Verfassung des Großherzogtums Luxemburg

vom 9. Juli 1848

revidiert durch
Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 (ABl. Nr. 28/1856);

durch diese Verordnung, die in verfassungswidriger Weise aufgrund eines Bundesbeschlusses erfolgte,  auch im Ganzen neu bekannt gemacht und nach niederländischer Tradition neu durchnummeriert.

Wir Wilhelm II, von Gottes Gnaden, König der Niederlande, Prinz von Oranien-Nassau, Großherzog von Luxemburg, ect,., ect., ect.

Haben, im Einverständniß mit der Versammlung der gemäß dem Art. 52 der landständischen Verfassung vom 12. Oktober 1841 in doppelter Anzahl einberufenen Landstände, beschlossen und beschließen die folgenden Bestimmungen, welche die Verfassung des Großherzogthums Luxemburg bilden.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurden im gesamten Verfassungstext die Worte "Kammer der Abgeordneten" oder "Kammer" ersetzt durch: "Ständeversammlung".

Kapitel I
Vom Gebiete und vom König Großherzog

Art. 1. Das Großherzogthum Luxemburg ist ein unabhängiger, untheilbarer und unveräußerlicher Staat; es bildet einen Bestandtheil des deutschen Bundes gemäß den bestehenden Verträgen. Die Abänderungen, welche an diesen Verträgen vorgenommen werden könnten, werden der Gutheißung der Kammer unterworfen.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 1 revidiert.

Art. 2. Die Grenzen und Hauptörter der Gerichts- oder Verwaltungsbezirke, der Cantone und der Gemeinden, können nicht anders als Kraft eines Gesetzes verändert werden.

Art. 3. Die verfassungsmäßigen Gewalten des Königs Großherzogs sind erblich im Hause Seiner Majestät Wilhelms II (Friedrich Georg Ludwig), Prinzen von Oranien-Nassau, Königs der Niederlande, Großherzogs von Luxemburg, und dies nach den Bestimmungen des fürstlich Nassauischen Hausvertrages vom 30. Juni 1783 und des Art. 71 des Wiener Traktats vom 9. Juni 1815.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 3 revidiert.

Art. 4. Die Person des König Großherzogs ist unverletzlich; die Mitglieder der Regierung sind verantwortlich.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 4 revidiert.

Art. 5. Der Großherzog wird mit Vollendung des achtzehnten Lebensjahres volljährig.

Er nimmt Besitz vom Throne, nachdem er feierlich im Schooße der Kammer oder in die Hände einer von derselben dazu bezeichneten Commission folgenden Eid abgelegt hat:

„Ich schwöre, die Verfassung und die Gesetze des Großherzogthums Luxemburg zu befolgen, die Unabhängigkeit und Integrität des Landes zu wahren“.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 5 revidiert.

König und Großherzog Wilhelm II haben am 10. Juli 1848 den Eid vor einer Deputation der Landstände in dem Thronsaal des Palastes Nordeinde in Den Haag  geleistet; siehe hierzu das Protokoll im Amtsblatt des Großherzogtums Luxemburg, Jahrgang 1848 S. 27.

Art. 6. Ist beim Ableben des Großherzogs sein Nachfolger minderjährig, so tritt die Kammer spätestens am darauffolgenden zwanzigsten Tage zusammen, um über die Regentschaft, und nöthigen Falles über die Vormundschaft zu bestimmen.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 6 revidiert.

Art. 7. Befindet sich der König Großherzog in der Unmöglichkeit zu regieren, so beruft die Regierung, nach Bestätigung dieser Unmöglichkeit, unverzüglich die Kammer, um über die Vormundschaft und die Regentschaft zu bestimmen.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 7 revidiert.

Art. 8. Die Regentschaft kann nur einer einzigen Person übertragen werden.

Der Regent übernimmt die Regierung nicht, bis er den durch Art. 5 vorgeschriebenen Eid geleistet hat.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 1 revidiert.

Art. 9. Im Falle der Thronerledigung, verfügt die Kammer provisorisch über die Regentschaft.

Eine neue, in doppelter Anzahl und in Frist von dreißig Tagen einberufene Kammer trägt Sorge für die definitive Thronbesetzung.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 9 aufgehoben.

Kapitel II
Von den Luxemburgern und ihren Rechten

Art. 10. Die Eigenschaft eines Luxemburgers erwirbt, erhält und verliert man gemäß den Bestimmungen der bürgerlichen Gesetzgebung. - Gegenwärtige Verfassungs-Urkunde und die übrigen auf die staatsbürgerlichen Rechte bezüglichen Gesetze bestimmen die Bedingungen, welche, außer jener Eigenschaft zur Ausübung dieser Rechte erforderlich sind.

Art. 11. Die Naturalisation wird durch die gesetzgebende Gewalt ertheilt. Nur die Naturalisation stellt den Ausländer, behufs der Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte, dem Luxemburger gleich.

Die dem Vater ertheilte Naturalisation kommt auch seinem minderjährigen Kinde zu Gute, wenn dieses im Laufe der zwei ersten Jahre seiner Volljährigkeit erklärt, diesen Vortheil für sich in Anspruch nehmen zu wollen.

Art. 12. Es gibt im Staate keine Standes-Unterschiede. - Die Luxemburger sind vor dem Gesetze gleich; sie allein sind zu den Civil- und Militärämtern zulässig, vorbehaltlich der Ausnahmen, welche etwa für besondere Fälle durch ein Gesetz aufgestellt werden können.

Art. 13. Die persönliche Freiheit wird gewährleistet. - Gegen Niemanden darf anders als in den gesetzlich bestimmten Fällen und Formen gerichtlich verfahren werden. - Außer der Ergreifung auf frischer That darf keiner verhaftet werden, als kraft eines motivirten richterlichen Befehles, welcher im Augenblick der Verhaftung, oder spätestens binnen vier und zwanzig Stunden zugestellt werden muß.

Art. 14. Niemand darf gegen seinen Willen dem gesetzlich ihm zugewiesenen Richter entzogen werden.

Art. 15. Es darf keine Strafe anders, als Kraft eines Gesetzes, eingeführt oder angewendet werden.

Art. 16. Die Wohnung ist unverletzlich. Eine Haussuchung darf nur in den gesetzlich bestimmten Fällen und Formen stattfinden.

Art. 17. Niemanden kann sein Eigenthum anders, als zum Zwecke des öffentlichen Wohles, in den durch das Gesetz vorgesehenen Fällen und festgestellten Formen, und nur nach vorgängiger, voller Entschädigung entzogen werden.

Art. 18. Die Strafe der Confiskation des Vermögens kann nicht eingeführt werden.

Art. 19. Die Todesstrafe für politische Verbrechen, der bürgerliche Tod und die Brandmarkung sind abgeschafft.

Art. 20. Die Freiheit der Culte und ihrer öffentlichen Ausübung, so wie die Freiheit, seine religiösen Meinungen zu bekunden, sind gewährleistet, vorbehaltlich der Strafmaßregeln gegen die Vergehen, welche bei Gelegenheit der Ausübung dieser Freiheiten begangenen werden.

Art. 21. Keiner kann gezwungen werden, auf irgend einer Weise an den Handlungen und Feierlichkeiten eines Cultus Theil zu nehmen, oder die Feiertage desselben zu halten.

Art. 22. Die bürgerliche Ehe muß stets der kirchlichen Einsegnung derselben vorangehen.

Art. 23. Die Intervention des Staates bei der Ernennung und Einsetzung der Vorstände der Culte im Großherzogthum, die Weise der Ernennung und Absetzung der übrigen Cultus-Diener, die Befugniß der einen wie der andern, mit ihren Obern schriftlich zu verkehren und deren Erlasse zu veröffentlichen, so wie das Verhältniß zwischen Kirche und Staat, sind Gegenstand von Verträgen, die der Kammer, in Betreff derjenigen Verfügungen vorzulegen sind, welche die Mitwirkung derselben erforderlich machen.

Art. 24. Der Staat trägt Sorge dafür, daß jeder Luxemburger den Primär-Unterricht erhalte.

Er errichtet Anstalten Behufs des mittleren Unterrichtes und der erforderlichen höhern Lehr-Curse.

Das Gesetz bestimmt die zum öffentlichen Unterricht erforderlichen Mittel, so wie die Bedingungen der Aufsicht von Seiten der Regierung und der Gemeinden; es trifft übrigens alle, auf den Unterricht bezüglichen Anordnungen.

Jedem Luxemburger steht es frei, seinen Studien im Großherzogthum oder im Auslande obzuliegen und die Universitäten seiner Wahl zu besuchen, unbeschadet der gesetzlichen Bestimmungen über die Bedingungen der Zuläßigkeit zu den Ämtern und zu gewissen Professionen.

Art. 25. Die Freiheit, seine Meinung in allen Dingen durchs Wort kund zu geben, sowie die Freiheit der Presse sind gewährleistet, vorbehaltlich der Straf-Maßregeln gegen die Vergehen, welche bei Gelegenheit der Ausübung dieser Freiheiten begangen werden. - Die Censur bleibt für immer aufgehoben. Cautionen können weder von den Schriftstellern, noch von den Verlegern oder Druckern gefordert werden. - Die Stempelabgabe von inländischen Zeitungen und periodischen Schriften ist abgeschafft. - Der Verleger, der Drucker oder Vertheiler darf nicht verfolgt werden, wenn der Verfasser bekannt ist, wenn er Luxemburger und im Großherzogthum ansässig ist.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 25 revidiert.

Art. 26. Die Luxemburger haben das Recht, sich ohne vorgängige Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln, jedoch unter Beobachtung der Gesetze, welche die Ausübung dieses Rechtes ordnen. Diese Bestimmung ist nicht anwendbar auf Versammlungen unter freiem Himmel, sie seien politischer, religiöser oder anderer Natur; welche insgesammt den polizeilichen Gesetzen und Verordnungen gänzlich unterworfen bleiben.

Art. 27. Die Luxemburger haben das Vereinigungsrecht. Dieses Recht kann keiner verhütenden Maßregel unterworfen werden.

Die Gründung irgend einer religiösen Körperschaft bedarf der Ermächtigung durch ein Gesetz.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 27 revidiert.

Art. 28. Jeder hat das Recht, sich durch Bittschriften, sie seien von einer oder mehreren Personen unterzeichnet, an die öffentlichen Behörden zu wenden. Letztere allein haben das Recht, Bittschriften im Namen einer Gesammtheit einzureichen.

Art. 29. Das Briefgeheimnis ist unverletzlich. - Das Gesetz bestimmt die Beamten, welche für die Verletzungen des Geheimnisses der der Post anvertrauten Briefe verantwortlich sind.

Art. 30. Der Gebrauch der deutschen und der französischen Sprache steht Jedem frei; es darf derselbe nicht beschränkt werden.

Art. 31. Zum Strafverfahren gegen öffentliche Beamte wegen Handlungen ihrer Verwaltung ist keine vorgängige Ermächtigung erfordert, mit Vorbehalt dessen jedoch, was hinsichtlich der Regierungs-Mitglieder festgesetzt ist.

Art. 32. Die öffentlichen Beamten jedes Standes, mit Ausnahme der Regierungs-Mitglieder, können nur auf dem gesetzlich vorgeschriebenen Wege ihrer Stellen, Ehrenauszeichnungen und Pensionen verlustig erklärt werden.

Kapitel III
Von den Gewalten

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde die Überschrift des Kapitels III revidiert und ein neuer Artikel wurde eingefügt.

§ 1. Gewalten des König-Großherzogs

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde die Überschrift des § 1 revidiert.

Art. 33. Dem König Großherzog gehört  die vollziehende Gewalt in Gemäßheit der Bestimmungen gegenwärtiger Verfassungs-Urkunde.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 33 revidiert.

Art. 34. Der König Großherzog bestätigt und verkündigt die Gesetze; er eröffnet seine Entschließung binnen drei Monaten nach dem Votum der Kammer.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 34 revidiert.

Art. 35. Der König Großherzog ernennt zu den Civil- und Militär-Ämtern in Gemäßheit des Gesetzes und vorbehaltlich der durch dasselbe aufgestellte Ausnahmen.

Kein vom Staate besoldetes Amt kann anders, als kraft einer gesetzlichen Bestimmung geschaffen werden.

Art. 36. Der König Großherzog erläßt die zur Vollziehung der Gesetze nöthigen Verordnungen und Beschlüße, ohne jemals die Gesetze selbst suspendiren oder von deren Vollziehung entbinden zu können.

Art. 37. Der König Großherzog befehligt die Militärmacht, erklärt den Krieg, schließt Frieden, Bündnisse und Handelsverträge. Sobald es die Sicherheit und das Wohl des Staates erlauben, gibt er der Kammer, unter Beifügung der geeigneten Mittheilungen, Kenntniß davon. - Handelsverträge, so wie andere Verträge, durch welche dem Staate Lasten oder einzelnen Luxemburgern Verpflichtungen auferlegt werden könnten, haben nicht eher Wirkung, bis nach erhaltener Zustimmung der Kammer. - Alles Obige ohne Beeinträchtigung der Verhältnisse des Großherzogthums zum deutschen Bunde. - Keine Abtretung, kein Tausch, kein Anschluß von Gebiet kann anders statt finden als kraft eines Gesetzes. - In keinem Falle können die geheimen Artikel eines Vertrages die offenen Artikel desselben vernichten.

Art. 38. Der König Großherzog hat das Recht, die von den Richter ausgesprochenen Strafen zu erlassen oder zu mildern, vorbehaltlich dessen, was hinsichtlich der Regierungs-Mitglieder festgestellt ist.

Art. 39. Der König Großherzog hat das Recht Münze zu prägen, in Vollziehung des Gesetzes.

Art. 40. Der König Großherzog hat das Recht, den Adel zu verleihen, ohne je irgend ein Vorrecht damit verknüpfen zu können.

Art. 41. Der König Großherzog verleiht die Civil- und Militär-Orden,  unter Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften.

Art. 42. Der König Großherzog kann sich vertreten lassen durch einen Prinzen des königlichen Hauses, welcher den Titel eines Stellvertreters des Königs führt und im Großherzogthum residirt.

Dieser Stellvertreter leistet den Eid, die Verfassungs-Urkunde zu befolgen, ehe er seine Gewalt ausübt.

Art. 43. Die Civilliste ist auf jährlich hundert tausend Franken festgesetzt. Sie kann durch das Gesetz bei jedem Regierungsantritte geändert werden.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 43 revidiert.

Art. 44. Das Regierungsgebäude zu Luxemburg und das Schloß von Walferdingen sind zur Wohnung des Königs Großherzogs bestimmt während Seines Aufenthaltes im Lande.

Art. 45. Der König Großherzog hat keine andere Gewalten, als diejenigen, welche ihm ausdrücklich die Verfassungs-Urkunde und die besonderen verfassungsmäßige Gesetze zuerkennen.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 45 aufgehoben.

Art. 46. Kein Regierungs-Act des Königs Großherzogs kann von Wirkung sein ohne die Gegenzeichnung eines Regierungs-Mitgliedes, welches dadurch die Verantwortlichkeit desselben übernimmt.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 46 revidiert.

§ 2. Von der gesetzgebenden Gewalt.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde die Überschrift zum § 2 revidiert.

Art. 47. Die gesetzgebende Gewalt wird gemeinschaftlich durch den König Großherzog und durch die Kammer ausgeübt.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 47 revidiert.

Art. 48. Das Recht der Initiative steht jedem der beiden Zweige der gesetzgebenden Gewalt zu.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 48 revidiert.

Art. 49. Die authentische Auslegung der Gesetze gehört nur der gesetzgebenden Gewalt.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 49 revidiert.

§ 3. Richterliche Gewalt.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde die Überschrift zum § 3 revidiert.

Art. 50. Die richterliche Gewalt wird von den Gerichtshöfen und Gerichten ausgeübt. - Die Rechtssprüche und Urtheile werden im Namen des Königs Großherzogs vollstreckt.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 50 revidiert.

Kapitel IV
Von der Kammer der Abgeordneten

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde die Überschrift zum Kapitel IV revidiert.

Art. 51. Die Mitglieder der Kammer vertreten das Land. - Sie stimmen ohne sich bei ihren Auftraggebern Rathes zu erholen und können nur die allgemeinen Interessen des Großherzogthums bezwecken.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 51 revidiert.

Art. 52. Die Kammer besteht aus den gemäß dem Wahlgesetze und im Verhältniße von höchstens einem auf 3000 Seelen gewählten Abgeordneten.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 52 revidiert.

Art. 53. Um wählbar zu sein, muß man:
1. Luxemburger von Geburt oder naturalisirt sein,
2. die bürgerlichen und politischen Rechte genießen,
3. das 25. Jahr zurückgelegt haben,
4. im Großherzogthum ansässig sein.

Um Wahlmann zu sein, muß man mit den vier vorgenommenen Erfordernissen noch diejenigen vereinigen, welche das Wahlgesetz vorschreibt.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 53 revidiert.

Art. 54. Weder Wahlmann, noch wählbar können sein:
1. die zu Leibes- oder entehrenden Strafen Verurtheilten;
2. die wegen Diebstahls, Prellerei oder Mißbrauchs des Vertrauens Verurtheilten;
3. diejenigen, welche aus einer öffentlichen Armenanstalt Unterstützungen erhalten;
4. diejenigen, welche sich in erklärtem Falliment befinden, die Bankrottierer und Interdicierten, und diejenigen, welchen ein gerichtlicher Beistand gegeben ist.

Art. 55. Das Mandat eines Deputirten ist unvereinbar mit den Functionen:
1. eines Regierungs-Mitgliedes;
2. eines Mitglieds des öffentlichen Ministeriums;
3. eines Mitgliedes der Rechnungskammer;
4. eines Distrikts-Commissärs,
5. eines Staatseinnehmers oder rechnungspflichtigen Staatsbeamten,
6. einer Militärperson unter dem Range eines Hauptmannes.

Der in einem Incompatiblitäts-Falle befindliche Beamte hat das Recht zwischen dem ihm anvertrauten Mandate und seinen Functionen zu wählen.

Art. 56. Die im vorhergehenden Artikel aufgestellten Incompatibilitäten verhindern nicht, daß in Zukunft das Gesetz noch andere einführe.

Art. 57. Die Mitglieder der Kammer werden auf sechs Jahre gewählt. Sie werden alle drei Jahre nach der durch das Wahlgesetz bestimmten Reihenfolge zur Hälfte erneuert.

Im Falle der Auflösung wird die ganze Kammer neu gewählt.

Art. 58. Die Kammer prüft die Vollmachten ihrer Mitglieder und entscheidet über die desfallsigen Streitigkeiten.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 58 revidiert.

Art. 59. Dasjenige Kammer-Mitglied, welches von der Regierung zu einem besoldeten Amte ernannt wird und dasselbe annimmt, hört sofort auf, an den Sitzungen Theil zu nehmen und tritt nur Kraft einer neuen Wahl wieder in Thätigkeit.

Art. 60. Bevor ein Gesetzentwurf der Kammer vorgelegt wird, muß derselbe, den Fall der Dringlichkeit ausgenommen, einer ständigen Gesetzgebungs-Commission zur vorgängigen Begutachtung unterworfen werden. Diese Commission besteht aus neun Mitgliedern, von welchen die Kammer jährlich fünf ernennt.

Der Entwurf wird zum mindesten vierzehn Tage vor Eröffnung der Kammer den Mitgliedern derselben, unter Beifügung der Bemerkungen der Commission, mitgetheilt.

Die Geschäfts-Ordnung der Kammer bestimmt die Art und Weise, wie die Commission ihre Befugnisse ausübt.

Die Kammer hat das Recht zu entscheiden, daß ein Gesetzentwurf, seiner Wichtigkeit wegen, einer zweiten Abstimmung, währen einer nächstfolgenden von ihr festzustellenden Session unterworfen werde.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 60 revidiert.

Art. 61. Bei jedem Landtage ernennt die Kammer ihren Präsidenten und ihren Vicepräsidenten und bildet ihr Büreau.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 61 revidiert.

Art. 62. Die Sitzungen der Kammer sind öffentlich.

Gleichwohl geht sie zu geheimer Sitzung über, wenn ihr Präsident oder fünf Mitglieder es verlangen.

Sie entscheidet hiernächst nach absoluter Stimmenmehrheit, ob derselbe Gegenstand in öffentlicher Sitzung wieder vorgenommen werden soll.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 62 revidiert.

Art. 63. Jeder Beschluß wird nach absoluter Mehrheit der Stimmen gefaßt. Bei getheilten Stimmen ist der in Berathung gezogene Vorschlag als verworfen anzusehen.

Die Kammer kann keinen Beschluß fassen, wenn nicht die Mehrheit ihrer Mitglieder anwesend ist.

Art. 64. Die Abstimmung geschieht mündlich oder durch Sitzenbleiben und Aufstehen. Über das Ganze der Gesetze wird jedesmal durch namentlichen Aufruf und mündlich abgestimmt.

Art. 65. Die Kammer hat das Recht der Untersuchung.

Zu diesem Zwecke kann sie Commissionen ernennen, welche befugt sind, während der Zwischenzeit der Sessionen auf amtlichem Wege Erkundigungen einzuziehen.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 65 revidiert.

Art. 66. Ein Gesetzesentwurf kann durch die Kammer nur angenommen werden, nachdem Artikel für Artikel darüber abgestimmt worden ist.

Art. 67. Die Kammer hat das Recht, die vorgeschlagenen Artikel und Verbesserungs-Anträge abzuändern und zu theilen.

Art. 68. Niemand darf der Kammer in Person eine Bittschrift überreichen.

Die Kammer hat das Recht, die an sie gerichteten Bittschriften an die Mitglieder der Regierung zu überweisen. - Die Mitglieder der Regierung sind verpflichtet, über den Inhalt derselben, so oft es die Kammer fordert, Auskunft ertheilen.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 68 revidiert.

Art. 69. Kein Abgeordneter kann wegen der von ihm in Ausübung seines Berufes geäußerten Meinung oder wegen seiner Abstimmung belangt oder zur Rechenschaft gezogen werden.

Art. 70. Kein Abgeordneter darf während der Dauer des Landtags, außer im Falle der Ergreifung auf frischer That, strafrechtlich belangt oder verhaftet werden ohne Erlaubniß der Kammer. - Keine Körperhaft kann gegen eines ihrer Mitglieder während des Landtags ohne die nämliche Ermächtigung vollzogen werden. - Die Haft eines Abgeordneten, oder die Belangung desselben, wird, wenn die Kammer es begehrt, während des Landtages und für dessen ganze Dauer ausgesetzt.

Art. 71. Die Kammer bestimmt durch ihre Geschäftsordnung die Art und Weise der Ausübung ihrer Befugnisse.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 71 revidiert.

Art. 72. Die Sitzungen der Kammer werden an dem Orte gehalten, wo die Verwaltung des Großherzogthums ihren Sitz hat.

Art. 73. Die Kammer tritt von Rechtswegen jedes Jahr zum ordentlichen Landtage zusammen. Der Landtag wird vom König Großherzog in Person oder in seinem Namen von einem zu diesem Zwecke ernannten Bevollmächtigten eröffnet und geschlossen.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 73 revidiert.

Art. 74. Der König Großherzog kann die Kammer außerordentliche einberufen.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 74 revidiert.

Art. 75. Der König Großherzog kann die Kammer vertagen. Die Vertagung darf jedoch die Frist von einem Monat nicht überschreiten, und während desselben Landtags ohne die Zustimmung der Kammer nicht wiederholt werden.

Art. 76. Der König Großherzog hat das Recht, die Kammer aufzulösen. Die Auflösungs-Acte enthält die Einberufung der Wahlmänner binnen den nächsten dreißig Tagen, und die Einberufung der neuen Kammer binnen den darauf folgenden zehn Tagen.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 76 revidiert.

Art. 77. Jedem Abgeordneten wird auf die Staats-Kasse als Entschädigung eine Summe von fünf Franken für jeden Tag seiner Anwesenheit oder Reise bewilligt. Diejenigen, welche in der Stadt wohnen, wo der Landtag gehalten wird, erhalten keine Entschädigung.

Kapitel V
Von der Regierung des Großherzogthums

Art. 78. Die Regierung des Großherzogthums besteht aus höchstens fünf Mitgliedern, welche den Titel General-Administratoren führen. Sie verwalten das Land unter Beobachtung der Gesetze und Verordnungen.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 78 revidiert.

Art. 79. Der König Großherzog ernennt und entläßt die Mitglieder der Regierung, und wählt unter ihnen einen Präsidenten.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 79 revidiert.

Art. 80. Jedes einzelne Regierungs-Mitglied ist verantwortlich für die Acte, welche von ihm in seinem respectiven Dienstzweige ausgegangen sind. - Eine der ersten gesetzgebenden Versammlung zur Genehmigung vorzulegende Dienstordnung bestimmt die Vertheilung der Dienstzweige unter die Mitglieder der Regierung, den Geschäftsgang für die Ausübung ihrer Befugnisse, und die Fälle, in welchen sie collegialisch berathen.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 80 revidiert.

Art. 81. Zwischen den Mitgliedern der Regierung und dem König Großherzog besteht keine Mittelbehörde.

Für die Angelegenheiten des Großherzogthums Luxemburg ist dem Cabinete des Königs Großherzogs ein Sekretär beigegeben.

Dieser Beamte hat den Auftrag, die königlichen Beschlüsse zu contrasigniren und die Erledigung der das Großherzogthum Luxemburg betreffenden Geschäfte zu besorgen.

Die Entschließungen des Königs Großherzogs werden in doppelter Urkunde ausgefertigt; die eine wird im Archiv des Großherzogthums niedergelegt, während die andere im Sekretariate verbleibt.

Art. 82. Den Mitgliedern der Regierung steht der Eintritt in die Kammer zu. Sie müssen, wenn sie es begehren, gehört werden.

Die Kammer kann ihre Anwesenheit verlangen.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 82 revidiert.

Art. 83. In keinem Falle kann der mündliche oder schriftliche Befehl des Königs Großherzogs ein Mitglied der Regierung der Verantwortlichkeit entziehen.

Art. 84. Die Kammer hat das Recht, die Mitglieder der Regierung in Anklagezustand zu versetzen. - Ein Gesetz wird die Verantwortlichkeitsfälle, die zu verhängenden Strafen und das Verfahren bestimmen, welches sowohl bei einer von der Kammer aufgenommenen Anklage, als bei einer Belangung von Seiten des verletzten Theiles zu beobachten ist.

Art. 85. Der König Großherzog kann ein verurtheiltes Regierungs-Mitglied nur auf Antrag der Kammer begnadigen.

Kapitel VI
Von der Justiz

Art. 86. Die Streitigkeiten, welche bürgerliche Rechte zum Gegenstande haben, gehören ausschließlich vor die Gerichte.

Art. 87. Die Streitigkeiten, welche politische Rechte zum Gegenstande haben, gehören vor die Gerichte, vorbehaltlich der Ausnahmen, welche das Gesetz aufstellt.

Art. 88. Kein Gericht, keine contentiöse Gerichtsbarkeit (Schlichtung) kann anders, als Kraft eines Gesetzes eingeführt werden. Außerordentliche Commissionen, oder außerordentliche Gerichte, können unter keinerlei Benennung gebildet werden.

Art. 89. Die Einrichtung eines Obergerichtshofs ist durch ein Gesetz vorgesehen.

Art. 90. Die Sitzungen der Gerichte sind öffentlich, es sei denn, daß diese Öffentlichkeit die Ordnung und die Sitten gefährdet, und in diesem Falle erklärt das Gericht solches durch ein Urtheil. - Bei politischen und Preß-Vergehen kann die Öffentlichkeit nur durch Stimmeneinheit ausgeschlossen werden.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 90 revidiert.

Art. 91. Jedes Urtheil gibt die Entscheidungsgründe an und wird in öffentlicher Sitzung gesprochen.

Art. 92. Das Geschworenengericht besteht wenigstens für die politischen Verbrechen und Vergehen, und für die Pressvergehen.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 92 aufgehoben.

Art. 93. Die Friedensrichter und die Richter bei den Bezirks-Gerichten werden unmittelbar vom König Großherzog ernannt. - Die Räthe beim Obergericht und die Präsidenten und Vice-Präsidenten der Bezirksgerichte werden vom König Großherzog auf das Gutachten des Obergerichtshofs ernannt.

Art. 94. Die Richter an den Bezirksgerichten und die Obergerichtsräte werden auf Lebenszeit ernannt. - Keiner von ihnen kann anders, als durch ein förmliches Urtheil, von seinem Amte ganz oder zeitweise entfernt werden. - Die Versetzung eines dieser Richter kann nur durch eine neue Ernennung und mit seiner Einwilligung geschehen.

Jedenfalls kann er wegen Kränklichkeit oder schlechten Betragens suspendiert, abgesetzt oder versetzt werden, und zwar gemäß den gesetzlich bestimmten Bedingungen.

Art. 95. Das Gesetz bestimmt die Gehälter des Gerichtspersonals.

Art. 96. Kein Richter kann von der Regierung einen besoldeten Dienst annehmen, sofern er ihn nicht unentgeltlich versieht, und vorbehaltlich der Fälle der Unvereinbarkeit, wie sie das Gesetz aufstellen.

Art. 97. Besondere Gesetze ordnen die Einrichtung der Militär-Gerichte, ihre Befugnisse, die Rechte und Pflichten der Mitglieder dieser Gerichte und die Dauer ihrer Amtsführung. - Es können Handelsgerichte an den Orten bestehen, welche das Gesetz bestimmt. - Letzteres ordnet ihre Einrichtung, ihre Befugnisse, die Art der Ernennung ihrer Mitglieder und die Dauer des Amtes derselben.

Art. 98. Der Obergerichtshof entscheidet nach der gesetzlich bestimmten Weise über die Competenz-Conflicte.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 98 aufgehoben.

Art. 99. Die Obergerichtshöfe und Gerichte bringen die allgemeinen und örtlichen Beschlüsse und Verordnungen nur in so fern in Anwendung, als dieselben mit den Gesetzen übereinstimmen.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 99 revidiert.

Kapitel VII
Von der öffentlichen Macht

Art. 100. Alles, was die bewaffnete Macht betrifft, wird durch das Gesetz geordnet, vorbehaltlich der Bundespflichten.

Art. 101. Die Einrichtung und die Befugnisse der Gendarmerie sind Gegenstand eines Gesetzes.

Art. 102. Es kann eine Bürgergarde gebildet werden, deren Einrichtung durch das Gesetz geordnet ist.

Kapitel VIII
Von den Finanzen

Art. 103. Keine Abgabe zu Nutzen des Staates kann anders, als durch ein Gesetz eingeführt werden. - Keine Gemeindelast oder Auflage kann eingeführt werden, ohne Einwilligung des Gemeinderaths. - Das Gesetz bestimmt die Ausnahmen, deren Nothwendigkeit hinsichtlich der Gemeindeuaflagen sich aus der Erfahrung ergeben wird.

Art. 104. Die Abgaben zu Nutzen des Staates werden jährlich votiert. - Die Gesetze, durch welche sie dieselben bewilligt sind, haben nur auf ein Jahr Kraft, wenn sie nicht erneuert werden.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 104 revidiert.

Art. 105. Es kann hinsichtlich der Abgaben keine Bevorzugung eingeführt werden. Keine Befreiung oder Ermäßigung kann anders stattfinden, als kraft des Gesetzes.

Art. 106. Außer den durch das Gesetz förmlich ausgenommenen Fällen, kann den Staatsbürgern oder den öffentlichen Anstalten keine Gebühr abgefordert werden, welche nicht Abgabe zum Besten des Staates oder der Gemeinde ist.

Art. 107. Keine Pension, kein Wartegeld, keine Gratifikation zu Lasten der Staatscasse kann anders bewilligt werden, als Kraft des Gesetzes.

Art. 108. Jedes Jahr stellt die Kammer die Staatsrechnung durch ein Gesetz fest und stimmt das Budget. - Alle Einnahmen und Ausgaben des Staates müssen im Budget und in den Rechnungen eingetragen sein.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 108 revidiert.

Art. 109. Eine Rechnungskammer hat die Rechnungen der allgemeinen Verwaltung und Aller, welche der Staats-Kasse rechnungspflichtig sind, zu prüfen und zu liquidieren.

Das Gesetz ordnet die Einrichtung derselben, die Ausübung ihrer Befugnisse, und die Weise der Ernennung ihrer Mitglieder.

Die Rechnungskammer wacht darüber, daß kein Ausgabe-Posten des Budgets überschritten werde.

Nur Kraft eines Gesetzes darf  ein Übertrag aus einer Abtheilung des Budget in eine andere bewerkstelligt werden.

Jedoch ist es den Mitgliedern der Regierung gestattet, in ihren Dienstzweigen Überschüsse von einem Artikel auf einen andern der nämlichen Abteilung zu übertragen, vorbehaltlich der Rechtfertigung bei der Kammer.

Die Rechnungskammer schließt die Rechnungen der verschiedenen Verwaltungen des Staates ab, und hat zu diesem Zweck jede Auskunft und jeden erforderlichen Rechnungsbeleg einzuziehen. Die allgemeine Staatsrechnung wird der Kammer der Abgeordneten nebst den Bemerkungen der Rechnungskammer vorgelegt.

Art. 110. Die Gehälter und Pensionen der Cultus-Diener sind zu Lasten des Staates und durch das Gesetz geordnet.

Kapitel IX
Von den Gemeinden

Art. 111. Die Gemeinde-Einrichtungen sind durch das Gesetz geordnet. - Dieses Gesetz stellt die Anwendung folgender Grundsätze fest: - 1. die directe Wahl, vorbehaltlich der Ausnahmen, welche das Gesetz hinsichtlich der Vorsteher der Gemeinde-Verwaltungen aufstellen kann; - 2. die Überweisung an die Gemeinderäthe von allem was die Communal-Interessen betrifft, vorbehaltlich der Genehmigung ihrer Acte in den Fällen, und in der Weise, welche das Gesetz bestimmt; - 3. die Öffentlichkeit der Sitzungen der Gemeinderäthe in den gesetzlich vorgeschriebenen Grenzen; - 4. die Öffentlichkeit des Budgets und der Rechnungen. - 5. das Einschreiten des Königs Großherzogs oder der gesetzgebenden Gewalt, um zu verhindern, daß die Gemeinderäthe ihre Befugnisse überschreiten, oder das allgemein Interesse verletzten.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 111 revidiert.

siehe hierzu das Kommunalgesetz vom 24. Februar 1843, das heute mit Änderungen gültig ist.

Art. 112. Die Abfassung der Civilstandsacte und die Führung der Register gehören ausschließlich zu den Befugnissen der Gemeindebehörden.

Kapitel X
Allgemeine Bestimmungen

Art. 113. Die Stadt Luxemburg ist die Hauptstadt des Großherzogthums und der Sitz der Regierung. - Der Sitz der Regierung kann nur vorübergehend und aus gewichtigen Gründen verlegt werden.

Art. 114. Kein Eid kann anders auferlegt werden, als Kraft des Gesetzes, welches die Eidesformel bestimmt.

Doch schwören die Mitglieder der Kammer und alle öffentlichen Civil- und Miltär-Beamten den Eid auf die Verfassung.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 114 revidiert.

Art. 115. Jeder Fremde, welcher sich auf dem Gebiete des Großherzogthums befindet, steht unter dem den Personen und dem Eigenthum gewährten Schutze, vorbehaltlich der durch das Gesetz bestimmten Ausnahmen.

Art. 116. Kein Gesetz, kein Beschluß, keine Verordnung der Staats- oder Gemeinde-Verwaltung sind verbindlich, bis sie in der gesetzlich vorgeschriebenen Form veröffentlicht sind.

Art. 117. Die Verfassung kann in ihrer Vollziehung weder ganz noch theilweise suspendiert werden.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 117 revidiert.

Art. 118. Die gesetzgebende Gewalt hat das Recht zu erklären, daß es angemessen ist, irgend eine von ihr bezeichnete constitutionelle Bestimmung einer neuen Prüfung zu unterwerfen. - Nach dieser Erklärung ist die Kammer  von Rechtswegen aufgelöst. - Eine neue wird gemäß Art. 76 einberufen. - Diese Kammer beschließt im Einvernehmen mit dem König-Großherzog über die der Revision unterworfenen Punkte. - In diesem Falle kann die Kammer nur berathschlagen, wenn nicht wenigstens drei Viertel ihrer Mitglieder gegenwärtig sind, und keine Abänderung kann angenommen werden, wenn nicht wenigstens zwei Drittel der Stimmen dafür sind.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 118 revidiert.

Art. 119. Keine Abänderung an der Verfassungs-Urkunde kann während einer Regentschaft vorgenommen werden.

Kapitel XI
Vorübergehende und nachträgliche Bestimmungen

Art. 120. Bis zu anderweitiger gesetzlicher Verfügung hat die Kammer das beliebige Recht, ein Mitglied der Regierung in den Anklagestand zu versetzen, und der Obergerichtshof spricht über dasselbe in allgemeiner Versammlung das Urtheil unter Bezeichnung des Vergehens und Bestimmung der Strafe. - Gleichwohl kann die Strafe nicht härter sein, als die Zuchthausstrafe, vorbehaltlich der Fälle, welche durch die Strafgesetze ausdrücklich vorgesehen sind.

Die Räte des Obergerichtshof, welche Mitglieder der Kammer sind, haben sich aller Theilnahme am Verfahren und am Urtheile zu enthalten.

Art. 121. Von dem Tage an, wo die Verfassungs-Urkunde in Kraft tritt, sind alle Gesetze, Decrete, Beschlüsse, Verordnungen und andere Acte, welche mit derselben in Widerspruch stehen, aufgehoben.

Art. 122. Die für politische Verbrechen abgeschaffte Todesstrafe ist durch die unmittelbar darauffolgende gelindere Strafe ersetzt, bis das neue Gesetz darüber verfügt hat.

Art. 123. Bis zum Abschlusse der durch den Art. 23 vorgesehenen Verträge bleiben die jetzt in Sachen der Culte geltenden Bestimmungen in Kraft.

Art. 124. Bis zur Veröffentlichung der in den Art. 32, 60, 92 und 109 erwähnten Gesetze und Verordnungen, werden die jetzt in Kraft stehenden gesetzlichen Bestimmungen und Verordnungen auch forthin in Anwendung gebracht.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 124 revidiert.

Art. 125. In Zeit von drei Monaten nach Veröffentlichung gegenwärtiger Verfassung werden alle Gemeinderäthe des Großherzogthums in Gemäßheit des neuen Wahlgesetzes erneuert.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 125 aufgehoben.

Art. 126. Die landesständische Verfassung vom 12. Oktober 1841 ist aufgehoben.

Alle Behörden behalten ihre Befugnisse, bis nach anderweitiger Verfügung, in Gemäßheit gegenwärtiger Verfassung.

Art. 127. Die Landstände erklären, daß es nothwendig ist, durch besondere Gesetze, und in möglich kürzester Frist, für folgende Gegenstände zu sorgen:
I. Revision des Steuer-Systems;
II. Revision des Gesetzes über die Gemeinde-Wege; des Gesetzes über den Primär-Unterricht; des Communal-Gesetzes; des Gesetzes über die Pensionen, und der Liste der Pensionen und der Wartegehälter;
III. Militär-Gesetzgebung;
IV. die Presse;
V. das Geschwornengericht;
VI. die Verantwortlichkeit der Mitglieder der Regierung;
VII. das Forst- und Rural-Gesetz;
VIII. das Notariat;
IX. Cumulation;
X. Expropriation zum Zwecke des öffentlichen Wohles;
XI. Fallite und Zahlungsfristen;
XII. Revision der Bestimmungen über Haus-Collecten.

Durch Königlich-Großherzogliche Verordnung vom 27. November 1856 wurde der Art. 127 aufgehoben.

In doppelter Ausführung unterzeichnet und mit Unserem Königlich-Großherzoglichen Insiegel versehen.

    Im Haag, den 9. Juli 1800 acht und vierzig.

Wilhelm.

Durch den König-Großherzog:
einstweilen mit der Leitung der Staatskanzlei beauftragt,
Würth-Paquet.

Vorstehender Verfassungstext, entstanden in der Hochzeit der Revolution von 1848, ist die ursprüngliche Fassung der heute noch geltenden Verfassung Luxemburgs.

 


Quellen: Memorial des Großherzogthums Luxemburg, 1848 S. 1
© 19. März 2005


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