Verfassung der Volksrepublik Bulgarien

vom 18. Mai 1971

geändert durch
Gesetz vom 16. Januar 1990 (Dărzacen Vestnik 1990, Nr. 6)
Gesetz vom 3. April 1990 (Dărzacen Vestnik 1990, Nr. 29)
Gesetz vom 18. Oktober 1990 (Dărzacen Vestnik 1990, Nr. 87)
Gesetz vom 22. November 1990 (Dărzacen Vestnik 1990, Nr. 94)
Gesetz vom 22. November 1990 (Dărzacen Vestnik 1990, Nr. 98)

aufgehoben durch
§ 9 der Übergangsbestimmungen der Verfassung vom 12. Juli 1991

(es folgt die ursprüngliche Fassung von 1971)
 

Wir, Bürger der Volksrepublik Bulgarien. Erben großer revolutionärer Traditionen, die in jahrhundertelangem Kampf um Freiheit und Menschenrechte, für die Volksmacht und die sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft zusammengeschmiedet wurden, fußend auf dem historischen Sieg der sozialistischen Revolution vom Neunten September 1944, der unter der Leitung der Bulgarischen Kommunistischen Partei dank der entscheidenden Hilfe der Sowjetischen Befreiungsarmee, durch die Arbeiterklasse, die schaffenden Bauern und die Volksintelligenz. vereinigt in der Vaterländischen Front, errungen wurde;

auf der erfolgreichen Entwicklung unseres volksdemokratischen Staates;

der historisch begründeten Einmütigkeit und Zusammenarbeit der Bulgarischen Kommunistischen Partei mit dem Bulgarischen Volksbund der Landwirte;

dem Sieg des Sozialismus, der die volle Herrschaft des gesellschaftlichen Eigentums über die Produktionsmittel errichtet und die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen für immer abgeschafft hat;

dem Aufbau der neuzeitlichen Industrie und der modernen genossenschaftlichen Landwirtschaft, die durch die heldenhafte Arbeit des freien Volkes geschaffen wurden und die Bedingungen zur ständigen Verbesserung des Volkswohlstandes gewährleisten;

den Spitzenerfolgen, die auf dem Gebiet der Bildung, der Wissenschaft und der Kultur erreicht wurden;

uns stützend auf die Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfeleistung mit der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und anderen Ländern der sozialistischen Gemeinschaft;

auf der Unterstützung der internationalen kommunistischen Arbeiterbewegung und auf alle anderen fortschrittlichen Kräfte der Welt;

haben unverrückbar beschlossen, daß unter der Leitung der Bulgarischen Kommunistischen Partei durch die Verwirklichung ihres Programms bei uns eine entwickelte sozialistische Gesellschaft aufgebaut wird, daß durch unsere Arbeit das sozialistische Eigentum, der materielle und geistige Reichtum des Volkes vermehrt wird, daß die sozialistische Demokratie erweitert und vertieft wird, daß noch günstigere Bedingungen für die vielseitige Entwicklung der freien Persönlichkeit des Menschen geschaffen werden; daß das unzerrüttbare Bündnis, die Freundschaft und die allseitige Zusammenarbeit mit der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und anderen brüderlichen, sozialistischen Ländern gefestigt und erweitert werden;

daß der gerechte Kampf der Völker um ihre Unabhängigkeit und den sozialen Fortschritt unterstützt wird; daß an der Erhaltung des Weltfriedens, an der Zusammenarbeit zwischen allen Völkern der Erde mitgewirkt wird;

unterstreichen hiermit die Bedeutung der Verfassung der Volksrepublik Bulgarien von 1947 und entwickeln damit ihre Grundprinzipien bei Berücksichtigung der neuen Etappe des Aufbaus der sozialistischen Gesellschaft in unserer Heimat weiter, indem wir diese Verfassung durch allgemeine Volksabstimmung beschließen.

Kapitel I
Der Gesellschaftliche und Politische Aufbau

Artikel 1 (1) Die Volksrepublik Bulgarien ist ein sozialistischer Staat der Werktätigen in Stadt und Land unter der Leitung der Arbeiterklasse.

(2) Die leitende Kraft der Gesellschaft und des Staates ist die Bulgarische Kommunistische Partei.

(3) Die Bulgarische Kommunistische Partei leitet die Gesellschaft des entwickelten Sozialismus in der Volksrepublik Bulgarien in enger brüderlicher Zusammenarbeit mit dem Bulgarischen Volksbund der Landwirte.

Artikel 2 (1) In der Volksrepublik Bulgarien geht alle Macht vom Volke aus und gehört dem Volke.

(2) Das Volk übt seine Macht durch die frei gewählten Vertretungsorgane - die Volksversammlung und die Volksräte - oder auch unmittelbar aus.

Artikel 3 (1) Der Staat dient dem Volke dadurch, daß seine Interessen und sozialistischen Errungenschaften geschützt werden;
daß die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung des Landes planmäßig geführt wird;
daß die Bedingungen zur ununterbrochenen Verbesserung des Wohlstandes, der Bildung und des Gesundheitsschutzes des Volkes sowie auch zur allseitigen Entwicklung der Wissenschaft und Kultur getroffen werden;
daß die freie Entwicklung des Menschen gewährleistet‘ dessen Rechte garantiert und dessen Würde geschützt werden;
daß der Schutz der nationalen Unabhängigkeit, der staatlichen Souveränität und der territorialen Integrität gewährleistet werden;
daß die Freundschaft, Zusammenarbeit und die gegenseitige Hilfeleistung mit der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und anderen sozialistischen Ländern entwickelt und gefestigt werden;
daß die Friedenspolitik und die Zusammenarbeit mit allen Ländern und Völkern verfolgt werden.

(2) Bei der Erfüllung seiner Aufgaben stützt sich der Staat weitgehend auf die gesellschaftlichen Organisationen.

Artikel 4 (1) Die Grundlagen im Aufbau der entwickelten sozialistischen Gesellschaft sind:
die ständige Erweiterung der Demokratie;
die Vervollkommung der Organisation und der Tätigkeit des Staatsapparates; die Verstärkung der Volkskontrolle über die Tätigkeit der Staatsorgane.

(2) Der sozialistische Staat fördert das Hinüberwachsen der sozialistischen Gesellschaft in die kommunistische Gesellschaft.

Artikel 5 Die Grundprinzipien, auf denen das politische System der Gesellschaft aufgebaut ist und auf Grund deren es funktoniert, sind: die Volkssouveränität, die Einheit der Gewalten, der demokratische Zentralismus, die sozialistische Demokratie. die Gesetzlichkeit und der sozialistische Internationalismus.

Artikel 6 (1) Die Vertretungsorgane werden auf Grund der allgemeinen, gleichen und direkten Wahlen in geheimer Abstimmung gewählt.

(2) Die Vollmachten der Volksversammlung gelten für die Dauer von fünf Jahren und diejenigen der Volksräte für zweieinhalb Jahre.

(3) Das Recht zu wählen und gewählt zu werden, haben alle Bürger der Volksrepublik Bulgarien, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, ohne Unterschied des Geschlechts, der Nationalität, der Rasse, des Glaubensbekenntnisses, der Bildung, des Berufs, der Dienst- oder gesellschaftlichen Stellung und der Vermögensverhältnisse. mit Ausnahme derjenigen, die unter Wahlverbot gestellt sind.

(4) Die Wahlordnung zu den Vertretungsorganen wird durch Gesetz geregelt.

Artikel 7 (1) Die Abgeordneten und die Mitglieder der Volksräte sind den Wählern gegenüber verantwortlich und rechenschaftspflichtig. Sie können auch vor Ablauf der Frist, für die sie gewälht wurden, abberufen werden.

(2) Die Abberufung der Volksvertreter findet auf Grund von Beschlüssen der Wähler statt, und das Verfahren wird durch Gesetz geregelt.

Artikel 8 (1) Die Volksrepublik Bulgarien wird in genauer Übereinstimmung mit der Verfassung und den Gesetzen des Landes verwaltet.

(2) Die strenge Einhaltung der Verfassung und der Gesetze ist eine Grundpflicht für alle Staatsorgane. Staatsfunktionäre, gesellschaftliche Organisationen und Bürger.

(3) Die Festigung der Gesetzlichkeit und die Vorbeugung von Straftaten und Übertretungen gehört zur Pflicht des Staates, der gesellschaftlichen Organisationen und der Bürger.

Artikel 9 (1) Die Rechte, Freiheiten und Pflichten, die in der Verfassung festgelegt sind, werden gemäß der Verfassung ausgeübt und verwirklicht, es sei denn, daß ihre Verwirklichung und das Verfahren durch ein Gesetz geregelt werden.

(2) Die Rechte und Freiheiten dürfen nicht zum Nachteil der gesellschaftlichen Interessen ausgeübt werden.

Artikel 10 (1) Die gesellschaftlichen Organisationen vereinigen in sich verschiedene Schichten der Bevölkerung und ziehen sie zum Aufbau des Sozialismus heran, bringen ihre besonderen Interessen zum Ausdruck und schützen sie und fördern auch ihr sozialistisches Bewußtsein.

(2) Die gesellschaftlichen Organisationen werden immer mehr die Staatsorgane bei Erfüllung deren Aufgaben unterstützen.

(3) Die gesellschaftlichen Organisationen üben diejenigen staatlichen Tätigkeiten aus, die ihnen gemäß ihrer Zustimmung zugewiesen werden.

Artikel 11 Die Vaterländische Front verkörpert das Bündnis der Arbeiterklasse mit den werktätigen Bauern und der Volksintelligenz. Sie ist die Stütze der Volksmacht, die Massenschule für patriotische und kommunistische Erziehung der Bevölkerung und sie wirkt für die Heranziehung der Werktätigen an die Verwaltung des Landes.

Artikel 12 Die Volksrepublik Bulgarien gehört zur sozialistischen Weltgemeinschaft, welche eine der Hauptbedingungen für ihre Unabhängigkeit und ihre allseitige Entwicklung ist.

Kapitel II
Der gesellschaftliche und wirtschaftliche Aufbau

Artikel 13 (1) Das Wirtschaftssystem der Volksrepublik Bulgarien ist sozialistisch. Es gründet sich auf das gesellschaftliche Eigentum an den Produktionsmitteln, schließt die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen aus und entwickelt sich planmäßig zu einer kommunistischen Wirtschaft.

(2) Die entwickelte sozialistische Wirtschaft bildet die Basis für den allseitigen Fortschritt der Gesellschaft und der Herausbildung der freien Persönlichkeit, für die Erweiterung der sozialistischen Demokratie. für den Wohlstand des Volkes und den Aufschwung der Heimat.

(3) Die Wirtschaft der Volksrepublik Bulgarien entwickelt sich als ein Teil des sozialistischen Weltwirtschaftssystems.

Artikel 14 Die Eigentumsformen in der Volksrepublik Bulgarien sind: staatliches Eigentum (allgemeines Volkseigentum), genossenschaftliches Eigentum, das Eigentum der gesellschaftlichen Organisationen und das persönliche Eigentum.

Artikel 15 (1) Das staatliche Eigentum (allgemeines Volkseigentum) ist die höchste Form des sozialistischen Eigentums und bildet einen einheitlichen Fonds. Es beeinflußt durch seinen sozialistischen Charakter das genossenschaftliche Eigentum und das Eigentum der gesellschaftlichen Organisation und genießt einen besonderen Schutz.

(2) Die Formen des gesellschaftlichen Eigentums entwickeln sich und nähern sich allmählich einander an, bis sie zuletzt in das einheitliche allgemeine Volkseigentum hineinwachsen.

Artikel 16 (1) Betriebe und Fabriken, Banken, Bodenschätze, natürliche Energiequellen, Kernenergie, Wälder, Weideplätze, Gewässer, Verkehrswege, Eisenbahn-. Wasser- und Lufttransport, Post, Telegraph, Telephon, Rundfunk und Fernsehen sind staatliches Eigentum (Volkseigentum).

(2) Genossenschaften und gesellschaftliche Organisationen können in den gesetzlich vorgesehenen Fällen Produktionsmittel und anderes Vermögen besitzen.

Artikel 17 (1) Der Staat übt sein Eigentumsrecht aus, indem er wirtschaftliche und andere Organisationen gründet und sich an staatlich-genossenschaftlichen Unternehmen beteiligt, denen Vermögen zur Bewirtschaftung und Verwaltung übertragen wird, und auch durch die Tätigkeit dieser Organisationen zwecks Ausübung seiner vorbehaltenen oder erworbenen Rechte.

(2) Der Staat kann das Nutzungsrecht an bestimmten staatlichen Vermögen den genossenschaftlichen und gesellschaftlichen Organisationen oder auch Bürgern abtreten.

(3) Die Nutzung der Bestände der Wälder, Weideplätze, Gewässer und Gruben durch genossenschaftliche Organisationen und Bürger wird gesetzlich geregelt.

Artikel 18 Die Staatlichen Wirtschaftsorganisationen üben ihre Tätigkeit gemäß dem Grundsatz der wirtschaftlichen Rechnungsführung aus.

Artikel 19 (1) Das genossenschaftliche Eigentum gehört den Kollektiven der Werktätigen, die sich freiwillig vereinigen, um ihre wirtschaftliche Tätigkeit gemeinsam auszuüben, den Verbänden der Genossenschaften und den zwischengenossenschaftlichen Organisationen.

(2) Das genossenschaftliche Eigentum wird im Interesse der Genossenschaft und der Genossenschaftler ausgeübt.

Artikel 20 (1) Das Eigentum der gesellschaftlichen Organisationen dient der Verwirklichung ihrer Ziele einschließlich der Ausübung der ihnen von Staatsorganen zugewiesenen Tätigkeiten sowie der Befriedigung der gesellschaftlichen Interessen.

(2) Die gesellschaftlichen Organisationen können in den gesetzlich vorgesehenen Fällen eine wirtschaftliche Tätigkeit entsprechend ihren Zielen ausüben.

Artikel 21 (1) Die Bürger der Volksrepublik Bulgarien haben das Recht auf persönliches Eigentum am Vermögen und an Sachen, die zur Befriedigung der eigenen und der Familieninteressen dienen.

(2) Zum persönlichen Eigentum gehören die kleingewerblichen Produktionsmittel, die Produktionsmittel der Mitglieder der Genossenschaften, die ihr Hofland bearbeiten sowie die kleingewerblichen Produktionsmittel, die zur Ausübung von häuslicher Produktion seitens der Werktätigen genutzt werden. Die Art und der Umfang der kleingewerblichen Produktionsmittel. die einer Hilfswirtschaft zustehen können, werden durch Gesetz geregelt.

(3) Zur Befriedigung der Bürger an Wohnungen wird der Staat das Baurecht am staatlichen Boden gewähren und Kredite bereitstellen.

(4) Das durch Arbeit und auf andere gesetzmäßige Weise erworbene persönliche Eigentum, einschließlich der Ersparnisse. genießt den Schutz des Staates.

(5) Das Recht auf persönliches Eigentum darf nur durch ein Gesetz oder durch Zustimmung des Eigentümers belastet oder beschränkt werden.

(6) Die Bürger dürfen nicht das Recht auf persönliches Eigentum sowie andere Vermögensrechte zum Schaden gesellschaftlicher Interessen ausnutzen.

Artikel 22 (1) Der Staat leitet die Volkswirtschaft und andere Gebiete des gesellschaftlichen Lebens mittels eines einheitlichen Plans der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung mit dem Ziel. die ständig wachsenden materiellen und kulturellen Bedürfnisse der Bürger voll zu befriedigen.

(2) In seiner Tätigkeit stützt sich der Staat auf die Initiative und die schöpferische Mitwirkung der Arbeitskollektive, auf die wissenschaftlichen Institutionen und gesellschaftlichen Organisationen und nutzt die moralischen Stimuli sowie auch die kollektiven und individuellen materiellen Anreize aus.

(3) Bei der Aufstellung und Durchführung der Pläne für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung nutzt der Staat die großen Errungenschaften der Wissenschaft und Technik, die Arbeits- und materiellen Ressourcen sowie auch die Vorteile der internationalen sozialistischen Arbeitsteilung.

(4) Der Staatshaushalt gründet sich auf den einheitlichen Plan der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung.

Artikel 23 (1) Der Staat fördert die Genossenschaften und ihre Verbände und gewährt ihnen bei ihrer Tätigkeit Hilfe.

(2) Der Staat gewährt den landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften allseitige Unterstützung.

Artikel 24 Die Kollektive der Werktätigen beteiligen sich unmittelbar oder mittels der von ihnen gewählten Organe an der Leitung der wirtschaftlichen Tätigkeit.

Artikel 25 Bürger dürfen mittels ihrer persönlichen Arbeit und der Arbeit ihrer Familienangehörigen unter den gesetzlich festgelegten Bedingungen eine landwirtschaftliche, gewerbliche oder eine andere wirtschaftliche Tätigkeit ausüben. Das Gesetz bestimmt, welche Produktionsmittel diese Bürger besitzen dürfen.

Artikel 26 (1) Die Urheberrechte an Werken der Wissenschaft, Literatur und Kunst sowie auch Rechte der Erfinder und Rationalisatoren werden vom Staat geschützt.

(2) Der Staat, die Genossenschaften und die gesellschaftlichen Organisationen schaffen die Bedingungen zur Ausweitung der schöpferischen Tätigkeit und Verwertung von Werken der Urheber. Erfinder und Rationalisatoren zugunsten der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung der Gesellschaft.

(3) Urheber. Erfinder und Rationalisatoren dürfen ihre Rechte nicht zum Schaden gesellschaftlicher Interessen mißbrauchen.

Artikel 27 Das Erbrecht wird anerkannt und garantiert.

Artikel 28 Der Staat kann das Eigentumsrecht am Vermögen der Bürger. Genossenschaften oder gesellschaftlichen Organisationen zugunsten des Staates oder der Gesellschaft gegen eine gerechte Entschädigung beschränken oder enteignen. Das Verfahren der Enteignung und Entschädigung wird durch Gesetz geregelt.

Artikel 29 (1) Durch Gesetz kann bestimmt werden, daß dem Staat das ausschließliche Recht auf Ausübung einzelner Arten der wirtschaftlichen Tätigkeit zusteht.

(2) Der Staat besitzt das ausschließliche Recht auf Außenhandel.

Artikel 30 (1) Der Boden wird als grundlegender Naturreichtum und als Produktionsmittel geschützt und in der für die Gesellschaft günstigsten Weise genutzt.

(2) Die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften nutzen den von Genossenschaftlern und anderen Personen und Organisationen eingebrachten oder ihnen vom Staat überlassenen Boden unentgeltlich.

(3) Die Bestimmungen über die landwirtschaftlich genutzten Böden, Weideplätze und Wälder können in einem gesetzlich geregelten Verfahren geändert werden.

Artikel 31 Schutz und Pflege der Natur und der Naturschätze, der Gewässer. der Luft, des Bodens und der Kulturdenkmäler obliegt den Staatsorganen, den Staatsunternehmen, den Genossenschaften und den gesellschaftlichen Organisationen und ist Pflicht jedes Bürgers.

Artikel 32 (1) Die Arbeit ist ein gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Grundfaktor.

(2) In der Volksrepublik Bulgarien gilt das sozialistische Prinzip „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung. Die gesellschaftlichen Fonds zur Befriedigung von Bedürfnissen der Bürger werden laufend vergrößert.

(3) Der Staat gewährleistet den Bürgern die Verbesserung ihrer Berufsausbildung und Produktionserfahrung. Der Arbeitsschutz wird gesetzlich geregelt.

Artikel 33 (1) Der Staat schafft die erforderlichen Bedingungen für die Entwicklung der Wissenschaft und der Technik mit dem Ziel der Sicherung der wissenschaftlichen Leitung der Gesellschaft, des wissenschaftlich-technischen Fortschritts und des allseitigen Wachstums der Wirtschaft und der Kultur.

(2) Die Einführung von Errungenschaften der Wissenschaft und der Technik auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens obliegt den staatlichen Organen, wirtschaftlichen und anderen gesellschaftlichen Organisationen sowie allen Bürgern.

Kapitel III
Die Grundrechte und Grundpflichten der Bürger

Artikel 34 Der Erwerb und Verlust der bulgarischen Staatsangehörigkeit erfolgt in dem gesetzlich geregelten Verfahren.

Artikel 35 (1) Alle Bürger der Volksrepublik Bulgarien sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Es werden keinerlei Vorrechte oder Beschränkungen infolge von Nationalität, Abstammung, Religion, Geschlecht, Rasse, Bildung oder gesellschaftlicher und materieller Stellung zugelassen.

(3) Der Staat sichert die Gleichberechtigung der Bürger, indem er die Bedingungen und Möglichkeiten für die Ausübung ihrer Rechte und für die Erfüllung ihrer Pflichten schafft.

(4) Jegliche Propaganda des Hasses oder der Erniedrigung von Menschen wegen ihrer Rasse, Nationalität oder Religon ist verboten und wird bestraft.

Artikel 36 Frau und Mann sind in der Volksrepublik Bulgarien gleichberechtigt.

Artikel 37 Die Frau als Mutter genießt die besondere Förderung und Fürsorge seitens des Staates und der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Organisationen. indem ihr vor und nach der Entbindung bezahlter Urlaub. unentgeltliche Entbindungs- und medizinische Hilfe, Entbindungsheime, Arbeitserleichterung, die Verbreitung des Netzes von Kinderheimen, von Unternehmen für kommunale Angelegenheiten und Dienstleistungen und gesellschaftlicher Schutz zugesichert wird.

Artikel 38 (1) Ehe und Familie stehen unter dem Schutz des Staates.

(2) Gesetzlich ist nur die zivile Ehe.

(3) Die Ehepartner besitzen in der Ehe und in der Familie die gleichen Rechte und Pflichten. Die Eltern sind berechtigt und verpflichtet, ihre Kinder großzuziehen und für ihre kommunistische Erziehung zu sorgen.

(4) Die außerehelich geborenen Kinder haben die gleichen Rechte wie die in der Ehe geborenen Kinder.

Artikel 39 (1) Die Erziehung der Jugend im Geiste des Kommunismus ist eine Pflicht der ganzen Gesellschaft.

(2) Familie, Schule. Staatsorgane und gesellschaftliche Organisationen wenden ihre besondere Sorgfalt der intellektuellen, moralischen, ästhetischen, kulturellen und körperlichen Entwicklung der Jugend zu sowie ihrer Erziehung zur Arbeit und polytechnischer Bildung.

(3) Die Jugend genießt besonderen Schutz.

Artikel 40 (1) Die Bürger haben das Recht auf Arbeit.

(2) Jeder Bürger hat das Recht auf freie Berufswahl.

(3) Der Staat sichert die Verwirklichung des Rechtes auf Arbeit, indem er das sozialistische gesellschaftliche und wirtschaftliche System entwickelt.

Artikel 41 (1) Die Entlohnung der Arbeit erfolgt nach ihrer Quantität und Qualität.

(2) Die Werktätigen haben das Recht auf unfallsichere und für die Gesundheit unschädliche Arbeitsbedingungen, die durch die Einführung von Errungenschaften der Wissenschaft und Technik gewährleistet werden.

Artikel 42 (1) Die Bürger haben das Recht auf Erholung.

(2) Dieses Recht wird durch die Verringerung der Arbeitszeit bei unverminderter Arbeitsentlohnung und Beibehaltung anderer Arbeitsrechte, durch Gewährung eines bezahlten Jahresurlaubs sowie durch Schaffung eines umfangreichen Netzes von Erholungsheimen, Klubs, Volkslesehallen, Kulturhäusern und anderen der Erholung und Kultur dienenden Einrichtungen gewährleistet.

Artikel 43 (1) Die Bürger haben das Recht auf Versicherung, Pension und Unterstützung im Falle der Arbeitsunfähigkeit infolge von Krankheit, Unfall, Mutterschaft. Invalidität, Alter oder Tod und im Hinblick auf die Kinder sowie auf Beihilfe in den gesetzlich vorgesehenen Fällen.

(2) Dieses Recht wird durch die einheitliche allgemeine Sozialversicherung und die Bereitstellung der erforderlichen Mittel aus dem Volkseinkommen zur Finanzierung der Versicherung gewährleistet.

(3) Die Versicherten sind an der Verwaltung der Sozialversicherung beteiligt.

Artikel 44 Minderjährige. Nichtvolljährige, Arbeitsunfähige und Alte, die keine Angehörigen haben oder ohne Angehörigenhilfe bleiben, genießen den besonderen Schutz des Staates und der Gesellschaft.

Artikel 45 (1) Bürger haben das Recht auf unentgeltliche Bildung in allen Arten und Stufen von Lehranstalten unter den gesetzlich vorgesehenen Bedingungen.

(2) Lehranstalten sind staatlich.

(3) Die Bildung gründet sich auf die Erkenntnisse der modernen Wissenschaft und auf die marxistisch-leninistische Ideologie.

(4) Die Grundschulbildung ist obligatorisch.

(5) Der Staat schafft die Bedingungen zur Verwirklichung der allgemeinen mittleren Bildung.

(6) Der Staat fördert die Bildung, schafft die Bedingungen für die Tätigkeit der Lehranstalten, gewährt Stipendien und fördert besonders begabte Lernende.

(7) Bürger nichtbulgarischer Abstammung haben das Recht, außer der obligatorischen Erlernung der bulgarischen Sprache auch ihre eigene Sprache zu erlernen.

Artikel 46 (1) Die schöpferischen Leistungen auf dem Gebiete der Wissenschaft, der Kunst und der Kultur dienen dem Volk und entwickeln sich im Geiste des Kommunismus.

(2) Der Staat wendet besondere Sorgfalt der Entwicklung der Wissenschaft, Kunst und Kultur zu, indem er höhere Lehranstalten, wissenschaftliche Forschungseinrichtungen, Buchverlage, Bibliotheken, Museen, Kunstgalerien, Theater, Kinos, Rundfunk und Fernsehen einrichtet.

Artikel 47 (1) Der Staat wendet seine allseitigen Bemühungen der Volksgesundheit zu, indem er therapeutisch-prophylaktische und andere Gesundheitsanstalten und Gesundheitsdienste einrichtet.

(2) Der Staat und die gesellschaftlichen Organisationen fördern die Gesundheitsaufklärung und die Gesundheitspflege im Volke und unterstützt die Entwicklung der körperlichen Ertüchtigung und den Tourismus.

(3) Jeder Bürger hat das Recht auf unentgeltliche ärztliche Hilfe.

(4) Der Staat und die gesellschaftlichen Organisationen wenden ihre besondere Sorgfalt der Gesundheit der Kinder und der Jugendlichen zu.

Artikel 48 (1) Die Freiheit und die Unverletzlichkeit der Person werden garantiert.

(2) Niemand darf ohne Beschluß des Gerichts oder des Staatsanwalts länger als 24 Stunden in Haft behalten werden.

Artikel 49 Die Wohnung ist unverletzlich. Niemand darf ohne Einwilligung des Wohnungsinhabers dessen Wohnung oder Räume betreten oder darin eine Durchsuchung vornehmen, es sei denn in gesetzlich vorgesehenen Fällen und unter Einhaltung der gesetzlich hierfür vorgesehenen Bedingungen.

Artikel 50 Jeder Bürger hat das Recht auf Schutz gegen gesetzwidrige Eingriffe in sein persönliches oder sein Familienleben und gegen Angriffe auf seine Ehre oder seinen guten Namen.

Artikel 51 Das Geheimnis der Korrespondenz, der Telefongespräche und der Fernmitteilungen sind unverletzlich, außer im Falle der Mobilmachung oder des Kriegszustandes oder aufgrund einer Anordnung des Gerichts oder des Staatsanwalts.

Artikel 52 (1) Die Bürger können Organisationen zu politischen, beruflichen, kulturellen, künstlerischen, wissenschaftlichen, religiösen, sportlichen und anderen nichtwirtschaftlichen Zwecken gründen.

(2) Die Bürger können sich in Genossenschaften zur gemeinsamen wirtschaftlichen Tätigkeit vereinigen.

(3) Die Gründung von Organisationen, die sich gegen die sozialistische Verfassung der Volksrepublik Bulgarien und gegen die Rechte der Bürger richten oder faschistische und andere antidemokratische Ideologien propagieren, ist verboten.

(4) Die gesellschaftlichen Organisationen können sich zu Verbänden oder anderen Vereinigungen zusammenschließen.

Artikel 53 (1) Den Bürgern wird die Gewissensfreiheit und die Glaubensfreiheit gewährleistet. Sie können religiöse Handlungen ausüben oder auch antireligiöse Propaganda betreiben.

(2) Die Kirche ist vom Staat getrennt.

(3) Die Rechtsstellung, die Frage der materiellen Versorgung sowie das Recht auf Regelung der inneren Verfassung und der Selbstverwaltung der einzelnen Religionsgemeinschaften wird gesetzlich geregelt.

(4) Der Mißbrauch von Kirche und Religion zu politischen Zwecken sowie die Bildung von politischen Organisationen auf religiöser Grundlage sind verboten.

(5) Die Religion kann nicht einen Grund zur Verweigerung der Erfüllung von Pflichten bilden, die von der Verfassung oder von den Gesetzen auferlegt werden.

Artikel 54 (1) Die Bürger besitzen die Rede-, Presse-. Versammlungs-, Kundgebungs- und Manifestationsfreiheit.

(2) Diese Freiheiten werden gewährleistet, indem den Bürgern die hierfür erforderlichen materiellen Bedingungen geschaffen werden.

Artikel 55 Die Bürger haben das Recht auf Anträge, Beschwerden und Vorschläge. Dieses Recht wird im gesetzlich geregelten Verfahren ausgeübt.

Artikel 56 (1) Der Staat haftet für Schäden, die durch gesetzwidrige Akte oder gesetzwidrige Diensthandlungen seiner Organe oder seiner Staatsfunktionäre verursacht wurden.

(2) Jeder Bürger hat das Recht zu verlangen, daß Staatsfunktionäre wegen Straftaten, die sie bei Ausübung ihrer Dienstpflichten begangen haben, vor Gericht gestellt werden.

(3) Die Bürger haben gemäß den gesetzlich festgelegten Bedingungen das Recht, von Staatsfunktionären den Ersatz des Schadens zu verlangen, der ihnen von diesen durch gesetzwidrige Dienstausübung zugefügt wurde.

Artikel 57 Die Bürger Bulgariens genießen im Ausland den Schutz der Volksrepublik Bulgarien und sind verpflichtet, ihre Pflichten ihr gegenüber zu erfüllen.

Artikel 58 Die Bürger sind verpflichtet, die Verfassung und die Gesetze des Landes genau und gewissenhaft einzuhalten.

Artikel 59 (1) Jeder arbeitsfähige Bürger ist verpflichtet, entsprechend seinen Fähigkeiten und seiner Ausbildung eine gesellschaftlich nützliche Arbeitstätigkeit auszuüben,

(2) Die Erfüllung der Arbeitspflicht ist Ehrensache eines jeden Mitglieds der sozialistischen Gesellschaft.

Artikel 60 Der Bürger ist verpflichtet, das sozialistische Eigentum als eine unantastbare Grundlage der sozialistischen Gesellschaftsordnung zu schützen und zu vermehren, zur Stärkung der politischen, wirtschaftlichen und Verteidigungsmacht des Heimatlandes und zur Entwicklung der Kultur und des Wohlstandes des Volkes beizutragen.

Artikel 61 (1) Die Verteidigung des Vaterlandes ist die oberste Pflicht und Ehrensache jedes Bürgers.

(2) Hoch- und Landesverrat sind die schwersten Verbrechen gegenüber dem Volk. Sie werden mit der ganzen Strenge des Gesetzes bestraft.

Artikel 62 Der Wehrdienst verpflichtet alle Bürger entsprechend den Gesetzen.

Artikel 63 (1) Jeder Bürger ist verpflichtet, zur Sicherung und Festigung des Friedens beizutragen.

(2) Kriegsanstiftung und Kriegspropaganda sind die schwersten Straftaten gegen den Frieden und die Menschheit. Sie sind verboten und gesetzlich strafbar.

Artikel 64 Die steuerlichen Verpflichtungen der Bürger werden gesetzlich entsprechend ihrem Einkommen und ihrem Vermögen geregelt.

Artikel 65 Die Volksrepublik Bulgarien gewährt das Asylrecht denjenigen Ausländern, die wegen ihres Eintretens für die Interessen der Werktätigen, ihrer Teilnahme am nationalen Befreiungskampf, ihrer fortschrittlichen politischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Betätigung, ihres Kampfes gegen Rassendiskriminierung oder für die Friedenssicherung verfolgt werden.

Kapitel IV
Die Volksversammlung

Artikel 66 (1) Die Volksversammlung ist das oberste Vertretungsorgan, das den Willen des Volkes und seine Souveränität verkörpert.

(2) Die Volksversammlung ist das oberste Organ der Staatsgewalt.

Artikel 67 Die Volksversammlung vereinigt die gesetzgebende und die vollziehende Tätigkeit des Staates und übt die oberste Kontrolle aus.

Artikel 68 Die Volksversammlung besteht aus 400 Volksvertretern, die in Wahlbezirken mit gleicher Einwohnerzahl gewählt werden.

Artikel 69 (1) Die Vollmachten der Volksversammlung enden mit dem Ablauf der Zeit, für die sie gewählt wurde.

(2) Die Volksversammlung kann sich vor Ablauf ihrer Vollmachten selbst auflösen. In diesem Fall setzt sie ihre Tätigkeit bis zu den Neuwahlen fort.

(3) Die Volksversammlung kann die Frist ihrer Vollmachten verlängern, wenn diese während eines Krieges oder anderer außergewöhnhicher Umstände endet. Sie kann ihre Vollmachten auch verlängern, wenn der Kriegszustand ausgerufen ist oder andere außergewöhnliche Umstände während der Wahlzeit eintreten. In diesen Fällen werden Wahlen zur neuen Volksversammlung innerhalb von sechs Monaten nach dem Wegfall der Ursachen der Mandatsverlängerung durchgeführt.

(4) Die Volksversammlung kann auch aus anderen wichtigen Gründen ihre Vollmachten bis zur Dauer eines Jahres verlängern.

Artikel 70 (1) Die Wahlen zur Volksversammlung werden spätestens zwei Monate nach dem Erlöschen ihrer Vollmachten durchgeführt.

(2) Die neugewählte Volksversammlung ist spätestens einen Monat nach dem Wahltag zur Tagung einzuberufen.

Artikel 71 (1) Die Volksversammlung wird zu ihren Tagungen mindestens dreimal im Jahr vom Staatsrat einberufen.

(2) Der Staatsrat beruft die Volksversammlung zu einer Tagung auch auf Verlangen von mehr als einem Fünftel der Volksvertreter ein.

Artikel 72 Die erste Tagung der neugewählten Volksversammlung wird vom ältesten Volksvertreter eröffnet. Unter seinem Vorsitz wählen die Volksvertreter den Vorsitzenden und die stellvertretenden Vorsitzenden der Volksversammlung.

Artikel 73 (1) Der Vorsitzende der Volksversammlung
a) leitet die Sitzungen der Volksversammlung;
b) legt den Entwurf der Tagesordnung der Sitzung der Volksversammlung vor;
c) beglaubigt mit seiner Unterschrift die Texte der von der Volksversammlung verabschiedeten Akte:
d) organisiert internationale Beziehungen der Volksversammlung.

(2) Der Vorsitzende der Volksversammlung kann die Ausübung dieser Tätigkeit einem stellvertretenden Vorsitzenden übertragen.

Artikel 74 (1) Die Volksversammlung prüft selbst die Gesetzmäßigkeit der Wahl der Volksvertreter. Zu diesem Zweck wählt sie auf der ersten Tagung aus ihrer Mitte eine Wahlprüfungskommission. die spätestens in der zweiten Tagung vor der Volksversammlung über die Gesetzmäßigkeit der Wahl berichtet. Diese Kommission wird auch bei den Teilwahlen der Volksvertreter tätig.

(2) Stellt die Volksversammlung fest, daß bei der Durchführung der Wahl ein Gesetz verletzt worden ist, so erklärt sie diese für nichtig.

(3) Die Volksvertreter leisten vor der Volksversammlung den Eid.

Artikel 75 Die Volksversammlung legt selbst ihre innere Organisation und ihre Arbeitsweise in einer Geschäftsordnung fest.

Artikel 76 (1) Die Volksversammlung wählt aus ihrer Mitte ständige und zeitweilige Kommissionen, die ihre Organe sind. Sie leitet und kontrolliert deren Tätigkeit.

(2) Die Kommissionen sind der Volksversammlung für ihre Tätigkeit verantwortlich und rechenschaftspflichtig.

(3) Die ständigen Kommissionen unterstützen die Volksversammlung in ihrer Tätigkeit, sie führen in ihrem Namen die Kontrolle über die Ministerien und andere Ämter sowie über die örtlichen Staatsorgane durch, und wirken bei der Durchführung der von der Volksversammlung verabschiedeten Gesetze und anderen Akten mit.

(4) Die zeitweiligen Kommissionen werden für Angelegenheiten gewählt, die nicht von dauerhafter Natur sind, insbesondere für Zwecke der Untersuchungen und Befragungen.

(5) Alle Staatsorgane. Staatsfunktionäre, gesellschaftliche Organisationen und Bürger sind verpflichtet, den Kommissionen die erforderlichen Informationen und Dokumente, die im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit stehen, zur Verfügung zu stellen.

Artikel 77 Die Volksversammlung ist das einzige gesetzgebende Organ der Volksrepublik Bulgarien und der oberste Organisator der planmäßigen Leitung der gesellschaftlichen Entwicklung.

Artikel 78 Die Volksversammlung
1. übt die oberste Leitung hinsichtlich der Innen- und Außenpolitik des Staates aus;
2. beschließt und ändert die Verfassung;
3. entscheidet, über welche Fragen und auf welche Weise eine allgemeine Volksbefragung durchgeführt wird;
4. verabschiedet, ändert und hebt Gesetze auf;
5. trifft Maßnahmen zur Durchführung von Gesetzen und ihrer übrigen Akte;
6. beschließt über die einheitlichen Pläne der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung des Landes und über Rechenschaftsberichte zu deren Erfüllung;
7. beschließt über den Staatshaushaltsplan und den Rechenschaftsbericht der Regierung. über die Erfüllung des Haushaltsplans des vergangenen Jahres;
8. bestimmt die Steuern und deren Höhe. Sie kann die Feststellung der Höhe von Steuern, die von staatlichen Organisationen zu erheben sind, dem Ministerrat übertragen;
9. erläßt Amnestien;
10. entscheidet über Kriegserklärung und Friedensschluß;
11. ernennt und entläßt den Oberbefehlshaber der Streitkräfte;
12. entscheidet über Grenzänderungen der Volksrepublik Bulgarien;
13. ratifiziert und kündigt internationale Abkommen;
14. beschließt die Errichtung, Auflösung, Zusammenlegung oder Umbenennung von Ministerien und anderen Verwaltungen im Range eines Ministeriums.
Sie kann auch staatlich-gesellschaftliche Organe im Range eines Ministeriums errichten;
15. bestimmt die Aufgaben und den Aufbau des Staatsrates, des Ministerrates, der Volksräte. der Gerichte und der Staatsanwaltschaft. Sie kann auch im System des Ministerrates seine Organe für die Leitung und Koordinierung der Staatsverwaltung errichten und bestimmen, welche von deren Entscheidungen die Kraft von Regierungsakten besitzen;
16. wählt und abberuft den Staatsrat, den Ministerrat. das Oberste Gericht und den Obersten Staatsanwalt der Volksrepublik;
17. übt die oberste Kontrolle über die Einhaltung der Verfassung und der Gesetze aus;
18. übt die oberste Kontrolle über die Tätigkeit der Staatsorgane aus;
19. kann mit Einwilligung der gesellschaftlichen Organisationen ihnen die Ausübung bestimmter staatlicher Aufgaben übertragen.

Artikel 79 (1) Die Volksversammlung verabschiedet Gesetze, Beschlüsse, Deklarationen und Aufrufe.

(2) Die Gesetze und Beschlüsse der Volksversammlung sind für alle Staatsorgane, gesellschaftliche Organisationen und Personen rechtsverbindlich.

Artikel 80 (1) Das Recht der Gesetzesinitiative steht dem Staatsrat, dem Ministerrat, den ständigen Kommissionen der Volksversammlung, den Volksvertretern, dem Obersten Gericht und dem Obersten Staatsanwalt zu.

(2) Das Recht der Gesetzesinitiative besitzen auch die gesellschaftlichen Organisationen, wie der Nationalrat der Vaterländischen Front, der Zentralrat der Gewerkschaften, das Zentralkomitee des Dimitrovschen Kommunistischen Jugendverbandes und der Verwaltungsrat des Zentralen Genossenschaftsverbandes in Fragen, die sich auf ihre Tätigkeit beziehen.

Artikel 81 Die Volksversammlung kann eine Tagung abhalten, wenn mehr als die Hälfte aller Volksvertreter anwesend ist. Ihre Beschlüsse werden mit einfacher Stimmenmehrheit der anwesenden Volksvertreter gefaßt. sofern die Verfassung keine andere Stimmenmehrheit verlangt.

Artikel 82 Die Sitzungen der Volksversammlung sind öffentlich, sofern sie nicht beschließt, daß wegen gewichtiger Staatsinteressen der Ausschluß der Öffentlichkeit erforderlich ist.

Artikel 83 (1) Die Gesetzentwürfe werden in zwei Lesungen verabschiedet, die in verschiedenen Sitzungen erfolgen. Nach Annahme in der ersten Lesung wird ein Gesetzesentwurf, bevor die zweite Lesung stattfindet, der zuständigen Kommission zur ergänzenden Prüfung vorgelegt

(2) Gemäß dem Beschluß der Volksversammlung können beide Lesungen in einer Sitzung und ohne Vorlage zur ergänzenden Prüfung in den Kommissionen durchgeführt werden.

Artikel 84 (1) Die von der Volksversammlung verabschiedeten Gesetze, Beschlüsse, Deklarationen und Aufrufe werden durch den Staatsrat nicht später als 15 Tage nach ihrer Verabschiedung im ‚.Darzaven Vestnik verkündet.

(2) Ein Gesetz tritt drei Tage nach seiner Verkündung in Kraft, sofern im Gesetz keine andere Frist festgelegt wird.

(3) Die übrigen Akte der Volksversammlung treten gleichzeitig mit ihrer Verabschiedung durch die Volksversammlung in Kraft.

Artikel 85 (1) Die Volksversammlung stellt sicher, daß die Gesetze nicht der Verfassung widersprechen.

(2) Sie entscheidet selbst darüber, ob ein Gesetz der Verfassung widerspricht und ob alle nach der Verfassung erforderlichen Bedingungen bei seiner Verabschiedung eingehalten worden sind.

Artikel 86 Die Volksvertreter richten sich in ihrer Tätigkeit nach den Interessen des ganzen Volkes und nach den Interessen ihrer Wähler.

Artikel 87 (1) Die Volksvertreter haben das Recht, Anfragen an den Ministerrat oder an dessen einzelne Mitglieder zu richten, die zur Beantwortung der Anfragen verpflichtet sind.

(2) Auf Anfragen, die in der Tagung eingebracht werden, wird in derselben oder auf Beschluß der Volksversammlung in der nächsten Tagung geantwortet.

(3) Auf Anfragen, die zwischen den Tagungen eingebracht werden, ist in der nächsten Tagung zu antworten.

(4) Falls es die Volksversammlung befindet, so kann die Anfrage näher erörtert und darüber ein Beschluß gefaßt werden.

Artikel 88 Die Volksvertreter dürfen nicht festgenommen werden, und es darf gegen sie kein Strafverfahren eingeleitet werden, außer bei schweren Verbrechen, und dies nur mit Zustimmung der Volksversammlung oder, wenn diese nicht tagt, mit Zustimmung des Staatsrates. Einer Zustimmung zur Festnahme bedarf es nicht, wenn die Ergreifung bei einem schweren Verbrechen erfolgt, wobei die Volksversammlung oder, wenn sie nicht tagt, der Staatsrat unverzüglich von der Festnahme zu benachrichtigen ist.

Artikel 89 Die Volksvertreter sind für ihre Meinungsäußerungen und ihre Abstimmungen in der Volksversammlung weder strafrechtlich noch disziplinarisch verantwortlich.

Kapitel V
Der Staatsrat

Artikel 90 (1) Der Staatsrat der Volksrepublik Bulgarien ist das höchste ständig tagende Organ der Staatsmacht, das die Fassung von Beschlüssen mit deren Durchführung verbindet.

(2) Als oberstes Organ der Volksversammlung sichert er die Verknüpfung der gesetzgebenden Tätigkeit mit der vollziehenden Tätigkeit.

(3) Er ist der Volksversammlung gegenüber für seine gesamte Tätigkeit verantwortlich und rechenschaftspflichtig.

Artikel 91 Im Rahmen der Verfassung organisiert und kontrolliert der Staatsrat die Durchführung von Hauptaufgaben, die sich aus den Gesetzen und Beschlüssen der Volksversammlung ergeben, übt die allgemeine Leitung und Kontrolle über die Tätigkeit des Ministerrats und der übrigen Staatsorgane aus, faßt Beschlüsse und übt die vollziehende und verfügende Tätigkeit hinsichtlich der Kernfragen der Staatsverwaltung aus.

Artikel 92 (1) Der Staatsrat besteht aus dem Vorsitzenden, seinen Stellvertretern, dem Sekretär und den Mitgliedern.

(2) Die Volksversammlung wählt den Staatsrat in der ersten Sitzung aus der Mitte der Volksvertreter mit der Stimmenmehrheit von mehr als der Hälfte aller Volksvertreter.

(3) Die Vollmachten des Staatsrates bestehen bis zur Wahl eines neuen Staatsrates durch die neugewählte Volksversammlung.

(4) Die Mitglieder des Staatsrates leisten vor der Volksversammlung den Eid.

Artikel 93 Der Staatsrat
1. schreibt die Wahlen für die Volksversammlung und die Volksräte aus;
2. legt aufgrund eines Beschlusses der Volksversammlung, der darüber bestimmt, in welchen Fragen und auf welche Weise eine Volksbefragung durchgeführt werden soll, das Datum für die Durchführung derselben fest;
3. beruft die Volksversammlung zu Tagungen ein; beruft die Volksversammlung, deren Mandat abgelaufen ist, ein und entscheidet über die Frage einer Verlängerung ihrer Vollmachten;
4. übt das Recht der Gesetzgebungsinitiative aus;
5. entscheidet darüber, welche Gesetzentwürfe, die der Volksversammlung vorgelegt werden, der Volksdiskussion unterbreitet werden sollen;
6. verkündet die von der Volksversammlung verabschiedeten Akte im „Darzaven Vestnik“;
7. verabschiedet Erlasse und andere Rechtsakte in grundsätzlichen Fragen, die sich aus den Gesetzen und Beschlüssen der Volksversammlung ergeben;
8. gibt allgemeinverbindliche Auslegungen der Gesetze und der Normativerlasse;
9. übt die allgemeine Leitung hinsichtlich der Verteidigung und der Sicherheit
des Landes aus;
10. ernennt und entläßt die Mitglieder des Staatlichen Verteidigungskomitees;
11. ernennt und entläßt den obersten Kommandobestand der Streitkräfte und verleiht die höchsten Dienstgrade:
12. vertritt die Volksrepublik Bulgarien in ihren internationalen Beziehungen;
13. ernennt und entläßt auf Vorschlag des Ministerrates die diplomatischen und konsularischen Vertreter der Volksrepublik Bulgarien in anderen Ländern;
14. ratifiziert und kündigt internationale Abkommen;
15. führt die diplomatischen und konsularischen Ränge ein;
16. errichtet Behörden unter dem Rang der Ministerien und löst sie auf sowie ernennt und entläßt ihre Leiter:
17. übt Kontrolle über die Tätigkeit des Ministerrates und der Leiter von Ministerien sowie über andere Verwaltungen aus:
18. übt Kontrolle über die genaue Einhaltung der Gesetze und anderer Akte der Volksversammlung sowie über die von ihm selbst erlassenen Akte;
19. hebt gesetzwidrige oder fehlerhafte Akte des Ministerrates und der Leiter der Ministerien und anderer Verwaltungen auf:
20. hebt die gesetzwidrigen oder fehlerhaften Akte der Volksräte und ihrer vollziehenden und verfügenden Organe auf:
21. übt das Begnadigungsrecht aus:
22. erläßt nicht beitreibbare staatliche Schulden;
23. stiftet und verleiht Orden und Medaillen;
24. stiftet und verleiht Ehrentitel;
25. bildet territoriale Verwaltungseinheiten und schafft sie ab: ändert Grenzen von Gemeinden. Stadt-Rayons und den Bezirken. legt ihre Verwaltungszentren fest;
26. verleiht die bulgarische Staatsangehörigkeit, stellt sie wieder ein und erkennt sie ab;
27. verleiht das Asylrecht.

Artikel 94 Außer den im Artikel 93 erwähnten Machtbefugnissen besitzt der Staatsrat in der Periode zwischen den Tagungen der Volksversammlung noch folgende Machtbefugnisse:
1. er übt die allgemeine Leitung der Innen- und Außenpolitik des Staates aus;
2. ändert und ergänzt in dringenden Fällen durch Erlasse einzelne Bestimmungen der Gesetze; gibt Erlasse heraus, die sich auf grundsätzliche Fragen beziehen und die vollziehende und verfügende Tätigkeit des Staates betreffen; der Staatsrat legt die nach dieser Ziffer ergangenen Erlasse der nächsten Tagung der Volksversammlung zur Bestätigung vor;
3. nimmt die Tätigkeitsberichte des Ministerrates oder seiner Mitglieder entgegen und faßt darüber entsprechende Beschlüsse:
4. entläßt und ernennt auf Vorschlag des Vorsitzenden des Ministerrates einzelne Mitglieder des Ministerrates; dieser Beschluß muß in der nächsten Tagung der Volksversammlung zur Bestätigung vorgelegt werden;
5. ernennt und entläßt den Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Dieser Beschluß muß der Volksversammlung in der nächsten Tagung zur Bestätigung vorgelegt werden:
6. leitet und koordiniert die Tätigkeit der Volksräte und der vollziehenden und verfügenden Organe des Staates;
7. kontrolliert die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft;
8. erklärt die allgemeine oder teilweise Mobilmachung sowie den Kriegs- oder sonstigen Ausnahmezustand;
9. trifft Maßnahmen zu einer gemeinsamen Verteidigung mit anderen Ländern;
10. erklärt den Kriegszustand im Falle eines militärischen Angriffs auf die Volksrepublik Bulgarien oder wenn es zur unverzüglichen Erfüllung von internationalen Verpflichtungen zur gemeinsamen Verteidigung erforderlich ist. Der Staatsrat beruft die Volksversammlung zu einer Tagung ein, damit sie zu seinen Beschlüssen Stellung nimmt.

Artikel 95 Besteht unter den Kriegsverhältnissen keine Möglichkeit mehr zur Einberufung der Volksversammlung, so ist der Staatsrat über die ihm zustehenden Machtbefugnisse hinaus ermächtigt,
1. Erlasse herauszugeben, die Gesetze aufheben oder ändern oder auch die nicht in der Gesetzgebung geregelten Fragen regeln. Der Staatsrat hat diese Erlasse der Volksversammlung in der nächsten Tagung zur Bestätigung vorzulegen;
2. einheitliche Pläne über die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung und Haushaltspläne festzulegen sowie auch über die Berichte bezüglich ihrer Durchführung zu beschließen;
3. den Ministerrat, das Oberste Gericht und den Obersten Staatsanwalt zu wählen oder abzuberufen.

Artikel 96 (1) Der Vorsitzende des Staatsrates
1. organisiert und leitet die Arbeit des Staatsrates;
2. nimmt Beglaubigungs- und Abberufungsschreiben ausländischer diplomatischer Vertreter im Lande entgegen.

(2) Der Staatsrat kann in gesetzlich vorgesehenen Verfahren und Fällen dem Vorsitzenden des Staatsrates die Ausübung einiger seiner Vollmachten übertragen.

Artikel 97 (1) Der Staatsrat gibt Erlasse heraus und faßt Beschlüsse, erläßt Aufrufe und Deklarationen.

(2) Die Normativerlasse des Staatsrates treten drei Tage nach ihrer Verkündung im „Darzaven Vestnik“ in Kraft, es sei denn, daß im Erlaß eine andere Frist vorgesehen ist.

(3) Die übrigen Akte des Staatsrates treten am Tage ihrer Beschlußfassung in Kraft, es sei denn, daß in ihnen eine andere Frist festgesetzt ist.

Kapitel VI
Der Ministerrat (Die Regierung)

Artikel 98 Der Ministerrat (Die Regierung) ist das höchste vollziehende und verfügende Organ der Staatsgewalt.

Artikel 99 (1) Der Ministerrat besteht aus dem Vorsitzenden des Ministerrates, den Stellvertretenden Vorsitzenden des Ministerrates. den Ministern und Leitern von Verwaltungen im Rang von Ministerien.

(2) Die Mitglieder des Ministerrates stehen an der Spitze des entsprechenden Ministeriums oder einer Verwaltung. Gemäß Beschluß der Volksversammlung, müssen einzelne Mitglieder des Ministerrates nicht unmittelbar ein Ministerium oder eine Verwaltung leiten.

Artikel 100 Die Volksversammlung bestimmt die Zahl, die Art und die Bezeichnung von Ministerien oder anderen Verwaltungen im Rang eines Ministeriums.

Artikel 101 (1) Die Volksversammlung wählt den Vorsitzenden des Ministerrates und auf seinen Vorschlag die Stellvertretenden Vorsitzenden und die übrigen Mitglieder des Ministerrates.

(2) Mitglied des Ministerrates kann auch sein, der kein Volksvertreter ist.

(3) Die Mitglieder des Ministerrates leisten vor der Volksversammlung den Eid.

Artikel 102 (1) Der Ministerrat übt seine Tätigkeit unter der Leitung und der Kontrolle der Volksversammlung und, wenn sie nicht tagt, unter der Leitung und Kontrolle des Staatsrates aus.

(2) Der Ministerrat ist für seine gesamte Tätigkeit der Volksversammlung verantwortlich und ist ihr alljährlich rechenschaftspflichtig.

(3) Außerhalb der Tagungen der Volksversammlung ist der Ministerrat dem Staatsrat verantwortlich und rechenschaftspflichtig.

Artikel 103 Der Ministerrat
1. organisiert die Durchführung der Innen- und Außenpolitik des Staates;
2. übt das Recht der Gesetzgebungsinitiative aus:
3. bereitet die Entwürfe von einheitlichen Plänen über die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung des Landes vor und unterbreitet sie der Volksversammlung;
4. bereitet alljährlich den Entwurf des Staatshaushaltes vor und unterbreitet ihn der Volksversammlung;
5. organisiert, leitet und kontrolliert die Erfüllung von einheitlichen Plänen hinsichtlich der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung des Landes und des Staatshaushaltes;
6. gewährleistet die Bedingungen zur Ausübung von Rechten und Freiheiten der Bürger;
7. gewährleistet den Schutz der öffentlichen Ordnung und die Sicherheit des Landes;
8. übt die allgemeine Leitung über die Streitkräfte aus;
9. schließt internationale Abkommen;
10. bestätigt und kündigt internationale Abkommen, die nicht der Ratifizierung unterliegen;
11. leitet, koordiniert und kontrolliert die Tätigkeit von Ministerien und anderen Verwaltungen:
12. leitet und kontrolliert die Tätigkeit der Exekutivkomitees der Volksräte;
13. organisiert die Durchführung von Akten der Volksversammlung, des Staatsrates sowie der von ihm selbst erlassenen Akte;
14. hebt gesetzwidrige oder fehlerhafte Akte und Verfügungen der Minister oder Leiter anderer Verwaltungen auf;
15. hebt gesetzwidrige oder fehlerhafte Akte und Verfügungen der Exekutivkomitees der Volksräte auf;
16. setzt die Durchführung von gesetzwidrigen oder fehlerhaften Akten und Verfügungen der Volksräte aus und legt sie dem Staatsrat zur Aufhebung vor;

Artikel 104 (1) Der Ministerrat erläßt Verordnungen, Anordnungen und Beschlüsse.

(2) Die Normativakte des Ministerrates werden im „Darzaven Vestnik“ verkündet und treten drei Tage nach ihrer Verkündung in Kraft, es sei denn, daß in ihnen eine andere Frist festgesetzt wird. Die übrigen Akte des Ministerrates treten am Tage ihrer Beschlußfassung in Kraft, es sei denn, daß in ihnen eine andere Frist festgelegt wird.

Artikel 105 Der Ministerrat kann Verwaltungszweige unter seine unmittelbare Leitung stellen, indem er dafür Kommissionen, Räte, Hauptdirektionen und Verwaltungen bildet, die nicht den Rang eines Ministeriums haben.

Artikel 106 Die Mitglieder des Ministerrates leiten aufgrund der Akte der Volksversammlung, des Staatsrates oder des Ministerrates entsprechende Ministerien oder andere Verwaltungen.

Artikel 107 (1) Die Minister und Leiter von Verwaltungen im Rang eines Ministeriums haben das Recht, im Rahmen ihrer Zuständigkeit den maßgeblichen spezialisierten Organen der Volksräte Weisungen zu erteilen und deren gesetzwidrige und fehlerhafte Akte und Verfügungen aufzuheben.

(2) Unter denselben Bedingungen sind sie auch berechtigt, die Akte und Verfügungen der Exekutivkomitees der Volksräte auszusetzen. Falls das Exekutivkomitee den ausgesetzten Akt nicht aufhebt, so entscheidet über den Streit der Ministerrat.

Artikel 108 (1) Die Minister und Leiter anderer Verwaltungen erlassen Reglements, Anordnungen, Instruktionen und Befehle.

(2) Reglements. Anordnungen und Instruktionen treten drei Tage nach ihrer Verkündung im „Darzaven Vestnik“ in Kraft, es sei denn, daß in ihnen eine andere Frist festgelegt worden ist. Befehle treten am Tage ihrer Verkündung in Kraft, es sei denn, daß in ihnen eine andere Frist bestimmt ist.

Kapitel VII
Die Volksräte

Artikel 109 (1) Das Gebiet der Volksrepublik Bulgarien ist in Gemeinden und Bezirke eingeteilt. Sofia ist in verwaltungsmäßige Rayons eingeteilt worden.

(2) Durch Gesetz können andere verwaltungsmäßige Einheiten gebildet werden.

Artikel 110 Die Organe der Staatsgewalt und der Selbstverwaltung des Volkes in den Gemeinden, Rayons und Bezirken sind die Gemeinde-, Rayon- und Bezirksvolksräte.

Artikel 111 (1) Die Volksräte bestehen aus Mitgliedern, die sich in ihrer Tätigkeit nach den Interessen des gesamten Volkes, der Einwohner des Bezirks und der Gemeinde sowie der Einwohner ihres Wahlbezirks richten.

(2) Die Vertretungsnormen für die Wahlen der Volksräte werden gesetzlich festgelegt.

Artikel 112 Die Volksräte verwirklichen auf ihrem Territorium die Staatspolitik. Sie erfüllen in ihrer Tätigkeit gesamtstaatliche Aufgaben und entscheiden über Fragen von örtlicher Bedeutung.

Artikel 113 Die Volksräte vereinigen in ihrer Tätigkeit die Beschlußfassung mit deren Vollzug.

Artikel 114 (1) Die Volksräte leiten auf ihrem Territorium im Rahmen ihrer Kompetenz die Entwicklung auf dem Gebiet der Wirtschaft, des Gesundheitswesens, des Sozialwesens, der kommunalen Versorgung und des Kultur- und Bildungswesens.

(2) Sie üben ihre Tätigkeit durch die rechtmäßige Koordinierung der gesamtstaatlichen Interesse, der Branchenplanung mit der Territorialplanung im Sinne der komplexen Entwicklung einer bestimmten verwaltungsmäßigen Einheit aus.

(3) Die Volksräte erstellen im Rahmen des einheitlichen Staatsplanes der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung und des Staatshaushaltes einen eigenen Plan der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung und einen eigenen Haushalt und organisieren und kontrollieren deren Erfüllung.

(4) Sie leiten, koordinieren und kontrollieren im Rahmen ihrer Kompetenz die Tätigkeit von wirtschaftlichen Organisationen und derjenigen Ämter, die sich auf ihrem Territorium befinden.

(5) Die Volksräte sorgen im Rahmen ihrer Kompetenz für die Aufrechterhaltung der Öffentlichen Ordnung und Gesetzlichkeit, die Wahrung der Rechte der Bürger, den Schutz des sozialistischen Eigentums und für die Festigung der Verteidigungsbereitschaft des Landes.

Artikel 115 Die Volksräte erlassen Beschlüsse, Anordnungen, Reglements und Instruktionen,

Artikel 116 Die Bezirksvolksräte werden mindestens viermal im Jahr und die Gemeinde- und Rayonvolksräte mindestens sechsmal im Jahr zu den Tagungen einberufen.

Artikel 117 Die Volksräte können in wichtigen Fragen ihrer Kompetenz, die Interessen der Einwohner einer bestimmten verwaltungsmäßigen Einheit oder eines einzelnen Wohnorts berühren, ihre Entscheidungen nach Durchführung einer Volksbefragung und eines Volksentscheids treffen.

Artikel 118 (1) Die Volksräte wählen und berufen ab ihre Exekutivkomitees, bilden ständige und zeitweilige Kommissionen sowie spezialisierte Organe.

(2) Das Exekutivkomitee ist ein vollziehendes und verfügendes Organ des Volksrates und seine Mitglieder werden aus der Mitte der Mitglieder des Volksrates gewählt.

(3) Die Mitglieder der Kommissionen werden vom Volksrat gewählt und abberufen.

Artikel 119 Die vollziehenden und verfügenden Organe in Bezirken und Gemeinden können außerhalb des Systems der Volksräte nur durch Gesetz gebildet werden.

Artikel 120 Bei ihrer Tätigkeit stützen sich die Volksräte auf die Initiative und die breite Beteiligung der Bevölkerung an ihrer Arbeit sowie auf die enge Zusammenarbeit mit den politischen, gewerkschaftlichen und anderen gesellschaftlichen Organisationen.

Artikel 121 Die Volksräte legen mindestens einmal im Jahr vor ihren Wählern in der gesetzlich vorgesehenen Weise Rechenschaft über ihre Tätigkeit ab.

Artikel 122 Die Volksräte leiten und kontrollieren die Tätigkeit ihrer Organe und heben ihre gesetzwidrigen und fehlerhaften Akte und Verfügungen auf.

Artikel 123 Die übergeordneten Volksräte leiten und kontrollieren die Tätigkeit der untergeordneten Volksräte.

Artikel 124 (1) Die übergeordneten Volksräte können die gesetzwidrigen oder fehlerhaften Akte und Verfügungen der untergeordneten Volksräte aufheben.

(2) Die Exekutivkomitees der übergeordneten Volksräte können die Vollziehung von gesetzwidrigen oder fehlerhaften Akten und Verfügungen der untergeordneten Volksräte aussetzen sowie gesetzwidrige oder fehlerhafte Akte und Verfügungen der Exekutivkomitees dieser Volksräte aufheben.

(3) Das Organ, das gesetzwidrige oder fehlerhafte Akte und Verfügungen des Volksrates ausgesetzt hat, legt diese dem übergeordneten Organ der Staatsmacht zur Aufhebung vor.

(4) Über Streitigkeiten. die zwischen Ministern und Leitern anderer Verwaltungen einerseits und den Exekutivkomitees der Bezirksräte andererseits entstehen. entscheidet der Ministerrat.

Kapitel VIII
Das Gericht und die Staatsanwaltschaft

Artikel 125 (1) Die Rechtsprechung wird in der Volksrepublik Bulgarien durch die Gerichte ausgeübt. Diese schützen die durch die Verfassung festgelegte gesellschaftliche und staatliche Ordnung, das sozialistische Eigentum, das Leben, die Freiheit, die Ehre, die Rechte und die rechtmäßigen Interessen der Bürger sowie die Rechte und die rechtmäßigen Interessen der sozialistischen Organisationen.

(2) Die Gerichte festigen die sozialistische Gesetzlichkeit und tragen zur Vorbeugung von Kriminalität und anderer Rechtsverletzungen bei, erziehen die Bürger im Geiste der Ergebenheit gegenüber dem Vaterland und der Sache des Sozialismus, der pflichtbewußten Einhaltung der Gesetze und der Arbeitsdisziplin.

(3) Die Gerichte üben im gesetzlichen Rahmen die gerichtliche Aufsicht über die Akte der Verwaltungsorgane und über die Organe der besonderen Rechtsprechung aus.

Artikel 126 (1) In der Volksrepublik Bulgarien bestehen das Oberste Gericht, die Bezirksgerichte, die Rayongerichte und die Militärgerichte

(2) Durch Gesetz können für bestimmte Kategorien von Angelegenheiten und andere Rechtsprechungsorgane geschaffen werden.

(3) Außerordentliche Gerichte sind nicht zulässig.

Artikel 127 (1) Die Rechtsprechung wird unter der Beteiligung von Gerichtsbeisitzern ausgeübt, es sei denn, daß im Gesetz etwas anderes vorgesehen ist,

(2) Bei der Verhandlung von Sachen stehen den Gerichtsbeisitzern die gleichen Rechte zu wie den Richtern.

Artikel 128 Die Richter und die Gerichtsbeisitzer sind wählbar, Sie können vor Ablauf der Frist abberufen werden, für die sie gewählt wurden.

Artikel 129 (1) Die Richter und die Gerichtsbeisitzer sind in der Ausübung ihrer Funktionen unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen.

(2) Die Entscheidungen und Urteile werden im Namen des Volkes gefällt.

Artikel 130 Die Gerichte wenden die Gesetze genau und für alle Bürger und juristische Personen gleichmäßig an.

Artikel 131 Die Gerichtsverfassung, die Zuständigkeit und die Gerichtsbarkeit, die Ordnung der Festsetzung der Gerichtssprengel, das Verfahren bei der Gerichtsverhandlung, sowie die Bedingungen, das Verfahren und die Frist für die Wahl, die Rechenschaftslegung und die Abberufung der Richter und Gerichtsbeisitzer. werden gesetzlich geregelt.

Artikel 132 (1) Das Oberste Gericht ist das höchste Gerichtsorgan und wird auf die Dauer von fünf Jahren gewählt. Es übt die oberste gerichtliche Aufsicht über die Tätigkeit sämtlicher Gerichte aus und gewährleistet, daß die Gesetze durch die Gerichte genau und gleichmäßig angewendet werden.

(2) Das Oberste Gericht übt die gerichtliche Aufsicht über die Tätigkeit der besonderen Rechtsprechungsorgane aus, sofern im Gesetz nichts anderes vorgesehen ist.

(3) Das Oberste Gericht ist der Volksversammlung und zwischen deren Tagungen dem Staatsrat verantwortlich und rechenschaftspflichtig.

Artikel 133 (1) Der Oberste Staatsanwalt übt die Aufsicht darüber aus, daß die Ministerien und andere Ämter, die örtlichen Staatsorgane, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Organisationen, die Staatsfunktionäre sowie die Bürger die Gesetze genau und gleichmäßig einhalten.

(2) Die Staatsanwaltschaft schützt die Rechte und die gesetzmäßigen Interessen der Bürger. Sie organisiert und führt die Bekämpfung der Kriminalität und andere Rechtsverletzungen durch, indem sie Maßnahmen zu ihrer Vorbeugung trifft und die Täter zur Verantwortung zieht.

(3) Die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, besonders streng darüber zu wachen, daß die Täter von Delikten, welche die Unabhängigkeit und die Souveränität der Volksrepublik Bulgarien betreffen, vor Gericht gestellt und bestraft werden.

(4) Die Staatsanwaltschaft trifft Maßnahmen zur Aufhebung gesetzwidriger Akte und zur Wiederherstellung der verletzten Rechte.

Artikel 134 (1) Der Oberste Staatsanwalt wird auf die Dauer von fünf Jahren gewählt. Er kann vor Ablauf dieser Frist abberufen werden.

(2) Alle übrigen Staatsanwälte werden vom Obersten Staatsanwalt ernannt und entlassen und sind ihm unterstellt.

(3) Der Oberste Staatsanwalt ist der Volksversammlung und zwischen deren Tagungen dem Staatsrat für die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft verantwortlich und rechenschaftspflichtig.

Artikel 135 (1) Die Staatsanwälte sind in der Ausübung ihrer Amtspflichten unabhängig und handeln nur aufgrund der Gesetze.

(2) Die Organisation der Staatsanwaltschaft und das Verfahren bei der Ausübung ihrer Tätigkeit werden gesetzlich geregelt.

Artikel 136 (1) Die Straftaten und die Strafen werden nur durch Gesetz festgelegt.

(2) Ein Gesetz, welches die Strafbarkeit einer Tat bestimmt oder eine strafrechtliche Verantwortung verschärft, hat keine rückwirkende Kraft.

(3) Die Strafen richten sich nach der Persönlichkeit des Täters und entsprechen den Straftaten.

(4) Die Strafen für Delikte können nur durch gesetzlich vorgesehene Gerichte auferlegt werden.

Artikel 137 (1) Im Gerichtsverfahren wird die Ermittlung der objektiven Wahrheit sichergestellt.

(2) Die Verhandlungen sind vor allen Gerichten öffentlich, es sei denn, daß gesetzlich etwas Abweichendes vorgesehen ist.

Artikel 138 (1) In der Ausübung der Rechtsprechung wird den Bürgern das Recht auf Verteidigung gewährleistet.

(2) Der Angeklagte hat das Recht auf Verteidigung.

Kapitel IX
Wappen, Siegel, Flagge, Hauptstadt

Artikel 139 Das Wappen der Volksrepublik Bulgarien ist rund, in der Mitte ist auf himmelblauem Hintergrund ein auf einem Zahnrad aufrecht stehender Löwe dargestellt. Der Hintergrund ist von zwei Seiten mit Roggenähren begrenzt, die in der Mitte mit dem nationalen dreifarbenen Band umwunden sind; über dem Löwen befindet sich ein roter fünfzackiger Stern und darunter, wo sich die Ähren umflechten. ist auf rotem Band in goldenen Lettern das Jahr der Gründung des bulgarischen Staates und des Sieges der sozialistischen Revolution in Bulgarien vermerkt.

Artikel 140 Auf dem Staatssiegel ist das Staatswappen abgebildet. Die Umschrift um dieses herum lautet: „Volksrepublik Bulgarien“ und im untersten Teil „Staatssiegel‘.

Artikel 141 Die Flagge der Volksrepublik Bulgarien ist dreifarbig: Weiß, grün und rot in waagerechten Streifen. In der linken oberen Ecke des weißen Feldes ist das Staatswappen abgebildet.

Artikel 142 Die Hauptstadt der Volksrepublik Bulgarien ist Sofia.

Kapitel X
Erlaß und Änderung der Verfassung

Artikel 143 (1) Die Annahme einer neuen Verfassung und die Änderung der geltenden Verfassung erfolgt auf Vorschlag des Staatsrates, der Regierung oder mindestens eines Viertels der Volksvertreter.

(2) Der Entwurf einer neuen Verfassung oder der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der geltenden Verfassung muß frühestens einen Monat und spätestens drei Monate nach seinem Eingang auf die Tagesordnung der Volksversammlung gesetzt werden.

(3) Sie sind angenommen, wenn zwei Drittel aller Volksvertreter dafür stimmen.

(4) Die neue Verfassung oder das Gesetz zur Änderung der geltenden Verfassung treten am Tage ihrer Verkündung im „Darzaven Vestnik“ in Kraft.


Quellen: Dărzaven Vestnik (Gesetzblatt) 1971, Nr. 39 vom 18. Mai 1971 (bulgarisch)
Brunner/Meissner, Verfassungen der kommunistischen Staaten, UTB Schöningh 1979

© 23. November  2001
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