Hinweise zur
Verfassung der Irischen Republik
(1916-1921/22)

 

Die Versuche der Loslösung Irlands von Großbritannien waren seit der Bildung der Union im Jahr 1801 zahlreich.

Der letzte und erfolgreichste dieser Versuche begann mit dem Osteraufstand aus dem Jahr 1916. Hinsichtlich des Ziels einer unabhängigen Republik Irland war der Aufstand ein Mißerfolg, doch hat die Reaktion der englischen Regierung auf den Aufstand unter den Iren eine antienglische Stimmung heraufbeschworen, die eine Langzeitwirkung hatte. Genau dies war das Ziel der Sinn-Fein-Bewegung (dt. "wir selbst"), die seit 1905 unter der radikalen Führung des Dubliner Journalisten Griffith stand.

Die nächste Phase des Aufstands von Sinn Fein war die Wahl für das Parlament zu Westminster im Dezember 1918. Sinn Fein hat ihren Wahlkampf darauf angelegt, die Wahl zur Volksabstimmung über die Selbstständigkeit Irlands zu machen. Dieses Ziel ging voll auf. Von den 105 Parlamentssitzen aus Irland fielen 73 auf Sinn Fein-Mitglieder, 26 gingen an die Unionisten (in Nordirland) und 6 an die bisherige, gemäßigte irische "Parlamentspartei". In Irland hatte Sinn Fein und ihr Kampf um die Unabhängigkeit Irlands einen eindeutigen Sieg erringen.

Da sich die Sinn Fein-Abgeordneten sich weigerten, ins Parlament zu Westminster einzutreten, und dies mit dem Ausgang der Wahlen begründeten, bildeten diese eine eigene Versammlung und konstituierten sich am 21. Januar 1919 zum Dail Eireann, dem Parlament der unabhängigen Republik Irland und proklamierten die Republik mittels einer Unabhängigkeitserklärung kraft dem Tag des Ostermontag des Jahres 1916.

Der Dail verabschiedete am 21. Januar 1919 eine vorläufige Verfassung.

Im April 1919 wurde Eamon De Valera zum Präsidenten der Republik und damit zum Staatsoberhaupt Irland erwählt und aus dem Dail heraus eine irische Regierung gebildet, die in Teilen Irlands tatsächlich die Staatsgewalt ausübte. Großbritannien blieb dieser Sezession gegenüber zuerst abwartend und nahm keine Notiz davon, aber später behandelte sie das Dail und deren Regierung, obwohl Parlamentsmitglieder in Westminster, als illegale Bewegung, als Aufständische, und verweigerte ihr die Rechte einer kriegführenden Partei.

Ab April 1919 begann zwischen Großbritannien und Irland ein Krieg, der von Irland mit einer Guerillataktik durchgeführt wurde. Großbritannien konnte seine Staatsgewalt in Irland nur noch in den Städten aufrechterhalten, aber auch dort war sie von ständigen Anschlägen bedroht. Auf dem Lande hingegen hat das Dail die Staatsgewalt ausgeübt.

Das Parlament von Westminister hat am 23. Dezember 1920 das bereits 1914 verabschiedete, aber gleich suspendierte Gesetz über die Regierung Irlands (Government of Ireland Act) ohne Beratung mit dem Dail verabschiedet und auf dieser Grundlage sollten am 19. Mai 1921 Wahlen zum Parlament Südirlands stattfinden. Die britischen Regierungsvertreter in Dublin (Castle-Regierung genannt) haben diese Wahlen trotz des Widerstandes aus dem Dail und der Tatsache, dass sie nicht mehr Herr über Irland war, ausgeschrieben.

Sinn Fein, als bestimmender Teil des Dail hat, wie 1918 wiederum die Wahl, die zuerst boykottiert werden sollte, zur Volksabstimmung gemacht, und einen glanzvollen Sieg errungen. Da jedoch das Dail auf Kontinuität in der Staatsentwicklung Irlands achten musste, hat sie ebenfalls Neuwahlen zum Dail auf denselben Tag, den 19. Mai 1921 ausgeschrieben, so dass der Zweite Dail gleichzeitig auch das gesetzliche Parlament Südirlands war. Die Sinn Fein erhielt alle 124 direkt gewählten Parlamentssitze. Der Dail war jedoch nicht identisch mit dem südirischen Parlament nach dem Governement of Ireland Act, denn während im Dail formalrechtlich auch die zum gleichen Zeitpunkt gewählten Parlamentsmitglieder von Nordirland zu ihren Mitgliedern zählte, waren zum südirischen Parlament nur die gesetzlich fixierten 128 Mitglieder (darunter alle direkt gewählten 124 Abgeordneten, die zu Sinn Fein gehörten) zu zählen.

Mit der Wahl zum südirischen Parlament, bzw. zum Dail war auch die englische öffentliche Meinung umgeschlagen. Der Ausgang war so klar und deutlich, dass die britische Regierung, die auch die Wirkung des irischen Unabhängigkeitskampfes in den verstärkten Unabhängigkeitsbestrebungen in Indien und Ägypten gesehen hat, Friedensverhandlungen anregte. Der Dail, der fürchtete, dass seine Herrschaft über einige Teile Irlands verloren gehen könnte, wenn der Krieg weitergeführt würde, hat diese ebenfalls befürwortet, und so kam es am 11. Juli 1921 zum Waffenstillstand zwischen der Republik Irland und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Irland. Der Waffenstillstand war die erste völkerrechtliche Vereinbarung zwischen beiden Teilen.

Am 6. Dezember 1921 kam es zum Friedensschluß, bei dem Irland erhebliche Zugeständnisse machen musste (Teilung der Insel, der König blieb Staatsoberhaupt Irlands, Beschränkung der Souveränität), aber Großbritannien die Sezession Irlands von seinem Staatsgebiet anerkannte.

Der Friedensvertrag, der im Dail nur eine hauchdünne Mehrheit erhielt, war sehr umstritten, insbesondere der Eid der Parlamentsmitglieder auf den König war für die Nationalisten unannehmbar. Großbritannien hat auch einen starken Druck auf das Dail ausgeübt, indem es bei der Ablehnung mit Standrecht und Krieg in Irland gedroht hatte. De Valera trat am 5. Dezember 1921 als Präsident der Republik zurück und am 10. Januar 1922 übernahm der seit 1905 amtierende Führer der Sinn Fein Griffith die Regierung. Er wurde am 14. Januar 1922 vom Lord Lieutenant, dem Vertreter von Krone und Regierung Großbritanniens in Irland und Chef der Castle-Regierung) zum Premierminister des Irischen Freistaates, wie er durch den Friedensvertrag geschaffen wurde, ernannt.

Im Juni 1922 fanden dann die Wahlen zum Dritten Dail, dem im Friedensvertrag vorgesehenen verfassungsgebenden Parlament des Irischen Freistaates statt. Die Wahlen erbrachten einen Sieg der Vertragsbefürworter und eine Niederlage für die Republikaner, die diese nicht anerkennen wollten. Es kam zum irischen Bürgerkrieg, der jedoch ohne größere Unterstützung von Seiten der Bevölkerung blieb. Die Regierung des Irischen Freistaates konnte die volle Regierungsautorität über ihr Hoheitsgebiet erst im Mai 1923 vollständig wieder herstellen. Während des Bürgerkrieges kam der südirische Premier Griffith ums Leben.

Damit war der Übergang von der Republik Irland, die seit dem Ostermontag 1916 bzw. dem 21. Januar 1919 bestand, zum Irischen Freistaat, als Dominion Großbritanniens innerhalb des British Commonwealth of Nations erreicht. Die revolutionären Vorgänge, die das britische Staatsrecht überhaupt vermeiden will, waren beendet, die Herrschaft des Rechts wieder hergestellt.

Der Irische Freistaat wurde formal erst am 6. Dezember 1922 durch das Inkrafttreten der Verfassung des Irischen Freistaates errichtet. Mit dieser Verfassung wurde  dann ein sog. "republikanisches Königreich" geschaffen.

 


Quellen: Jahrbuch des öffentlichen Rechts, Band XIII (1925), J.C.B. Mohr Verlag, Tübingen 1925
Jahrbuch des öffentlichen Rechts, Band 25 (1938), J.C.B. Mohr Verlag, Tübingen 1939
© 28. Januar 2009 - 13. Februar 2009
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