Landtagsordnung

vom 20. Juli 1906

geändert durch
Gesetz Nr. 119/1917
Gesetz Nr. 32/1918
Gesetz Nr. 142/1918
Gesetz Nr. 77/1919

aufgehoben durch
die Reichstagsordnung vom vom 13. Januar 1928 (Gesetz Nr. 7/1928)

es folgt die ursprüngliche Fassung

Wir, Nikolaus der Zweite, von Gottes Gnaden Kaiser und Selbstherrscher von ganz Rußland ect. ect. ect., Großfürst von Finnland, ect. ect.

Geben kund:

Da es notwendig geworden ist, die am 3. (15.) April 1869 verordnete, 71 Paragraphen umfassende Landtagsordnung als Grundgesetz zu erneuern, hat der finnische Landtag beschlossen und Wir bestätigen hiermit als Großfürst von Finnland huldvollst die neue Landtagsordnung Finnlands, wie sie Wort für Wort folgt:
 

I. Kapitel.
Allgemeines.

§ 1. Der Landtag des Großfürstentums Finnland stellt das finnländische Volk dar.

§ 2. Der Landtag bildet eine Kammer, die aus zweihundert Abgeordneten besteht.

§ 3. Die Landtagswahlen finden jedes dritte Jahr gleichzeitig im ganzen Lande statt. Der Auftrag eines Abgeordneten beginnt, sobald er für gewählt erklärt werden ist, und dauert bis zum Abschluß der nächsten Wahlen.

Der Kaiser-Großfürst hat jedoch das Recht, vor Ablauf der im ersten Absatz genannten dreijährigen Periode neue Wahlen anzubefehlen; in diesem Fall gelten - falls nicht eine neue Auflösung des Landtages stattfindet - die Vollmachten der Abgeordneten auf drei Jahre.

§ 4. Die Abgeordneten werden durch unmittelbare und proportionelle Wahl bestimmt; für diesen Zweck wird das Land in mindestens zwölf und höchstens achtzehn Wahlkreise eingeteilt.

Wo die Ortsverhältnisse eine Abweichung von dem proportionellen Wahlmodus erheischen, können jedoch, über die genannte Anzahl hinaus, Wahlkreise für die Wahl nur eines Abgeordneten gebildet werden.

Bei den Wahlen haben alle Stimmberechtigten gleiches Stimmrecht.

Das Wahlrecht darf nicht durch einen Bevollmächtigten ausgeübt werden.

Nähere Bestimmungen über die Wahlkreise sowie über die Zeit für die Wahlen und den Wahlmodus sind in einem besonderen Wahlgesetz enthalten.

§ 5. Berechtigt zur Teilnahme an den Landtagswahlen ist jeder finnländische Bürger männlichen und weiblichen Geschlechts, der vor dem Wahljahre vierundzwanzig Jahre alt geworden ist.

Vom Wahlrecht ausgeschlossen ist:
1. wer sich im aktiven Militärdienst befindet;
2. wer unter Vormundschaft steht;
3. wer nicht während der drei letzten Jahre im Lande eingeschrieben gewesen;
4. wer aus anderer Ursache als Mittellosigkeit, die durch ein Zeugnis der Gemeindeverwaltung bescheinigt worden, unterlassen hat, die ihm für die zwei letztvergangenen Jahre zu Lasten geschriebenen Staatssteuern zu zahlen;
5. wer von der Armenpflege unterstützt wird, falls nicht diese Unterstützung nur zufälliger Art ist;
6. wer als Gemeinschuldner sich im Konkursverfahren befindet, ehe er die Übersicht der Vermögensmasse beeidigt hat;
7. wer wegen Landstreichens zu öffentlicher Arbeit verurteilt worden ist, bis zum Ablauf des dritten Jahres nach seiner Freilassung aus dem Arbeitshause;
8. wer auf Grund eines gerichtlichen Urteils eines guten Leumundes ermangelt oder unwürdig ist, im öffentlichen Dienst des Landes verwandt zu werden oder einen anderen zu vertreten;
9. wer überführt ist, bei einer Landtagswahl Stimmen gekauft oder verkauft oder einen Versuch dazu gemacht zu haben, oder wer an mehr als einer Stelle eine Stimme abgegeben hat, oder durch Gewalt oder Drohungen die Wahlfreiheit gestört hat, bis zum Ablauf des sechsten Kalenderjahres nach dem Jahre, wo das endgültige Urteil in der Sache erging.

§ 6. Jeder Wahlberechtigte kann, ohne Rücksicht auf den Wohnort zum Abgeordneten gewählt werden.

§ 7. Ein Beamter, der mittelst seiner amtlichen Autorität auf die Abgeordnetenwahl einzuwirken sucht, ist seines Amtes zu entsetzen.

Wer durch Verlockungen und Verführungen die Wahlfreiheit stört, wird mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft. Kamen hierbei Gewalt oder Drohungen zur Anwendung, so ist die Strafe Gefängnis von einem Monat bis zu einem Jahr; war der Schuldige ein Beamter, so ist er außerdem des Amtes zu entsetzen.

Ein Arbeitgeber, der den bei ihm angestellten Wahlberechtigten nicht nach Möglichkeit Gelegenheit bietet, ihr Wahlrecht auszuüben, wird mit einer Goldbuße bestraft.

§ 8. Wer auf Grund des Wahlgesetzes als zum Abgeordneten gewählt erklärt worden ist, darf von diesem Auftrag nicht entbunden werden, falls er nicht einen vom Gesetz anerkannten Behinderungsgrund oder andere Gründe anführen kann, die der Landtag für gut anerkennt.

§ 9. Ein Abgeordneter ist verpflichtet, in der Ausübung seines Auftrages so zu handeln, wie es Recht und Wahrheit heischen. Er ist dabei an keine anderen Vorschriften gebunden, als an die Grundgesetze des Landes.

§ 10. Einem Abgeordneten darf nicht verwehrt werden, sich zum Landtag einzufinden und sein Amt auszuüben.

§ 11. Ein Abgeordneter darf nicht wegen der von ihm geäußerten Ansichten oder seines sonstigen Verhaltens während der Verhandlungen unter Anklage gestellt oder der Freiheit beraubt werden, falls nicht der Landtag solches durch einen Beschluß gestattet hat, für den mindestens 5/6 der anwesenden Mitglieder desselben gestimmt haben.

§ 12. Während der Sitzungsperiode darf ein Abgeordneter ohne Genehmigung des Landtages nicht wegen eines begangenen Verbrechens verhaftet werden, außer wenn das Gericht seine Verhaftung anordnet oder wenn er auf frischer Tat bei der Begehung eines Verbrechens ertappt wird, welches mit einer nicht geringeren Strafe als sechs Monaten Gefängnis bedroht ist.

Ist ein Landtagsabgeordneter während seiner Reise zum Landtag aus anderen als dem im Absatz 1 genannten Gründen verhaftet worden, so ist er freizulassen, wenn der Landtag solches beschließt.

Die Verhaftung eines Abgeordneten muß sofort dem Präsidenten mitgeteilt werden.

§ 13. Vergreift sich jemand durch Wort oder Tat an einem Abgeordneten, während sich dieser auf der Reise zum oder vom Landtag befindet oder während der Sitzungsperiode, und geschah es mit Kenntnis der Tatsache, daß er Abgeordneter ist, oder wendet jemand nach dem Landtag gegen einen Abgeordneten wegen Ausführung seines Auftrages Gewalt an, so ist der Umstand, daß das Verbrechen gegen einen Abgeordneten ausgeführt wurde, als besonderes erschwerend zu betrachten.

Das in bezug auf Abgeordnete Gesagte gilt auch hinsichtlich der Schriftführer und Bediensteten des Landtags.

§ 14. Die Abgeordneten werden aus Staatsgeldern besoldet und erhalten außerdem eine Entschädigung für die Reise vom oder zum Landtag.

Die Besoldung beträgt für einen ordentlichen Landtag 1400 M, oder, falls der Landtag aufgelöst worden oder der Auftrag des Abgeordneten früher als neunzig Tage nach Beginn des Landtags aufgehört hat, 15 M. täglich. Während eines ordentlichen Landtags, der nach Auflösung eines Landtags und nach erfolgten neuen Wahlen an einer anderen, als der im Gesetz bestimmten Zeit zusammentritt, und während eines außerordentlichen Landtags ist die Besoldung dieselbe wie oben angegeben, doch darf sie im ganzen nicht 1400 M. übersteigen.

§ 15. Findet sich ein Abgeordneter nicht rechtzeitig im Landtag ein oder bleibt er ohne Genehmigung des Landtags von einer Sitzung aus, und kann er keinen vom Landtag gutgeheißenen Behinderungsgrund verweisen, so kann der Landtag ihn zum Verlust der Besoldung verurteilen, und zwar zu 15 M. für jeden versäumten Tag und außerdem zu einer denselben Betrag nicht übersteigenden Geldbuße. Bleibt die Geldbuße ohne Wirkung, so kann der Landtag den säumigen Abgeordneten seines Auftrages für verlustig erklären.

2. Kapitel.
Beginn, Auflösung und Schluß des Landtags.

§ 16. Die Sitzungen des Landtags finden in der Hauptstadt des Landes statt, außer wenn solches wegen feindlichen Einfalls oder anderer wichtigen Hindernisse unmöglich oder für die Sicherheit des Landtags mit Gefahr verbunden ist, in welchem Fall der Kaiser-Großfürst einen andern Versammlungsort innerhalb des Landes bestimmt.

§ 17. Der ordentliche Landtag versammelt sich jährlich, nach jedesmaliger besonders aufgefertigter Berufung, am ersten Tag im Monat des Februar, falls nicht der Kaiser-Großfürst einen anderen Tag des Jahres bestimmt, und geht, laut Allerhöchster Verordnung, den neunzigsten darauf folgenden Tag auseinander, außer in dem Fall, wenn der Kaiser-Großfürst nach eigener Prüfung oder auf Vorstellung des Landtags bestimmt, daß der Landtag früher oder später sich auflösen soll.

Ist ein im vorhergehenden Abschnitt oder sonst in diesem Gesetz für einen bestimmten Fall vorgeschriebener Tag ein Feiertag, so gilt die Vorschrift für den zunächst darauf folgenden Wochentag.

§ 18. Wenn der Kaiser-Großfürst während eines ordentlichen Landtags neue Wahlen anbefiehlt, so wird der Landtag an dem Tage aufgelöst, den der Kaiser-Großfürst hat bekannt geben lassen. In solchem Falle soll nach den Neuwahlen der ordentliche Landtag am ersten Tage des nächsten Monats, der neunzig Tage nach der Auflösung fällt, oder an einem früheren vom Kaiser-Großfürsten bestimmten Tage von neuem zusammentreten.

Werden neue Wahlen anbefohlen, nachdem der ordentliche Landtag aufgelöst worden ist und können die Wahlen nicht vor dem ersten Tage des nächstfolgenden Februarmonats zu Ende geführt werden, so wird der Beginn des ordentlichen Landtags bis zum ersten Tage des Kalendermonats aufgeschoben, der nach Bekanntmachung des Ausgangs der Wahlen zunächst fällt.

§ 19. Vom Kaiser-Großfürsten hängt es ab, einen außerordentlichen Landtag zu berufen und zu bestimmen, wann er auseinandergehen soll.

Der Beginn eines außerordentlichen Landtags ist nicht früher anzusetzen, als auf den fünfzehnten Tag nach Ausfertigung der Berufung, und darf nicht länger dauern als bis zum letzten Wochentag vor Beginn eines ordentlichen Landtags.

In einem außerordentlichen Landtage dürfen nur solche Fragen erörtert worden, die die Berufung des Landtags veranlaßt haben oder sonst vom Kaiser-Großfürsten demselben unterbreitet werden, sowie Fragen, die mit derartigen Angelegenheiten in untrennbarem Zusammenhang stehen.

§ 20. Die in den §§ 16, 18 und 19 angegebenen Verordnungen des Kaiser-Großfürsten werden in der Weise bekant gegeben, wie es für die Veröffentlichung von Gesetzen in Finnland vorgeschrieben ist.

Verordnungen über Verrichtung von neuen Wahlen werden außerdem den Gouverneuren mitgeteilt sowie den Behörden und Kommissionen, denen die Veranstaltung der Wahlen obliegt.

§ 21. An dem Tage, wo der Landtag sich versammeln soll, müssen sämtliche Abgeordneten von 11 Uhr vormittags an, in der durch Anschlag näher angegebenen Weise, ihre Vollmachten demjenigen oder denjenigen verweisen, die der Kaiser-Großfürst verordnet hat, um die Vollmachten zu prüfen. Wenn eine Vollmacht zum erstenmal vorgewiesen wird, ist zu prüfen, ob dieselbe von der zuständigen Behörde und in vorgeschriebenen Form ausgefertigt ist.

Ein Verzeichnis über die ordnungsmäßig bevollmächtigten Mitglieder ist am folgenden Tage vor 10 Uhr vormittags dem Landtage zu übergeben.

Ein Abgeordneter, der sich nach Beginn des Landtags einfindet, nimmt dasselbst seinen Sitz ein, nachdem er dem Präsidenten die in Gemäßheit des Abschnittes I genehmigte Vollmacht vorgewiesen.

§ 22. Ist die Vollmacht eines Abgeordneten nicht genehmigt worden, so hat der Landtag das Recht, zu prüfen, ob er trotzdem auf Grund derselben seinen Sitz im Landtage einnehmen soll.

Wird während des Landtags auf Grund dieses Gesetzes gegen die Zuständigkeit eines Abgeordneten Einwand erhoben, so wird dieser ebenfalls vom Landtag geprüft, falls nicht derselbe Einwand infolge einer Beschwerde über die Wahl bereits der Entscheidung der zuständigen Behörde unterbreitet worden oder noch unterbreitet werden kann.

Im übrigen darf eine Frage über die Gültigkeit einer Abgeordnetenwahl nicht im Landtage aufgeworfen werden, außer wenn eingewandt wird, daß in bezug auf die Wahl oder damit zusammenhängende Maßregeln ein offenbar verbrecherisches Verfahren vorgekommen oder daß ein unzweifelhafter Irrtum bei der Feststellung des Ausgangs der Wahl stattgefunden. In solchem Fall kann der Landtag, wenn es zugleich klar ist, daß das verbrecherische Verfahren oder der Irrtum auf den Ausgang der Wahl haben einwirken können, und eine Änderung auf dem Wege der Beschwerde nicht mehr möglich ist, Maßregeln ergreifen, um die Wahl mit den Bestimmungen des Wahlgesetzes in Übereinstimmung zu bringen.

Derjenige, dessen Abgeordnetenrecht in Frage gestellt ist, behält indessen seinen Auftrag als Abgeordneter, bis er für nicht zuständig erklärt worden ist.

§ 23. Am folgenden Tage vereinigt sich der Landtag um 10 Uhr vormittags zu einer Plenarversammlung, die mit einem Aufruf nach dem im § 21 genannten Verzeichnis beginnt. In dieser Plenarsitzung wählt der Landtag unter seinen Mitgliedern einen Präsidenten und zwei Vizepräsidenten.

Darauf gegen der Präsident und die Vizepräsidenten einer nach dem anderen vor dem versammelten Landtage folgende feierliche Versicherung ab:
"Ich N. N. versichere, daß ich in der Ausübung des Präsidentenamtes nach Kräften sowohl die Gerechtsamen des Kaisers-Großfürsten wie die des Landtags und des finnländischen Volkes in Übereinstimmung mit den Grundgesetzen aufrechterhalten will."

Ehe dieses geschehen, führt das an Jahren älteste Mitglied des Landtags den Vorsitz. Das Protokoll wird von demjenigen geführt, den der Letztere dazu ausersieht.

Schriftführer und Kanzleipersonal werden in der Weise angenommen, wie der Landtag bestimmt.

§ 24. An dem Tage und zu der Stunde, die der Kaiser-Großfürst hat bekannt geben lassen, sollen die Mitglieder des Landtags nach verrichtetem Gottesdienst sich im Thronsaal versammeln, wo der Kaiser-Großfürst oder sein Stellvertreter den Landtag begrüßt und denselben für eröffnet erklärt, worauf der Landtag durch den Präsidenten seine untertänige Ehrfurcht ausdrücken läßt.

§ 25. Wenn der Landtag geschlossen werden soll, finden sich die Abgeordneten nach verrichtetem Gottesdienst zu der vom Kaiser-Großfürsten bestimmten Zeit im Thronsaal ein, wo der Präsident dem Kaiser-Großfürsten oder seinem Stellvertreter die Ausdrücke der untertänigen Ehrfurcht des Landtags und die Wünsche desselben ausdrückt und den Landtagsbeschluß überreicht, worauf der Kaiser-Großfürst oder sein Stellvertreter den Landtag für geschlossen erklärt.

3. Kapitel.
Die Geschäftsordnung des Landtags.

§ 26. Der Kaiser- Großfürst läßt bei Eröffnung des Landtags ein Verzeichnis der Vorlagen bekannt geben, die er dem Landtage übergibt.

Zu Beginn eines jeden ordentlichen Landtags wird dem Landtage eine Vorlage übergeben über die Beschaffung von Geldern für solche Bedürfnisse, zu deren Bestreitung die ordentlichen Staatseinnahmen nicht hinreichen; als Beleg hierfür wird der Vorlage eine Berechnung des Staatsbudgets für das nächste Finanzjahr beigelegt.

Vorlagen, die nicht zu Beginn des Landtags demselben übergeben werden konnten, können ihm auch später übergeben werden.

Schreiben und Vorlagen des Kaisers-Großfürsten, die nach Eröffnung des Landtags ergehen, werden demselben durch ein Mitglied des Senats übergeben.

§ 27. Sobald ein ordentlicher Landtag eröffnet worden ist, muß demselben eine Übersicht des Staatshaushalts vorgelegt werden, damit der Landtag eine Einsicht darüber gewinnen kann, ob die Staatseinnahmen zu Nutz und Frommen des Landes angewandt worden sind.

§ 28. In Übereinstimmung mit dem Recht, das die Stände bisher gehabt haben, ist ein ordentlicher Landtag berechtigt, an den Kaiser-Großfürsten Petitionen zu richten, denen der Kaiser-Großfürst die Berücksichtigung angedeihen läßt, die ihm das Wohl des Landes zu heischen scheint.

Entwürfe von Adressen, die in außerordentlichen Fällen oder anläßlich besonderer Ereignisse von dem Landtag an den Kaiser-Großfürsten gerichtet werden sollen, sind einer vorbereitenden Prüfung in Kommissionen in der für Petitionen vorgeschriebenen Weise zu unterwerfen.

§ 29. Der Landtag ist berechtigt, eine von einem Abgeordneten vorschriftsmäßig eingebrachte Motion zur Behandlung aufzunehmen, die sich auf Formulierung, Änderung oder Aufhebung eines solchen Gesetzes bezieht, das vom übereinstimmenden Beschluß des Kaisers-Großfürsten und des Landtags abhängt.

Doch sollen inbezug auf Grundgesetze oder Gesetze über die Organisation der Landes- oder Seeverteidigung keine Motionen eingebracht werden; inbezug auf die Formulierung von Kirchengesetzen gelten die hierüber besonders gegebenen Bestimmungen.

§ 30. Motionen oder Petitionsentwürfe sind von den Abgeordneten binnen 14 Tagen nach Eröffnung des Landtags in schriftlicher Form einzubringen. Später darf ein Abgeordneter keine Motionen oder Petitionsentwürfe mehr einbringen, falls nicht solches unmittelbar durch einen vom Landtag bereits gefaßten Beschluß oder ein anderes während des Landtages eingetroffenes Ereignis veranlaßt wird.

Eine Motion soll einen in Gesetzform abgefaßten Entwurf enthalten und zugleich die Gründe angeben, auf welche der Entwurf sich stützt.

Fragen verschiedener Art dürfen nicht in derselben Schrift zusammengestellt werden.

§ 31. Verlangt der Kaiser-Großfürst das Gutachten des Landtags in einer Frage, in welcher der Kaiser-Großfürst ohne Mitwirkung des Landtages Verordnungen erlassen kann, so soll der Landtag die Frage zur Behandlung vornehmen und das gewünschte Gutachten abgeben.

§ 32. Will ein Abgeordneter an ein Mitglied des Senats in einer zu dessen Amtsbefugnis gehörenden Angelegenheit eine als besondere Frage im Plenum aufzunehmende Interpellation richten, so hat er dieselbe in schriftlicher Form und mit bestimmt formuliertem Inhalt dem Präsidenten zu übergeben. Nachdem die Frage bis zu einer folgenden Sitzung auf dem Tisch gelegen hat, soll der Landtag ohne vorhergehende Verhandlung beschließen, ob die Interpellation zu stellen ist oder nicht. Falls die Interpellation beschlossen wird, soll die Frage durch den Präsidenten dem zuständigen Mitglied des Senats mitgeteilt werden, welcher, falls er die Beantwortung nicht ablehnen zu müssen glaubt, mit dem Präsidenten den Zeitpunkt für die Beantwortung der Frage verabredet.

§ 33. Über die Befugnis des Landtags, die Gesetzmäßigkeit der von den Regierungsmitgliedern getroffenen amtlichen Maßregeln zu prüfen sowie über die Behandlung solcher Fragen wird in einem besonderen Gesetz verordnet.

4. Kapitel.
Die Vorbereitung der Fragen.

§ 34. Der Landtag soll binnen drei Tagen nach seiner Eröffnung mindestens 85 Elektoren nebst der nötigen Anzahl Ersatzmänner wählen, die die Mitglieder der Kommissionen des Landtages bestimmen sollen.

Die Elektoren und ihre Ersatzmänner werden durch proportionelle Wahlen bestimmt. Nähere Vorschriften in bezug auf den Wahlmodus werden vom Landtag angenommen und behalten ihre Gültigkeit, bis darüber anders verfügt wird.

§ 35. Im ordentlichen Landtage sollen binnen 5 Tagen nach Eröffnung desselben folgende Kommissionen eingesetzt werden: eine Grundgesetzkommission, eine Gesetzkommission, eine Ökonomiekommission und eine Budgetkommission mit mindestens je 16 Mitgliedern, und eine Bankkommission mit mindestens 12 Mitgliedern. Gleichzeitig werden Ersatzmänner in einer Anzahl von mindestens 1/4 der Zahl der Mitglieder gewählt.

Der Landtag kann auch nach Bedarf andere Kommissionen einsetzen; einer solchen Kommission kann, falls sie aus mindestens 12 Mitgliedern besteht, auch eine Frage überwiesen werden, deren Bearbeitung sonst ihrer Beschaffenheit nach, einer im Gesetz vorgeschriebenen Kommission obliegt.

Die Kommissionen können, wenn die Arbeiten solches verlangen, sich in Abteilungen verteilen, die jede für sich im Namen der Kommission ihre Gutachten abgeben. Erscheint es in einem solchen Fall notwendig, daß die Anzahl der Mitglieder vermehrt wird, so wird die Sache dem Landtag vorgelegt.

Über die Expeditions- und Schließungskommission wird im § 76 bestimmt.

Ein außerordentlicher Landtag setzt die Kommissionen ein, die zur Bearbeitung der im Landtag vorkommenden Fragen erforderlich sind.

§ 36. Können sich die Elektoren bei der Einsetzung von Kommissionen nicht über die Mitglieder derselben einigen, so sollen sie die Wahl in der im § 34 vorgeschriebenen Weise bewerkstelligen.

§ 37. Binnen acht Tagen nach Eröffnung des Landtags soll der Landtag für die im § 57 vorgeschriebene Behandlung besonderer Fragen die große Kommission des Landtags einsetzen, die aus sechzig Mitgliedern besteht, welche in derselben Weise wie die Elektoren gewählt werden.

§ 38. Ein Mitglied des Senats darf nicht Mitglied einer Kommission sein. Auch darf sonst niemand in eine Kommission gewählt werden, wo ein Rechenschaftsbericht über seine Amtstätigkeit zur Prüfung gelangen kann.

Für die Wahl von Mitgliedern in die große Kommission gilt jedoch nur die im ersten Absatz angegebene Einschränkung.

§ 39. Die Kommissionen des Landtags wählen jede für sich einen ersten und einen zweiten Vorsitzenden und stellen Schriftführer und das nötige Dienstpersonal an.

Die erste Sitzung wird, bis ein Vorsitzender gewählt ist, von dem ältesten Mitglied zusammenberufen und geleitet.

Die Kommissionen können für eine bestimmte Frage unter ihren Mitgliedern einen oder mehrere Referenten wählen, die bei der Behandlung der Frage im Plenum des Landtags oder in der großen Kommission desselben die erforderlichen Aufklärungen geben können.

§ 40. Der Grundgesetzkommission obliegt es, ihr überwiesene Fragen über Formulierung, Veränderung, Erklärung oder Aufhebung von Grundgesetzen vorzubereiten.

Fragen, die durch das Recht des Landtags veranlaßt sind, die Gesetzmäßigkeit der von den Regierungsmitgliedern getroffenen Amtsmaßregeln zu prüfen, sind ebenfalls von der Grundgesetzkommission zu bearbeiten.

§ 41. Die Gesetzkommission hat die ihr überwiesenen Entwürfe über Formulierung, Veränderung, Erklärung oder Aufhebung der allgemeinen Gesetze zu begutachten.

§ 42. Die Ökonomiekommission bearbeitet die ihr überwiesenen Entwürfe, die die Erwerbstätigkeit und den öffentlichen Haushalt des Landes betreffen.

§ 43. Der Budgetkommission ist der Zustand der Staatsfinanzen bekannt zu geben und sind ihr sämtliche Rechnungsbücher und Dokumente des Staatshaushalts zugänglich zu machen. Es liegt der Kommission ob, in einem Gutachten hierüber sich besonders über die Anwendung der vom Landtag für besondere Zwecke bewilligten Summen auszusprechen; der Landtag hat dem Kaiser-Großfürsten hierüber das vorzulegen, wozu ein Anlaß bestehen kann.

Der Budgetkommission werden ebenfalls überwiesen; die im § 26 A´Punkt 2 erwähnte Vorlage des Kaiser-Großfürsten und die Vorlagen über Bewilligungen sowie ebenfalls sonstige Vorlagen und im Landtag eingebrachte Vorschläge über finanzielle Fragen, die der Entscheidung des Landtags unterliegen. In seinem Gutachten über die erstgenannte Vorlage soll die Kommission sämtliche Fragen über Geldanweisungen zusammenfassen, die von der Prüfung und Genehmigung des Landtags abhängen, und zwar auch solche, über welche besondere Gutachten abgegeben worden sind. In demselben Gutachten schlägt die Kommission vor, in welcher Weise Geldmittel zur Bestreitung der Ausgaben zu beschaffen sind, soweit die ordentlichen Staatseinnahmen dazu nicht hinreichen.

Erscheinen Bewilligungssteuern notwendig, so soll die Kommission über dieselben besondere Gutachten abgeben, die zugleich eine Berechnung der von den Bewilligungen zu erwartenden Einnahmen enthalten.

Es kommt der Budgetkommission zu, dem Landtag den Betrag der Entschädigungssumme vorzuschlagen, die der Präsident zur Bestreitung der Ausgaben erhalten soll, zu denen er während des Landtags gezwungen ist; ferner den Betrag der Reiseentschädigung der Abgeordneten festzustellen; auf Vorschlag des Präsidenten und der zuständigen Kommissionsvorsitzenden die Gehälter der Schriftführer und der Bedienung des Landtags und der Kommissionen zu bestimmen, sowie die Entschädigung zu bestimmen, die den Mitglieder der Expeditions- und der Redaktionskommission nach Schluß des Landtags zukommen.

§ 44. Der Bankkommission liegt es ob, die Verwaltung der Bank von Finnland und den Zustand der unter der Garantie und der Obhut des Landtags stehenden Fonds zu untersuchen, darüber einen Bericht zu erstatten und die Vorschriften vorzuschlagen, die für die Verwaltung der genannten Fonds erforderlich erscheinen.

§ 45. Eine Kommission soll sich spätestens 2 Tage, nachdem sie eingesetzt worden ist, versammeln, und je nach Erledigung der Fragen über jede derselben dem Plenum des Landtags die durch die Beschaffenheit der Fragen bedingten Gutachten einsenden.

Ist ein Mitglied einer Kommission verhindert, an der Behandlung einer Frage teilzunehmen, so tritt ein Ersatzmann an seine Stelle. Eine Kommission ist nicht beschlußfähig, falls nicht mindestens 4/5 ihrer Mitglieder anwesend sind.

Einem Mitglied, das nicht mit dem Beschluß der Kommission einverstanden ist, steht es frei, dem Gutachten der Kommission seine besondere, schriftlich abgefaßte Meinung beizufügen, doch ohne daß das Gutachten dadurch aufgehalten wird.

Bei den Sitzungen der Kommissionen dürfen Präsident und Vizepräsidenten des Landtags anwesend sein.

Die im zweiten Absatz enthaltenen Bestimmungen gelten nicht für die große Kommission des Landtags.

§ 46. Bedarf eine Kommission Urkunden, die bei irgend einem Beamten oder einer öffentlichen, nicht der Verwaltung des Landtags unterworfenen Behörde hergestellt worden sind, oder wünscht sie von einem Beamten oder einer derartigen Behörde mündliche oder schriftliche Erklärungen einzuholen oder Urkunden zu erhalten, die bei kommunalen Behörden gefertigt sind, oder auch andere Aufklärungen über kommunale Verhältnisse, so hat der Präsident des Senats, auf Wunsch der Kommission, Maßregeln in der Richtung zu ergreifen, daß die gewünschten Urkunden oder Aufklärungen, soweit möglich, der Kommission mitgeteilt werden.

5. Kapitel.
Die Behandlung der Geschäfte im Plenum und in der großen Kommission.

§ 47. Dem Präsidenten liegt es ob, das Plenum zu berufen, daselbst die Fragen zum Vortrag zu bringen und die Verhandlungen zu leiten, die Form der zu fassenden Beschlüsse vorzuschlagen, die Ordnung in den Sitzungen aufrecht zu erhalten, und auch im übrigen darüber zu wachen, daß nichts, was gegen die Grundgesetze des Landes verstößt, zur Verhandlung gelangt, sowie das Plenum zu schließen.

Der Präsident darf nicht an den Verhandlungen oder Abstimmungen teilnehmen, auch nichts anderes vorschlagen, als das, was zur Ausführung der Grundgesetze, der Beschlüsse des Landtags oder der Arbeitsordnung desselben erforderlich ist.

Bei Verhinderung des Präsidenten tritt an eine Stelle der erste, oder, falls auch dieser verhindert ist, der zweite Vizepräsident.

§ 48. Im Plenum hat jeder Abgeordnete das Recht, in der Reihenfolge, in der er sich gemeldet hat, das Wort zu erhalten und sich frei in allen Fragen zu Protokoll zu äußern, die jeweilig zur Behandlung vorliegen, sowie auch über die Gesetzlichkeit von allem, was sich im Landtage zuträgt. Es darf niemand außer dem Protokoll, oder ehe ihm das Wort erteilt worden ist, reden.

Ein Landtagsabgeordneter muß ein ernstes und würdiges Auftreten beobachten; niemand darf sich beleidigende, spöttische oder sonst unpassende Ausdrücke über die Regierung oder Privatpersonen erlauben. Verstößt jemand hiergegen, so hat in der Präsident zur Ordnung zu rufen und, falls er sich dadurch nicht bessern läßt, ihm das Wort zu entziehen. Im übrigen kommt es dem Landtag zu, zu prüfen, ob ein Abgeordneter, der gegen die Ordnung verstoßen hat, vom Präsident einen Verweis oder eine Warnung erhalten oder für eine gewisse Zeit nicht länger als 2 Wochen, von den Sitzungen des Landtags ausgeschlossen oder gerichtlich belangt werden soll, oder ob die Sache als erledigt zu betrachten ist.

§ 49. Die Verhandlungen des Landtags im Plenum sind öffentlich, falls nicht der Landtag für gewisse Fälle anders bestimmt.

Bei den Sitzungen der großen Kommission haben sämtliche Mitglieder des Landtags das Recht, anwesend zu sein.

§ 50. Bei den Verhandlungen des Landtags kommt die finnische oder schwedische Sprache zur Anwendung.

§ 51. Der Präsident, der Vizepräsident und die übrigen Mitglieder des Senats sind berechtigt, den Sitzungen des Landtags beizuwohnen und an den Verhandlungen, jedoch nicht an den Beschlüssen des Landtags teilzunehmen, falls sie nicht Mitglieder des Landtags sind. Wünscht ein Mitglied des Senats sich zu äußern, so wird ihm vor andern das Wort erteilt.

Es kommt der großen Kommission zu, zu beschließen, ob die Mitglieder des Senats an den Sitzungen und Verhandlungen der Kommission teilnehmen sollen.

§ 52. An der Behandlung von Entwürfen, die das Kirchengesetz für die evangelisch-lutherischen Gemeinden des Landes oder ihre kirchlichen Verhältnisse im übrigen betreffen, dürfen nur diejenigen teilnehmen, die sich zum evangelisch-lutherischen Glauben bekennen.

§ 53. Bei Fragen, die einen Landtagsabgeordneten persönlich betreffen, darf sich dieser an den Verhandlungen, jedoch nicht an den Beschlüssen beteiligen.

§ 54. Vorlagen des Kaiser-Großfürsten sowie auch im Landtag eingebrachte Motionen dürfen nicht zur endgültigen Behandlung genommen werden, ehe eine Kommission ihr Gutachten darüber abgegeben hat.

Einer vorbereitenden Prüfung in einer Kommission sind auch solche Fragen unterworfen, die laut § 81 dem Landtag zur zur Begutachtung unterbreitet werden.

§ 55. Wird eine Vorlage oder Motion, wenn sie zur erstmaligen Behandlung kommt, nicht sofort einstimmig einer Kommission überwiesen, so soll sie bis zu einer der zunächst folgenden Sitzungen auf dem Tische liegen bleiben und dann einer Kommission überwiesen werden. Ebenso muß ein Petitionsentwurf, falls er nicht, entweder ohne auf dem Tisch gelegen zu haben oder nachdem solches geschehen, verworfen wird, einer Kommission überwiesen werden.

§ 56. Ein Kommissionsgutachten ist, wenn es zum erstenmal vorgetragen wird, auf den Tisch zu legen. Beim nächsten Vortrag soll es, ohne Rücksicht darauf, ob eine Verhandlung stattgefunden hat oder nicht von neuem auf den Tisch gelegt werden, falls zwei oder mehrere Mitglieder solches verlangen; wenn aber die Sache zum drittenmal vorkommt, darf ein weiterer Aufschub nicht mehr stattfinden.

§ 57. Betrifft das Kommissionsgutachten eine Gesetzgebungsfrage, die durch eine Vorlage des Kaisers-Großfürsten oder eine im Landtage eingebrachte Motion veranlaßt worden ist, so ist die Frage dire verschiedenen Behandlungen im Plenum des Landtags zu unterwerfen.

Bei der ersten Behandlung wird das Kommissionsgutachten vorgetragen und den Mitgliedern des Landtags Gelegenheit geboten, sich in der Frage zu äußern. Nachdem die Verhandlungen für geschlossen erklärt worden sind, wird die Frage, ohne daß ein Beschluß in der Sache selbst gefaßt wird, der großen Kommission des Landtags übergeben, der es obliegt, sich darüber zu äußern und die Vorschläge zu machen, zu denen sie Anlaß finden kann.

Bei der zweiten Behandlung wird das Gutachten der großen Kommission vorgetragen, wobei der Landtag den Gesetzentwurf einer Prüfung unterwirft und über jeden einzelnen Punkt desselben Beschluß gefaßt. Wird der Entwurf der großen Kommission in allen Teilen genehmigt, so wird die zweite Behandlung für geschlossen erklärt. Würde der Entwurf der großen Kommission nicht unverändert genehmigt, so wird der Gesetzentwurf in dem Wortlaut, den er durch den Beschluß des Landtags erhalten, von neuem der großen Kommission überwiesen, der es zukommt, den Entwurf mit oder ohne Änderungen zur befürworten oder von seiner Annahme abzuraten. Sind die Veränderungen von der großen Kommission befürwortet werden, so beschließt der Landtag, ob dieselben zu genehmigen oder abzulehnen sind, worauf die zweite Behandlung für abgeschlossen erklärt wird.

Während der zweiten Behandlung der Frage kann der Landtag ebenso wie die große Kommission, wenn solches nötig erscheint, von der Kommission, die die Frage zuerst vorbereitet hat, ein neues Gutachten einfordern.

Bei der dritten Behandlung, die frühestens am dritten Tage nach Schluß der zweiten Behandlung stattfindet, wird die Frage zur endgültigen Entscheidung vorgetragen; der Landtag kann hierbei entweder den Gesetzentwurf unverändert in der Form annehmen, in der er bei der zweiten Behandlung genehmigt worden ist, oder denselben ablehnen, falls nicht, ehe ein diesbezüglicher Antrag gestellt wird, verlangt wird, daß die Frage ruhen bleibt. Wird ein derartiges Verlangen gestellt, so wird die Frage bis zum folgenden Plenum auf den Tisch gelegt; wird das Verlangen dann von mindestens einem drittel sämtlicher Mitglieder des Landtags unterstützt, so soll der Gesetzentwurf in dem bei der zweiten Behandlung genehmigten Wortlaut bis zum ersten nach erfolgten Neuwahlen stattfindenden Landtag ruhen bleiben.

Doch darf eine Frage, die durch eine vom Kaiser-Großfürsten einem außerordentlichen Landtag übergebende Vorlage angeregt worden ist, nicht auf diese Weise ruhen bleiben, sondern muß von demselben Landtag endgültig entschieden werden.

§ 58. Vorschläge, die bis zu einem gewissen Landtag ruhen gelassen wurden, werden behandelt, als wären sie bei diesem letzteren Landtag eingebracht worden. Doch darf der Vorschlag nicht noch länger ruhen gelassen werden, falls nicht Änderungen in demselben vorgenommen worden sind.

§ 59. Ein ruhender Vorschlag darf kein Hindernis bilden für die Einbringung einer neuen Vorlage oder Motion in der Angelegenheit, die der Vorschlag betrifft.

§ 60. Ein Vorschlag, betr. die Formulierung, Änderung, Erklärung oder Aufhebung eines Grundgesetzes muss, falls er als vom Landtag genommen betrachtet werden soll, nach der im § 57 vorgeschriebenen Behandlung auf Grund eines bei der dritten Behandlung durch Stimmenmehrheit erfolgten Beschlusses bis zum ersten nach erfolgten Neuwahlen stattfindenden Landtag ruhen bleiben und von diesem unverändert durch einen Beschluß angenommen werden, der sich auf mindestens zwei Drittel der abgegebenen Stimmen stützt.

Doch kann der Landtag einen Grundgesetzentwurf annehmen, ohne daß derselbe ruhen geblieben ist, falls die Angelegenheit im Plenum für dringend erklärt worden ist, und zwar durch einen Beschluß, der sich auf mindestens 5/6 der abgegebenen Stimmen stützt, und falls der Entwurf bei der dritten Behandlung mit 2/3 der abgegebenen Stimmen genehmigt worden ist.

Von den Standesprivilegien gilt dasselbe, was hier oben von den Grundgesetzen gesagt worden ist.

§ 61. Was im § 57 gesagt ist, gilt auch dann, wenn von Bestimmungen die Rede ist, laut welchen außerordentliche Bewilligungen oder ständige Steuern die von der Entscheidung des Landtags abhängen, geleistet werden sollen, oder auch in Fragen über Aufnahme von Staatsanleihen; doch darf eine derartige Frage nicht für ruhend erklärt werden, und ein Vorschlag betreffend neue außerordentliche Bewilligungen oder neue ständige Steuern oder die Aufnahme einer Staatsanleihe ist als abgelehnt zu betrachten, falls er nicht bei der dritten Behandlung von 2/3 er abgegebenen Stimmen unterstützt wird.

§ 62. Der Landtag kann seiner großen Kommission auch andere Fragen überweisen als die in den §§ 57, 60 und 61 genannten. Geschieht das, so kommen die im § 57 enthaltenen Bestimmungen in der Weise zur Anwendung, daß die Frage nur zwei Behandlungen erfährt und bei der zweiten entschieden wird.

In einer Frage, die nicht der großen Kommission überwiesen worden ist, kann der Landtag beschließen, daß dieselbe zwei Behandlungen erfahren und daß der entscheidende Beschluß bei der zweiten Behandlung gefaßt werden soll, die in einem solchen Fall frühestens am dritten Tage nach der ersten Behandlung stattfindet.

In solchen Fragen darf nicht vorgeschlagen werden, daß die Frage bis zu einem folgenden Landtag ruhen soll.

§ 63. Hat der Landtag die Prüfung einer Frage begonnen, die Anweisungen aus Geldmitteln betrifft, welche zur Verfügung des Landtags stehen, oder auch die Prüfung einer Petition inbetreff des Staatshaushalts, ehe die Budgetkommission ihr Gutachten über die Mittel und Bedürfnisse des Staatshaushalts abgegeben hat, so ist ein Beschluß in einer solchen frage als bedingt anzusehen und die endgültige Entscheidung im Zusammenhang mit der Behandlung des genannten Gutachtens der Budgetkommission zu fassen, falls nicht der Landtag gegebenenfalls anders verordnet.

§ 64. In keiner Frage, in der Verhandlungen stattgefunden haben, darf zu einem Beschluß geschritten werden, ehe der Landtag, auf Vorschlag des Präsidenten, die Verhandlungen für geschlossen erklärt hat.

§ 65. Wenn eine Frage zur Entscheidung vorliegt, so soll der Präsident auf Grundlage der vorhergehenden Verhandlungen die Vorschläge zu Beschlüssen in der Weise abfassen, daß die Antwort Ja oder Nein den Beschluß des Landtags ausdrückt. Nachdem die Antwort gegeben worden ist, soll der Präsident erklären, wie sie nach seiner Ansicht ausgefallen ist; dies hat als Beschluß des Landtags zu gelten, falls nicht eine geheime Abstimmung verlangt wird. .Wird auf eine solche gedrungen oder ist in irgend einem Fall laut besonderer Vorschrift in diesem Gesetz für einen Beschluß eine bestimmte Stimmenmehrheit erforderlich, so ist eine geheime Abstimmung zu bewerkstelligen.

Liegen mehrere Vorschläge zu Beschlüssen vor, so wird der eine als Gegenvorschlag gegen einen anderen aufgestellt, bis inbezug auf alle in dieser Weise abgestimmt worden ist; der Wortlaut und die Reihenfolge der bewussten Vorschläge muß vom Landtag genehmigt sein, ehe ein Vorschlag zur Abstimmung vorgelegt wird. Ankerungen gegen den vorgeschlagenen Wortlaut und die Reihenfolge sind gestattet, doch dürfen neue Verhandlungen in der Sache selbst nicht mehr stattfinden.

§ 66. Wenn eine geheime Abstimmung vorgenommen wird, so ist der zur Abstimmung gelangende Vorschlag schriftlich aufzusetzen und zu genehmigen und die geheime Abstimmung sogleich darnach zu bewerkstelligen.

Darüber, ob abgestimmt werden soll, darf keine Abstimmung stattfinden.

§ 67. Eine geheime Abstimmung hat mit Zetteln zu erfolgen, die mit Ja oder Nein bedruckt und im übrigen einander gleich sind.

Bei Abstimmungen über Vorschläge, die mit einfacher Stimmenmehrheit angenommen werden können, muß der Präsident, bevor er die zettel zählt, einen von ihnen ablegen. Erweisen sich beim Zusammenzählen die Stimmen als gleich geteilt, so soll der abgelegte Zettel geöffnet werden und den Beschluß bestimmen.

§ 68. Wer einem gefaßten Beschluß nicht beigetreten ist, hat das Recht, seine besondere Ansicht zu Protokoll zu geben; doch darf eine derartige Reservation keine weiteren Verhandlungen veranlassen.

§ 69. Der Präsident darf nicht verweigern, eine angeregte Frage zur Behandlung aufzunehmen oder Vorschläge zu machen, falls er nicht findet, daß solches mit dem Grundgesetz oder einem anderen Gesetz oder einem vom Landtag bereits gefaßten Beschluß im Widerspruch steht; im Falle der Weigerung muß der Präsident seine Gründe dafür angeben.

Ist der Landtag mit der Maßregel des Präsidenten nicht einverstanden, so wird die Frage der Grundgesetzkommission überwiesen, die unverzüglich eine motivierte und bestimmte Antwort darüber abgeben soll, ob die Aufnahme der Frage zur Behandlung oder die Vorlegung eines Vorschlages dem Grundgesetz oder einem vorher gefaßten Beschluß widerspricht; diese Erklärung der Kommission hat zur Nachachtung zu dienen.

§ 70. Bei der Schließung eines Protokolls darf ein Beschluß nicht geändert werden, doch können solche Zusätze stattfinden, die zu keiner Änderung des Beschlusses führen.

Was ein Abgeordneter geäußert hat, und die Verhandlungen, die darauf folgen, können mit seiner und des Landtags Genehmigung bei der Schließung der Protokolle aus demselben ausgeschlossen werden, falls sich nicht der Beschluß offenbar darauf gründet.

§ 71. Ein Abgeordneter, der bei der Beschlußfassung in irgend einer Frage nicht anwesend war, kann danach zu Protokoll geben, daß er nicht am Beschluß teilgenommen, darf jedoch keine Bemerkung dagegen erheben.

§ 72. Die reglementarischen Vorschriften, die für die Landtagsgeschäfte, sowie für die Ordnung im Landtag und in den Kommissionen für nötig befunden werden, hat der Landtag festzustellen. Es darf darin nichts eingeführt werden, was dem Grundgesetz oder einem anderen Gesetz widerspricht.

Die Vorlagen des Kaisers-Großfürsten sollen immer sowohl im Plenum wie in den Kommissionen in erster Linie zur Behandlung vorgenommen werden.

§ 73. Die Vorschläge zu den im § 72 genannten reglementarischen Vorschriften werden vom Präsidium ausgearbeitet, dem es auch zukommt, dem Landtag die Arbeitspläne für die Plenarsitzungen und die Kommissionen vorzuschlagen.

Zum Präsidium gehören der Präsident, die Vizepräsidenten sowie die Vorsitzenden der Kommissionen.

6. Kapitel.
Maßregeln in Betreff der Bank von Finnland.

§ 74. Der Landtag ernennt Bankbevollmächtigte, denen es obliegt, die Verwaltung der unter der Garantie und Obhut des Landtags stehenden Fonds in der Bank von Finnland zu überwachen und die Instruktion für dieselben festzustellen. Die Anzahl der Bankbevollmächtigten ist 6, doch dürfen Fragen, über die in den Instruktionen nicht anders bestimmt ist, von 3 Bevollmächtigten behandelt werden.

Die Bankbevollmächtigten werden im ordentlichen Landtag gewählt und ihr Auftrag beginnt sofort nach erfolgter Wahl. Von den Bevollmächtigten gehen jährlich 2 der Reihe nach ab. Ist ein Bevollmächtigter früher abgegangen, so wird ein neuer Bevollmächtigter für die Zeit gewählt, die für den abgegangenen übrig geblieben wäre.

Die Wahl von Bankbevollmächtigten wird durch die Bankkommission und die Elektoren des Landtags in der Weise bewerkstelligt, daß statt der der Reihe nach abgehenden durch geheime Wahl eine gleiche Anzahl Bevollmächtigte gewählt werden, einer, um an sämtlichen den Bevollmächtigten obliegenden Fragen teilzunehmen, und, durch besondere Wahl, ein anderer, um an der Behandlung derjenigen Fragen teilzunehmen, die nur durch sämtliche Bankbevollmächtigte gemeinsam entschieden werden können. Hat bei der Wahl keiner die Mehrzahl der abgegebenen Stimmen erhalten, so erfolgt eine neue Wahl zwischen den beiden, denen die meistern Stimmen zufielen.

In derselben Weise wählen die Bankkommission und die Elektoren des Landtags jährlich im ordentlichen Landtag 4 Revisoren, um die Revision es laufenden Berichtsjahres zu bewerkstelligen, der die genannten Fonds nach Ablauf des Jahres unterzogen werden sollen, sowie die nötige Anzahl Ersatzmänner für die Bankbevollmächtigten und die Revisoren.

7. Kapitel.
Die Mitteilung der Beschlüsse und Gutachten des Landtags.

§ 75. Hat der Landtag anläßlich einer Vorlage des Kaisers-Großfürsten über Formulierung, Änderung, Erklärung oder Aufhebung eines Grundgesetzes oder anläßlich einer Vorlage oder Motion in betreff eines anderen solchen Gesetzes, das von dem übereinstimmenden Beschluß des Kaisers-Großfürsten und des Landtags abhängt, einen Gesetzentwurf angenommen, so wird der Entwurf nebst einem Schreiben des Landtags behufs Betätigung und Ausfertigung des Gesetzes der Prüfung des Kaisers-Großfürsten unterbreitet. Wird der Entwurf vom Kaiser-Großfürsten nicht unverändert bestätigt, und ist derselbe infolgedessen als in seiner Gesamtheit abgelehnt zu betrachten, soll hierüber demjenigen Landtag Mitteilung gemacht werden, der zunächst nach dem Erlaß der diesbezüglichen Verordnung des Kaisers-Großfürsten zusammentritt.

Sonstige vom Landtag gefaßte Beschlüsse und abgegebene Gutachten, die Antworten auf die vom Kaiser-Großfürsten dem Landtag übergebenen Vorlagen und Anfragen enthalten, sowie auch die Darlegungen an den Kaiser-Großfürsten durch Schreiben des Landtags mitgeteilt werden.

§ 76. Die vom Landtag ausgehenden Schreiben und der Landtagsbeschluß werden von einer besonderen Expeditionskommission aufgesetzt und expediert.

Es darf kein Schriftstück aus dem Landtag expediert werden, ehe es nicht vom Landtag oder einer Schließungskommission genehmigt worden ist.

Die Expeditions- und Schließungskommission bestehen je aus neun Mitgliedern nebst der nötigen Anzahl Ersatzmänner.

§ 77. Der Landtgagsbeschluß sowie die Petitionen des Landtags werden von sämtlichen Landtagsabgeordneten unterschrieben, die übrigen Schreiben dagegen nur vom Präsidenten und den Vizepräsidenten.

8. Kapitel.
Besondere Vorschriften.

§ 78. Die Vorlagen des Kaisers-Großfürsten, die Gutachten der Kommissionen, die Schreiben des Landtags an den Kaiser-Großfürsten, die Protokolle des Landtags und der Landtagsbeschluß sind im Druck herauszugeben.

§ 79. Sämtliche Kosten des Landtags werden aus Staatsgeldern bestritten.

Schlußbestimmung.

§ 80. Diese Landtagsordnung, durch welche die Landtagsordnung für das Großfürstentum Finnland vom 15. April 1869 nebst den Manifesten vom 20. März 1879, dem 25. Juni 1886 und dem 14. Dezember 1897 aufgehoben werden, soll in allen ihren Teilen als ein unerschütterliches Grundgesetz gelten, bis sie durch übereinstimmenden Beschluß des Regenten von Finnland und des Landtags verändert oder aufgehoben wird.

Was auf Grund des Gesetzes in bezug auf die Landstände gilt, soll fernerhin, soweit nicht diese Landtagsordnung anders bestimmt, auf den Landtag in der ihm durch dieses Grundgesetz verliehenen Zusammensetzung Anwendung finden.

 

St. Petersburg, den 7. (20.) Juli 1906

NIKOLAUS

Minister-Staatssekretär
A. Langhoff


Quelle: Gesetzblatt Finnlands, Gesetz Nr. 26/1906
Jahrbuch der Internationalen Vereinigung für vergleichende Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre. Jahrgang 1910, VIII. Band
© 1. November 2008 - 15. November 2008

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