landtag nach Kreisen aus den Mitgliedern des Ritterschaftskomitees gewählt wurde und einem weltlichen und einem geistlichen Beisitzer bestand von denen der erste vom Landtag nach Kreisen gewählt, und der letzte vom Landeskonsistorium berufen wurde. Dieses Amt ist Aufsichts- und Beschwerde-Instanz für die Selbstverwaltungsorgane in den Kirchspielen.

In jedem Kreis Kurlands gab es eine Kreisversammlung aus sämtlichen Gutsbesitzern. Die Kreisversammlung beschloss Willigungen zur Befriedigung von Interessen des Kreises; sie waren aber nur berechtigt, das zur freien Disposition des Gutsbesitzers verbliebene sogenannte Hofesland, nicht aber das Bauernland zu besteuern. Gegenstände der Bewilligungen sind Gehaltszulagen für Land-, Kreis- und Ordnungsgerichte, Subvention von Schulen und Krankenhäusern, Pensionen und Unterstützungen.Die Kreisversammlungen wurden auf Anordnung der Gouvernementsregierung und des Ritterkollegiums ausgeschrieben, und die Beschlüsse derselben wurden von dem einen oder dem anderen bestätigt. Die Einberufung und Leitung der Kreisversammlungen sowie die Ausführung der Beschlüsse hatte der Oberkirchenvorsteher.

Außerdem gab es eine Kreislandschulbehörde, die unter dem Vorsitze des Oberkirchenvorstehers aus den Mitgliedern des Oberkirchenvorsteher-Amtes, je einem von jeder Ritterschaft gewählten weltlichen und einem vom Konsistorium erwählten geistlichen Schulrevidenten und je einem von sämtlichen Kirchspiels-Schulältesten aus ihrer Mitte erwählten Mitglieder aus jedem Propsteibezirk bestand. Die Kreislandschulbehörde entschied die Klagen über die Kirchspiels-Schulverwaltungen, traf die Verfügungen auf die jährlichen Berichte und Revisionen, hatte die Bestrafung und Absetzung der Kirchspiels-Schullehrer wegen Untauglichkeit, Amtsvernachlässigung oder unsittlichen Lebenswandel und die Feststellung und Bestätigung der Lehrpläne neu zu errichtender Schulen.

- zur örtlichen Gemeindeverwaltung zählten

1. der Kirchspielskonvent, der in jedem Pfarr-Kirchspiel bestand und der für die Angelegenheiten, welche nicht die Kirche und Schule betreffen; er bestand aus den Ritterguts- und Widmenbesitzern, den Arrendatoren der Krongüter und den Gemeindeältesten der Landgemeinden. Da jedes Gut seine besondere Gemeinde hatte, so war die Zahl der Gemeindeältesten und die der Gutsbesitzer gleich. Diese Konvente hatten zu beschließen: über Unterhalt der Kirchspielswege, Anstellung von Kirchspielsärzten, Gründung von Doktoranden und Lazaretten, Einrichtung vom Kirchspielsposten, Kontrolle der statistischen Erhebungen und endlich die Wahl des Kirchspielsvorstehers und seines Substituten. Dieses Amt war ein Ehrenamt, das von den Rittergutsbesitzern oder Arrendatoren bekleidet wurde.

Der Kirchspielsvorsteher hatte die Sachen zur Verhandlung auf dem Konvent vorzubereiten, die Verhandlungen zu leiten und die Beschlüsse auszuführen, die Kirchspielswege zu verwalten, die statistischen Daten einzusammeln und zusammenzustellen. Eine durchgreifende Wirksamkeit dieser Institutionen auf dem Gebiete des Sanitätswesens wurde durch die Reichsgesetzgebung gehindert, da es gesetzlich verboten war, Gemeindeglieder höher als mit 10 Kopeken für Sanitätszwecke zu besteuern und die Gemeinden der Krongüter von der Besteuerung zu Sanitätszwecken befreit waren. Alle Bemühungen um Abänderung dieser Bestimmungen waren vergebens.

Der Kirchspielskonvent konnte Kirchspielsabgaben erheben. Diese bestanden
- in Wege- und Brückenbau in Leistungen für die Bauten und Reparaturen der Kirchen, Pastorale, Küstenate, wobei die Gutsbesitzer das Baumaterial und die baren Ausgaben, die Bauernschaften die Anfuhr der Materialien und die Stellung der Arbeiter haben;
- in Leistungen für den Pastor und den Küster. Diese Leistungen waren alle Reallasten, soweit sie die Bauernschaften betrafen, in der Weise berechnet, dass beim Verkaufe oder der Verpachtung von Bauernland der Wert desselben entsprechend dem Reinertrag, nach Abzug des für den Bauern benötigten Unterhaltes und des zur Entrichtung der sogenannten publiken Abgaben Erforderlichen, bestimmt wurde;
- in Abgaben zum Unterhalt des Arztes der Hebamme und zu Sanitätszwecken.

2. Der Kirchen- und Schulkonvent bestand für jedes Pfarr-Kirchspiel und bestand aus dem Prediger, den Gutsbesitzern und den Arrendatoren der Krongüter und je einem Delegierten der Gemeinden. Diese berieten und beschlossen über alle die evangelisch-lutherische Kirche, die lutherische Volksschule und das Pastorat berührenden wirtschaftlichen und polizeilichen Angelegenheiten, die Bewilligung der notwendigen Mittel, die Wahl des Predigers, wo kein Patronatsrecht bestand, und die Wahl des Kirchenvorstehers und seines Substituten. Für die Kirchspielsbauten geben die Gutsbesitzer das Baumaterial und bestreiten alle baren Ausgaben, die Gemeinden haben die Anfuhr und stellen die Arbeiter, so dass, obwohl auf den Konventen die Gemeindevertreter ebensoviel Stimmen als die Gutsbesitzer haben, die Gemeinden doch weniger belastet sind als diese.

Außerdem bestand eine Kirchspiels-Schulverwaltung, die unter dem Vorsitz des Kirchenvorstehers aus dem örtlichen Prediger, dem Lehrer der Kirchspielsschule und dem Kirchspiels-Schulältesten, der aus den Kirchenvormündern und den Schulältesten des ganzen Pfarrkirchspiels aus ihrer Mitte gewählt wird, besteht. Die Kirchspiels-Schulverwaltung ist die wichtigste unter den Schulbehörden. Während die beiden vorgesetzten Behörden die Oberleitung hatten und wesentlich Aufsichts- und Beschwerdeinstanzen sind, hatte jene die unmittelbare Verwaltung und die Initiative in der Förderung des Schulwesens. Ihre Aufgabe war die Hebung und Beaufsichtigung des häuslichen Unterrichts, die Einrichtung der Schulen auf Anordnung der Kreislandschulbehörde, die Verwaltung derselben, die Inspektion, die Anstellung der Lehrer und die Handhabung der Disziplin über dieselben, inklusive die Absetzung der Gemeinde- und Suspension der Kirchspiels-Schullehrer, unter jährlicher Berichterstattung über die Verwaltung an den Kirchen- und Schulkonvent. Als Inspektoren der Schule fungieren die Prediger und sämtliche Mitglieder der Kirchspiels-Schulverwaltung, speziell der Kirchspielslehrer. Als unmittelbarste Organe der Schulverwaltung sind die Kirchenvormünder und Schulältesten verpflichtet, die Schulen wöchentlich zu besuchen, den Schulbesuch und häuslichen Unterricht zu kontrollieren, die Strafgelder wegen versäumter Schultage von den Eltern und Erziehern lässiger Kinder einzukassieren oder durch den Gemeindeältesten beitreiben zu lassen, endlich dafür zu sorgen, dass der Unterhalt des Schullehrers und des Schulhauses geleistet werde.
Der Volksschulunterricht ist von der lutherischen Landeskirche ausgegangen und vom Landtag unter Mitwirkung der Prediger organisiert worden. Der Zweck des Volksunterrichts war die Vorbildung zum Konfirmationsunterricht und zum Eintritt in das Gemeindeleben. Der Volksunterricht hat drei Stufen. Die erste Stufe bildet der obligatorische häusliche Unterricht in der Gemeindeschule. Nach dem Gesetz sollte auf je 500 Seelen eine Schule bestehen; 1882 bestand auf 327 Seelen eine Schule. Diese beiden Stufen nebst dem Repetitionskursus für die Zeit von der Absolvierung der Gemeindeschule bis zur Konfirmation werden, vermöge des gesetzlichen Schulzwanges (der nur in Kurland und den weiteren russischen Ostseegouvernements besteht), durch fast alle Bauern beschritten,
während am Unterricht in der Schule höherer Ordnung, der Kirchspiel-Schule, nur eine verhältnismäßig geringe Zahl Teil nahmen: diejenigen, die ein größeres Bildungsbedürfnis haben und meist solche, welche sich zum Eintritt in mittlere und höhere Schulen vorbereiten wollen: die Kirchspielschule ist eben eine Fortbildungsschule. In jedem Kirchspiele besteht wenigstens eine solche Kirchspielschule.

3. Die Landgemeinde bestand aufgrund der Landgemeindeordnung vom 19. Februar 1866, die durch Gesetz des Landtages von Kurland erlassen wurde, hatte die Bauerngemeinden in Kurland für mündig erklärt und denselben eine große Selbstständigkeit und umfassende Selbstverwaltungsbefugnisse zugesprochen. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Bauerngemeinden einem Rittergut zugeordnet.

Die Landgemeinde wurde gebildet von allen in den Gemeindeverband aufgenommenen Personen, gewöhnlich eines Gutes; es konnte aber auch eine Gemeinde aus Bewohnern mehrerer Güter gebildet werden.

Die eigentliche Gemeindeverwaltung wurde gebildet aus:
a. die Gemeindeversammlung, welche gebildet wurde aus allen Grundeigentümern und Pächtern von Bauernhöfen und aus den Delegierten der bäuerlichen und der Gutsknechte und sonstiger selbstständiger, nicht ansässiger Gemeindeglieder. Die Gemeindeversammlung hatte:
- die Mitglieder des Gemeindeausschusses zu wählen,
- über den Ausschluss lasterhafter Gemeindeglieder zu entscheiden.
Die Grundeigentümer, Pächter, Hofes- und Bauernknechte hielten außerdem nach Bedürfnis ihrer Sonderversammlungen zur Beratung ihrer Interessen, sowie letztere zur Wahl der Delegierten, je 1 auf 10 Personen. Nicht berechtigt waren Personen, welche sich in Untersuchung befanden und solche, welche Armenunterstützung von der Gemeinde erhielten.
b. der Gemeindeausschuss beschloss in allen ökonomischen Gemeindeangelegenheiten und hatte die Interessen der Gemeinde wahrzunehmen, verfügte über Gemeindekapitalien und Gemeindeeigentum. Er bestand unter dem Vorsitz des Gemeindeältesten aus 8 bis 24 Mitgliedern, welche von der Gemeindeversammlung auf drei Jahre gewählt wurden, zu gleichen Teilen aus Bauern und Delegierten der Knechte. Jährlich wurde die Hälfte neu gewählt. Dem Ausschuss legten der Älteste und die Vorsteher jährlich Rechenschaft ab über ihre Verwaltung. Die Beschlüsse wurden der Gutspolizei mitgeteilt. Beschwerden über Beschlüsse der Gemeindeversammlungen und -Ausschüsse gingen an das Hauptmannsgericht.
c. der Gemeindeälteste war Vertreter der Gemeinde; er berief und leitete die Gemeindeversammlung und den Ausschuss, er führte die Beschlüsse derselben aus, er beaufsichtigte die Kasse und alle Anstalten. Ihm zu Hilfe konnten bis zu vier Vorsteher gewählt werden. Der Älteste und die Vorsteher wurden aus den Grundeigentümern oder Pächtern gewählt und wurden besoldet. Der Älteste handhabte innerhalb des Gemeindelandes die Sicherheitspolizei nach einem Reichsgesetz. Wegen Ungehorsams gegen seine Anordnungen konnte er auf 1 Rubel Geldstrafe oder 2 Tage Arrest erkennen, alle anderen Sachen übergab er zur Bestrafung dem Gemeindegericht. Seine Autorität erstreckte sich auf steuerpflichtige Personen und verabschiedete Soldaten.
d. das Gemeindegericht war in das System der ordentlichen Gerichte eingefügt (siehe weiter oben).

Die Erhebung der Gemeindesteuern war Sache des Gemeindeausschusses; dieser bestimmte über die Höhe der Gemeindeabgaben und den Erhebungsmodus. Die Gemeindesteuern unterlagen der Repartition nach männlichen Seelen.
Durch Gemeindeabgaben wurden bestritten: die Besoldung der Gemeindebeamten und die sonstigen Kosten der Gemeindeverwaltung, Unterhalt der Gemeindeschule, Armenpflege, Gemeindebauten, Unterhalt der Gemeindegebäude und Versicherung gegen Feuersgefahr.

Als landesweite Steuern wurden Landesprästanden (darunter versteht man Spezialsteuern und Leistungen, die auf Anordnung der Staatsgewalt für Landes- und Staatszwecke von der örtlichen Bevölkerung zu leisten sind, also faktisch Frondienste) erhoben. Die Naturalleistungen wurden von den Inhabern der Bauerngrundstücke geleistet, und es galt das von den Kirchspielsabgaben betreffs ihrer Berechnung bei der Verpachtung Gesagte auch hier. Die in Geld zu leistenden Prästanden durfte der Gutsbesitzer nicht den Pächtern auferlegen, sondern musste sie selbst tragen; erst beim Verkauf eines Bauernhofes gingen dieselben auf den neuen Eigentümer über.

Die Verteilung, Erhebung und Verwaltung der Landesprästanden wurde durch das Ritterkomitee bewerkstelligt. Dasselbe fertigte das Budget an und übersandte es der Domänenverwaltung; nach deren Zustimmung in Bezug auf die Krongüter wurde das Budget vom Gouverneur bestätigt und publiziert.

Die Prästanden waren entweder in natura oder in Geld zu leisten. In Natur sind zu leisten: Bau und Unterhalt der Poststationen, der Wege, Unterhalt der Etappen (Unterhalt der Häuser), Stellung der Fuhren und Wächter, Stellung der sog. Schießpferde auf solchen Wegen, wo keine Stationen bestehen, Stellung von Pferden für Amtsfahrten verschiedener Beamten. Die Schießstellung wurde in der Weise rechtmäßig verteilt, dass der Gemeinde, welche die Pferde gestellt hatte, 4 Kopeken pro Pferd und Werst vergütet und diese Beträge gleichmäßig auf alle Gemeinden verteilt wurden.

Die in Geld abzuleistenden Prästanden waren
- der Unterhalt der Ordnungsrechte und Polizeiausgaben,
- Militärfuhren, Unterhalt der Gefängnisse und Etappenlokale in den Kreisstädten,
- Unterhalt der Kreiswehrpflichtskommissionen, der Gouvernements-Statistischen-Komitees, der Kreis-Sanitäts-Komitees,
- Ausgaben für Gesundheitspflege, Entschädigung für getötetes Vieh,
- Unterstützung der Familien im letzten Türkenkriege umgekommener oder verschollener Reservisten,
- Abzahlung der Chausseeanleihen und Unterhalt der Chausseen.

Die in Geld zu leistenden Prästanden wurden bloß von den Gütern gezahlt nach dem geschätzten Werte des Bauernlandes, die Bauern-Grundeigentümer mussten die betreffende Quote selbst zahlen, jedoch durch Vermittlung des Gutsbesitzers.

Der Unterhalt der Hauptmannsgerichte wurde zur Hälfte von den Gütern nach der Einschätzung, zur Hälfte von der Bauernschaft nach Köpfen verteilt getragen.

Als weitere landesweite Steuer war die ritterschaftliche Willigung eingeführt. Sie wurde von den Gütern und vom Hofesland getragen. Von denselben wurden bestritten: Die Kosten der Ritterschaftsrepräsentation, Ausgaben für die lutherische Kirche, die Landesgymnasien und das Polytechnikum, für Volksschulen und Taubstummenanstalten, Pensionen, Hospitäler, Rettungsanstalten, Gehaltszahlungen für das Hofgericht, Konsistorium, Oberkirchenvorsteher-Ämter, Land- und Kirchspielgerichte; Ausgaben für das Postwesen, Pferdezucht, Volkszählung, Archivstudien. Die ritterschaftlichen Willigungen kamen im wesentlichen dem allgemeinen Interesse zu Gute.

Für die 11 Städte des Landes (Mitau, Libau, Hasenpot, Godingen, Pilten, Windau, Tuckum, Bauske, Friedrichstadt, Jakobstadt, Dünaburg) bestand je für sich, eine gesonderte Städteverwaltung.

Die Stadtverwaltungen in Kurland sind historisch gewordene mit vielen Besonderheiten und Eigentümlichkeiten, welche gesetzgeberisch weder ausgeglichen noch ausgestaltet wurden.

Jede Stadtverwaltung bestand aus dem Rat und der Bürgerschaft; diese hatten die Vertretung und Verwaltung der Stadt, eine Selbstverwaltung im ausgedehnten Sinne: Justiz, Polizei im weitesten Sinne, Kirchenwesen, Schulwesen, Armenwesen, Gesundheitspflege, städtischen Haushalt und Steuerwesen. Diesen Aufgaben entsprach einem System von Behörden, gebildet aus Rat und Bürgerschaft, und basiert auf dem Grundgedanken, dass die Selbstverwaltung in Bezug auf die obrigkeitliche Gewalt in die Hände des Rates und in Bezug auf die wirtschaftlichen Angelegenheiten in die Hände des Rates und der Bürgerschaft gelegt wurde. Daher waren alle Behörden, welche eine obrigkeitliche Gewalt ausübten, gebildet aus Delegationen des Rates, diejenigen hingegen, welche Verwaltungssachen im allgemeinen und besonders wirtschaftlichen Charakters zu besorgen hatten, aus Delegationen des Rates und der beiden Gilden gebildet wurden.

Der Rat hatte eine doppelte Stellung, einmal als erste der städtischen Korporationen, zweitens als Träger der obrigkeitlichen Gewalt in der Stadt. Als Korporation steht ihm das Selbstergänzungsrecht zu, aus Juristen und Mitgliedern der großen Gilde, der Korporation der Kaufleute. Die obrigkeitliche Gewalt in der Stadt wird vom Rat ausgeübt, entweder in seinem Plenum als Magistrat oder von Niedergerichten, welche aus Delegationen des Rates gebildet werden. Der Rat als Magistrat bildet in den kurländischen Städten das Gericht erster Instanz und stehen unter der Appellation an die Landesgerichte zweiter Instanz (Hauptmannsgerichte), die dritte Instanz bilden die alten Senatsdepartements. Die tatsächlich die erste Instanz bildenden Niedergerichte wurden in diesen Städten als eine Art Vor-Instanz angesehen.

Der Rat wurde in den kurländischen Städten von den Bürgern direkt oder indirekt gewählt, wobei in jeder Stadt ein anderer Modus galt, gewählt, wobei Kaufleute und Handwerker je die Hälfte des Rates stellten. In den größeren Städten konnten in den Rat neben diesen beiden Gruppen auch Juristen vertreten sein.

Die Polizei wurde gleichfalls durch eine Delegation des Rates gehandhabt, jedoch war in Mitau und Libau schon durch die Ernennung eines Polizeimeisters vom Staate und direkte Unterstellung desselben unter die Gouvernementsregierung die Polizei tatsächlich eine dem Magistrat nebengeordnete Behörde und jetzt durch das Gesetz vom 9. Juli 1888 eine bürokratisch organisierte Staatsbehörde geworden, wobei die Polizei in den Städten von den Kreispolizeibehörden gehandhabt wurden.

Die Bürgerschaft bestand aus Personen, welche vom Rat in die Bürgerschaft aufgenommen wurden. Die große Gilde umfasste die Kaufleute und Literaten, die kleine Gilde die Handwerker. Beide hatten das Selbstergänzungsrecht.

Seit dem Jahr 1877 wurde die neue russische Städteordnung auch in den kurländischen Städten eingeführt und deshalb bestand seit dieser Zeit auch eine Stadtverordnetenversammlung, die für die allgemeine Stadtverwaltung zuständig war. Rat und Bürgerschaft blieben nur noch für die Verwaltung der, den Städten gehörenden Stiftungen zuständig.

Die Bevölkerung Kurlands umfasste im Jahr 1858 567.000 Personen, die zu 11/12tel auf dem Lande lebten. Der größte Teil der Bevölkerung waren Letten (meist Bauern), die Oberschicht wurden "Kurländer" genannt und sprachen einen deutschen Dialekt. Deutsch war die Gesetzes- und Bildungssprache in Kurland; erst durch die Russifizierung ab 1870 kam es zur Einführung von Russisch als Amtssprache. Gepredigt wurde in Deutsch, auf dem Lande auch in Lettisch. Die Rittergüter mit Landtagsstimmrecht waren zumeist Kurländer, so dass Landtagssprache in Kurland Deutsch war. Die Hauptstadt Mitau hatte im Jahr 1861 über 18.000 Einwohner, größtenteils deutschsprachige Kurländer, darunter auch 5.000 Juden; die bedeutendste Stadt Kurlands, die Hafenstadt Libau, hatte knapp über 10.000 Einwohner.

 


Quellen: Engelmann: Das Staatsrecht des Russischen Reiches, Freiburg 1889
© 22. Juni 2007 - 9. September 2007


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