Verfassung der Volksrepublik Bulgarien

vom 4. Dezember 1947

geändert durch
Gesetz vom 4. November 1961 (Izvestija na Prezidiuma na Narodnoto Sabranie 1961, Nr. 89)
Gesetz vom 8. Dezember 1965  (Dărzacen Vestnik 1965, Nr. 97)
(Text unbekannt)
Gesetz vom 18. November 1969
(Dărzacen Vestnik 1969, Nr. 89) (Text unbekannt)

ersetzt durch
Verfassung vom 18. Mai 1971
 

Kapitel I
DIE VOLKSREPUBLIK BULGARIEN

Artikel 1. Bulgarien ist eine Volksrepublik mit repräsentativer Regierung. Diese Republik wurde im Ergebnis des heroischen Kampfes des bulgarischen Volkes gegen die monarcho-faschistische Diktatur und des siegreichen Volksaufstandes vom 9. September 1944 gebildet und gefestigt.

Artikel 2. In der Volksrepublik Bulgarien geht alle Macht vom Volke aus und gehört dem Volke.

Diese Macht wird durch frei gewählte Vertretungsorgane und durch Volksbefragung ausgeübt.

Alle Vertretungsorgane der Staatsgewalt werden von den Bürgern auf der Grundlage des allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechts in geheimer Abstimmung gewählt.

Artikel 3. Das Recht zu wählen und gewählt zu werden haben alle Bürger der Volksrepublik, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, ohne Unterschied des Geschlechts, der Nationalität, der Rasse, des Glaubensbekenntnisses, der Bildung, des Berufs, des Standes und des Vermögens, mit Ausnahme derjenigen, die unter Vormundschaft gestellt oder denen durch Gerichtsurteil die bürgerlichen und politischen Rechte aberkannt worden sind.

Wer in den Reihen der bulgarischen Volksarmee dient, hat in der gleichen Weise das Recht zu wählen und gewählt zu werden wie alle übrigen Bürger.

Artikel 4. Die Volksvertreter aller Vertretungsorgane sind den Wählern verantwortlich. Die Abgeordneten können schon vor Ablauf der Frist, für die sie gewählt wurden, abberufen werden.

Das Verfahren für die Wahl und die Abberufung der Abgeordneten wird durch Gesetz geregelt.

Artikel 5. Die Volksrepublik Bulgarien wird in genauer Übereinstimmung mit der Verfassung und den Gesetzen des Landes geleitet.

Kapitel II
DER GESELLSCHAFTLICHE UND WIRTSCHAFTLICHE AUFBAU

Artikel 6. In der Volksrepublik Bulgarien gehören die Produktionsmittel dem Staat (allgemeines Volkseigentum), Genossenschaften oder privaten natürlichen und juristischen Personen.

Artikel 7. Alle Erze und anderen Bodenschätze, Wälder, Gewässer, Mineral- und Heilwässer, natürlichen Energiequellen, Eisenbahn- und Luftverkehrsmittel, die Post, das Fernmeldewesen und der Rundfunk sind staatliches Eigentum, d. h. allgemeines Volkseigentum.

Die Nutzung der Wälder durch die Bevölkerung wird durch ein besonderes Gesetz geregelt.

Artikel 8. Das allgemeine Volkseigentum ist die Hauptgrundlage des Staates bei der Entwicklung der Volkswirtschaft und genießt besonderen Schutz. Der Staat kann die in seiner Hand befindlichen Produktionsmittel selbst bewirtschaften oder die Bewirtschaftung anderen überlassen.

Artikel 9. Der Staat unterstützt und fördert die genossenschaftlichen Vereinigungen.

Artikel 10. Das Privateigentum und seine Vererbung sowie das Prinzip der privaten Wirtschaft sind anerkannt und genießen den Schutz des Gesetzes. Durch Arbeit und Sparen erworbenes Privateigentum und dessen Vererbung genießen besonderen Schutz.

Niemand darf sein Eigentumsrecht zum Schaden gesellschaftlicher Interessen ausnutzen.

Private Monopolverbände und -vereinigungen, wie Kartelle, Truste und Konzerne, sind verboten.

Privateigentum kann nur zugunsten des Staates oder der Gesellschaft und gegen angemessene Entschädigung zwangsweise beschränkt oder enteignet werden.

Der Staat kann bestimmte Zweige oder einzelne Unternehmen der Industrie, des Handels, des Verkehrs- und des Kreditwesens ganz oder teilweise nationalisieren.

Die Entschädigung wird durch ein Gesetz über die Nationalisierung festgesetzt.

Artikel 11. Der Boden gehört denen, die ihn bearbeiten.

Durch Gesetz wird bestimmt, in welchem Umfange Privatpersonen oder Nichtbauern landwirtschaftlichen Boden besitzen dürfen.

Privater Großgrundbesitz ist verboten.

Die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften werden vom Staat gefördert und unterstützt und genießen seinen besonderen Schutz.

Der Staat kann landwirtschaftliche Staatsbetriebe errichten.

Artikel 12. Um die Volkswirtschaft am zweckmäßigsten zu entwickeln und den Wohlstand des Volkes zu heben, lenkt der Staat die staatliche, genossenschaftliche und private Wirtschaftstätigkeit durch den staatlichen Volkswirtschaftsplan.

Bei der Aufstellung und Durchführung des staatlichen Volkswirtschaftsplanes stützt sich der Staat auf die aktive Mitarbeit der gewerkschaftlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Organisationen und Institutionen.

Artikel 13. Der Außenhandel und der Binnenhandel werden vom Staat gelenkt und kontrolliert.

Dem Staat kann das ausschließliche Recht zuerkannt werden, Gegenstände, die für die Volkswirtschaft und den Bedarf des Volkes von wesentlicher Bedeutung sind, herzustellen und mit ihnen Handel zu treiben.

Artikel 14. Die Arbeit wird als der grundlegende gesellschaftliche und wirtschaftliche Faktor anerkannt; ihr gilt die allseitige Sorge des Staates.

Der Staat gewährt den Werktätigen - den Arbeitern, Bauern, Handwerkern und Geistesarbeitern - unmittelbare Hilfe durch seine allgemeine Wirtschafts- und Sozialpolitik, durch die Gewährung günstiger Kredite, durch das Steuersystem und durch die genossenschaftlichen Vereinigungen.

Mit dem Ziel der allseitigen Verbesserung des Lebens der Werktätigen fördert der Staat ihre Organisationen, ihre schöpferische Initiative und Aktivität.

Kapitel III
DIE HÖCHSTEN ORGANE DER STAATSGEWALT

Artikel 15. Das höchste Organ der Staatsgewalt ist die Volksversammlung. Im Rahmen der Verfassung ist sie Träger der gesamten Staatsgewalt, sofern nicht einzelne Funktionen nach der Verfassung zur Zuständigkeit anderer, der Volksversammlung untergeordneter Organe der Staatsgewalt oder der staatlichen Verwaltung gehören.

Artikel 16. Die Volksversammlung ist das einzige gesetzgebende Organ der Volksrepublik Bulgarien.

Artikel 17. Die Volksversammlung
1. wählt das Präsidium der Volksversammlung;
2. bildet die Regierung der Volksrepublik;
3. ändert die Verfassung;
4. beschließt über die Errichtung neuer sowie über die Auflösung, Zusammenlegung oder Umbenennung bestehender Ministerien;
5. entscheidet über die Fragen der Abtretung, des Austauschs oder der Vergrößerung des Staatsgebietes der Volksrepublik;
6. bestätigt den staatlichen Volkswirtschaftsplan;
7. bestätigt den staatlichen Haushalt und beschließt das Gesetz über dessen Erfüllung, legt die Steuern fest und regelt deren Einziehung;
8. entscheidet über die Nationalisierung wirtschaftlicher Betriebe und über die Einführung von Staatsmonopolen;
9. entscheidet über Krieg und Frieden;
10. entscheidet über die Durchführung einer allgemeinen Volksbefragung;
11. erläßt Amnestien.

Artikel 18. Die Volksversammlung wird auf die Dauer von vier Jahren gewählt.

Die Abgeordneten werden vom Volk gewählt, und zwar nach der Norm:
ein Abgeordneter auf 30 000 Einwohner.

Durch Gesetz vom 4. November 1961 erhielt der Artikel 18 Abs. 2 folgende Fassung:
"Die nationalen Volksvertreter werden vom Volk gewählt, und zwar nach der Norm:
ein Abgeordneter auf 25 000 Einwohner."

Artikel 19. Die Volksversammlung wird durch Erlaß des Präsidiums der Volksversammlung zweimal im Jahr, zum 1. November und zum 1. Februar, zu ihren ordentlichen Tagungen einberufen. Beruft das Präsidium die Volksversammlung zu diesem Termin nicht ein, so kann sie sich selbst versammeln.

Zu einer außerordentlichen Tagung kann die Volksversammlung durch Beschluß des Präsidiums der Volksversammlung oder auf Verlangen von mindestens einem Drittel der Abgeordneten einberufen werden.

Durch Gesetz vom 4. November 1961 erhielt der Artikel 19 folgende Fassung:
"Artikel 19. Die Volksversammlung wird durch das Präsidium der Volksversammlung mindestens zwei Mal im Jahr zu einer Tagung einberufen.
Sie wird auch auf Verlangen eines Fünftels der nationalen Volksvertreter einberufen.
Die neu gewählte Volksversammlung wird spätestens zwei Monate nach der Wahl zu einer Tagung einberufen."

Artikel 20. Unmittelbar nach ihrer Eröffnung wählt die Volksversammlung unter dem Vorsitz des ältesten Abgeordneten aus ihrer Mitte das Büro, das aus einem Vorsitzenden und drei Stellvertretern des Vorsitzenden besteht.

Der Vorsitzende oder in seiner Abwesenheit einer der stellvertretenden Vorsitzenden leitet die Sitzungen der Volksversammlung nach der Geschäftsordnung, die sie sich gegeben bat.

Die Volksversammlung wählt auch die nach der Geschäftsordnung erforderliche Zahl von Schriftführern und Quästoren.

Artikel 21. Die Abgeordneten leisten folgenden Eid:
„Ich schwöre im Namen des Volkes und der Volksrepublik Bulgarien, daß ich ihnen treu und selbstlos dienen, die Verfassung heilig und unverbrüchlicb halten, in meiner Tätigkeit als Abgeordneter nur die Interessen des ganzen Volkes und des Staates vor Augen haben und alle Kräfte zur Verteidigung der Freiheit und Unabhängigkeit des Vaterlandes einsetzen werde. Ich schwöre es.“

Artikel 22. Unmittelbar nach ihrer Konstituierung wählt die Volksversammlung eine Mandatsprüfungskommission, die binnen drei Monaten darüber berichtet, ob das Mandat der einzelnen Abgeordneten anerkannt oder ihre Wahl für ungültig erklärt werden soll.

Artikel 23. Gesetzesinitiative haben die Regierung und die Abgeordneten.

Die Abgeordneten können Gesetzesentwürfe einbringen, falls sie von mindestens einem Fünftel aller Abgeordneten unterschrieben sind.

Artikel 24. Nach Annahme durch die Volksversammlung werden die Gesetze vom Vorsitzenden und vom Sekretär des Präsidiums der Volksversammlung unterzeichnet und im „Staatsanzeiger“ verkündet.

Ein Gesetz tritt, wenn in ihm nichts anderes bestimmt ist, drei Tage nach seiner Verkündung in Kraft.

Artikel 25. Nur die Volksversammhmg hat das Recht, darüber zu entscheiden, ob alle von der Verfassung geforderten Bedingungen für den Erlaß eines. Gesetzes eingehalten sind und ob es der Verfassung entspricht.

Artikel 26. Auf den Sitzungen der Volksversammlung müssen mehr als die Hälfte aller Abgeordneten anwesend sein. Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der anwesenden Abgeordneten gefaßt, soweit nicht nach der Verfassung eine andere Mehrheit erforderlich ist.

Artikel 27. Die Sitzungen der Volksversammlung sind öffentlich, soweit sie nicht beschließt, daß wichtige Staatsinteressen eine nichtöffentliche Sitzung erforderlich machen.

Artikel 28. Die Volksversammlung kann durch besondere Ausschüsse Revisionen und Untersuchungen über jede beliebige Frage durchführen.

Alle Staatsorgane und Privatpersonen sind verpflichtet, den Untersuchungsausschüssen die geforderten Informationen und Dokumente zur Verfügung zu stellen.

Artikel 29. Die Abgeordneten dürfen nicht festgenommen und es darf gegen sie keine gerichtliche Untersuchung eingeleitet werden, es sei denn wegen eines schweren Verbrechens, aber auch dann nur mit Zustimmung der Volksversammlung oder, wenn diese nicht tagt, mit Zustimmung des Präsidiums der Volksversammlung. Dieser Zustimmung bedarf es nicht, wenn der Abgeordnete auf frischer Tat ergriffen worden ist; in diesem Fall genügt es, wenn das Präsidium der Volksversammlung von der Festnahme unverzüglich in Kenntnis gesetzt wird.

Die Abgeordneten sind für ihre Meinungsäußerungen und ihre Abstimmung in der Volksversammlung strafrechtlich nicht verantwortlich.

Artikel 30. Die Volksversammlung löst sich nach Ablauf der Wahlperiode oder nach ihrem Ermessen schon vorher auf.

Im Falle des Krieges oder anderer außergewöhnlicher Umstände kann die Volksversammlung ihre Vollmachten für die Dauer dieser Lage verlängern.

Die bereits aufgelöste Volksversammlung kann vom Präsidium der Volksversammlung erneut einberufen werden. Ihre Vollmachten können im Falle eines Krieges oder anderer außergewöhnlicher Umstände verlängert werden.

Artikel 31. Spätestens drei Monate nach der Auflösung der Volksversammlung finden Neuwahlen statt.

Artikel 32. Die Abgeordneten erhalten eine von der Volksversammlung festgesetzte Vergütung.

Artikel 33. Die Volksversammlung wählt - mit den Stimmen von mehr als der Hälfte aller Abgeordneten - das Präsidium der Volksversammlung, das aus dem Vorsitzenden, zwei stellvertretenden Vorsitzenden, dem Sekretär und fünfzehn Mitgliedern besteht.

Artikel 34. Das Präsidium ist der Volksversammlung für seine gesamte Tätigkeit verantwortlich.

Die Volksversammlung kann das Präsidium oder einzelne seiner Mitglieder jederzeit auswechseln.

Artikel 35. Das Präsidium der Volksversammlung
1. beruft die Volksversammlung ein;
2. schreibt die Wahlen für die Volksversammlung aus;
3. verkündet die von der Volksversammlung beschlossenen Gesetze;
4. gibt allgemeinverbindliche Auslegungen der Gesetze;
5. gibt Erlasse heraus;
6. übt das Begnadigungsrecht aus;
7. stiftet und verleiht Orden und Ehrentitel;
8. vertritt die Volksrepublik in ihren internationalen Beziehungen, ernennt auf Vorschlag der Regierung die diplomatischen und konsularischen Vertreter in ausländischen Staaten und beruft sie ab und empfängt die bei ihm akkreditierten ausländischen Vertreter;
9. ratifiziert und veröffentlicht die von der Regierung abgeschlossenen internationalen Verträge;
10. erklärt, wenn die Volksversammlung nicht tagt, im Fall eines militärischen Überfalls auf die Volksrepublik oder, wenn es zur unverzüglichen Erfüllung von internationalen Verpflichtungen zum gegenseitigen Schutz gegen eine Aggression erforderlich, ist, auf Vorschlag der Regierung den Kriegszustand; in Fällen dieser Art beruft das Präsidium die Volksversammlung unverzüglich ein, damit diese die getroffenen Maßnahmen bestätigt;
11. erklärt auf Vorschlag der Regierung die allgemeine oder teilweise Mobilmachung sowie den Ausnahmezustand;
12. nimmt in der Zeit zwischen den Tagungen der Volksversammlung auf Vorschlag des Vorsitzenden des Ministerrats Abberufungen und Ernennungen einzelner Mitglieder der Regierung vor; Maßnahmen dieser Art muß das Präsidium der nächsten Tagung der Volksversammlung zur Bestätigung vorlegen;
13. hebt Verordnungen und Verfügungen der Regierung auf, die der Verfassung oder den Gesetzen widersprechen;
14. schreibt auf der Grundlage eines Beschlusses der Volksversammlung eine allgemeine Volksbefragung aus;
15. ernennt und entläßt auf Vorschlag der Regierung den höchsten Kommandobestand der Streitkräfte der Volksrepublik;
16. ernennt und entläßt auf Vorschlag der Regierung die Oberkommandierenden der Streitkräfte;
17. erläßt nicht beitreibbare Steuern;
18. entscheidet über Fragen, deren Entscheidung ihm von der Volksversammlung übertragen wird;
19. erfüllt alle ihm durch das Gesetz übertragenen Verpflichtungen.

Artikel 36. Die Erlasse des Präsidiums der Volksversammlung werden vom Vorsitzenden und vom Sekretär unterzeichnet.

Artikel 37. Nach Ablauf der Wahlperiode der Volksversammlung oder im Fall ihrer vorzeitigen Auflösung übt das von ihr gewählte Präsidium seine Befugnisse bis zur Neuwahl eines Präsidiums durch die neugewählte Volksversammlung aus.

Kapitel IV.
DIE ORGANE DER STAATLICHEN VERWALTUNG

Artikel 38. Das höchste vollziehende und verfügende Organ der Staatsgewalt in der Volksrepublik Bulgarien ist die Regierung (der Ministerrat).

Artikel 39. Die Regierung besteht aus:
dem Vorsitzenden des Ministerrats,
den stellvertretenden Vorsitzenden des Ministerrats,
dem Vorsitzenden der Staatlichen Plankommission,
dem Vorsitzenden der Staatlichen Kontrollkommission, den Ministern und
dem Vorsitzenden des Komitees für Wissenschaft, Kunst und Kultur.

Der Vorsitzende des Ministerrats und seine Stellvertreter können zugleich an der Spitze einzelner Ministerien sowie der Staatlichen Plankommission, der Staatlichen Kontrollkommission oder des Komitees für Wissenschaft, Kunst und Kultur stehen. Sie können auch ohne besonderen Geschäftsbereich sein.

Es bestehen folgende Ministerien:
1. Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten,
2. Ministerium für Innere Angelegenheiten,
3. Ministerium für Volksbildung,
4. Ministerium für Finanzen,
5. Ministerium für Justiz,
6. Ministerium für nationale Verteidigung,
7. Ministerium für Handel und Versorgung,
8. Ministerium für Land- und Forstwirtschaft,
9. Ministerium für Bauwesen und Straßenbau,
10. Ministerium für kommunale Wirtschaft und kommunale Einrichtungen,
11. Ministerium für Eisenbahn-, Kraft- und Wasserverkehrswesen,
12. Ministerium für Post, Teiegrafen- und Fernsprechverkehr,
13. Ministerium für Industrie und Handwerk,
14. Ministerium für Elektrifizierung und Bodenverbesserung,
15. Ministerium für Bergbau und Bodenschätze,
16. Ministerium für Volksgesundheit,
17. Ministerium für Arbeit und Sozialfürsorge.

Die Volksversammlung kann mit den Stimmen von mehr als der Hälfte aller Abgeordneten neue Ministerien bilden sowie bestehende Ministerien auflösen, zusammenlegen oder umbenennen.

Das Präsidium der Vo1ksversammlung kann auf Vorschlag der Regierung in den verschiedenen Ministerien Gehilfen der Minister ernennen.

Artikel 40. Die Volksversammlung wählt die Regierung und deren einzelne Mitglieder und entbindet sie von ihren Funktionen.

Die Regierung ist der Volksversammlung für ihre Tätigkeit verantwortlich und in der Zeit zwischen den Tagungen der Volksversammlung ist die Regierung dem Präsidium der Volksversammlung verantwortlich und rechenschaftspflichtig.

Artikel 41. Die Mitglieder der Regierung leisten vor der Volksversammlung folgenden Eid:

„Ich schwöre im Namen des Volkes und der Volksrepublik Bulgarien, daß ich ihnen treu und gewissenhaft dienen, in meiner Tätigkeit als Mitglied der Regierung nur die Interessen des ganzen Volkes und des Staates vor Augen haben, die Verfassung und die Gesetze der Volksrepublik streng einhalten und alle Kräfte zur Verteidigung der Freiheit und Unabhängigkeit der Volksrepublik Bulgarien einsetzen werde. Ich schwöre“

Artikel 42. Mitglied der Regierung kann auch sein, wer nicht Abgeordneter ist.

Artikel 43. Die Regierung leitet die staatliche Verwaltung, wobei sie die Arbeit der einzelnen Ministerien der Staatlichen Plankommission, der Staatlichen Kontrollkommission und des Komitees für Wissenschaft, Kunst und Kultur koordiniert und aufeinander abstimmt. Sie trifft Maßnahmen zur Durchführung des Staatlichen Wirtschaftsplanes und des Staatshaushalts sowie zur Sicherung der gesellschaftlichen Ordnung, zum Schutz der Interessen des Staates und zur Wahrung der Rechte der Bürger; ihr obliegt die allgemeine Leitung der Außenpolitik der Volksrepublik Bulgarien und der nationalen Verteidigung; sie wacht über die Durchführung der Gesetze und der verschiedenen Verwaltungsakte.

Die einzelnen Mitglieder der Regierung leiten die entsprechenden Ressorts der staatlichen Verwaltung im Rahmen und auf der Grundlage der allgemeinen Politik und der allgemeinen Richtlinien des Ministerrates.

Der Ministerrat kann einzelne Ressorts unter seine unmittelbare Leitung nehmen und zu diesem Zweck ihm unmittelbar unterstehende Kommissionen, Komitees, Räte, Generaldirektionen, Direktionen, Verwaltungen und andere Dienststellen bilden.

Artikel 44. Jeder Abgeordnete hat das Recht, sich mit Anfragen und Interpellationen an die Regierung und ihre Mitglieder zu wenden.

Die Regierung und ihre Mitglieder sind verpflichtet, auf Anfragen innerhalb der in der Geschäftsordnung vorgesehenen Frist und auf Interpellationen, sobald sie auf die Tagesordnung gesetzt sind, zu antworten.

Artikel 45. Die Mitglieder der Regierung sind für eine Verletzung der Verfassung oder der Gesetze sowie für alle sonstigen Straftaten, die sie bei Erfüllung ihrer Amtspflichten begehen, strafrechtlich verantwortlich.

Für einen Schaden, den sie dem Staat oder Bürgern durch ungesetzliche Handlungen zufügen, sind sie zivilrechtlich verantwortlich.

Die Verantwortlichkeit der Mitglieder der Regierung sowie das entsprechende gerichtliche Verfahren werden durch ein besonderes Gesetz im einzelnen geregelt.

Artikel 46. Alle Staatsfunktionäre leisten der Volksrepublik den Treueid. Sie sind für Dienstvergehen disziplinarisch, strafrechtlich und zivilrechtlich verantwortlich.

Kapitel V.
DIE ÖRTLICHEN ORGANE DER STAATSGEWALT

Artikel 47. Das Gebiet der Volksrepublik ist in Gemeinden und Kreise eingeteilt. Durch besonderes Gesetz können größere administrative Einheiten gebildet werden.

Durch Gesetz vom 4. November 1961 erhielt der Artikel 47 folgende Fassung:
"Artikel 47. Das Gebiet der Volksrepublik Bulgarien ist in Gemeinden und Kreise eingeteilt.
Andere administrative Einheiten werden durch Gesetz gebildet."

Artikel 48. Die Organe der Staatsgewalt in den Gemeinden und Kreisen sind die Gemeinde- und Kreisvolksräte, die von den Bürgern auf drei Jahre gewählt werden.

Artikel 49. Die Gemeinde- und Kreisvolksräte leiten in Übereinstimmung mit den Gesetzen des Landes die Durchführung aller wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Maßnahmen von örtlicher Bedeutung. Sie stellen im Rahmen des staatlichen Wirtschaftsplans und des staatlichen Haushaltsplans den Wirtschaftsplan und den Haushaltsplan der Gemeinde oder des Kreises auf und leiten deren Durchführung; sie sorgen auf ihrem Gebiet für eine ordnungsgemäße Verwaltung des staatlichen Eigentums und der Wirtschaftsbetriebe; sie sorgen für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, für die Einhaltung der Gesetze und für die Wahrung der Rechte der Bürger; sie leiten die Tätigkeit der ihnen unterstellten vollziehenden und verfügenden Organe.

Artikel 50. Die örtlichen Volksräte erlassen im Rahmen ihrer Zuständigkeit und in Übereinstimmung mit den Gesetzen und den allgemeinen Richtlinien der übergeordneten Organe der Staatsgewalt Beschlüsse und Verfügungen.

Artikel 51. Die vollziehenden und verfügenden Organe der Gemeinde- und Kreisvolksräte sind die Gemeinde- und Kreisverwaltungen; sie bestehen aus dem Vorsitzenden, den stellvertretenden Vorsitzenden, dem Sekretär und den Mitgliedern.

Die Gemeindeverwaltung kleinerer Gemeinden kann aus einem Vorsitzenden und dem Sekretär bestehen.

Artikel 52. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben stützen sich die Gemeinde- und Kreisvolksräte auf die Initiative und die breite Teilnahme der Volksmassen sowie auf ihre politischen, gewerkschaftlichen, Massen- und anderen Organisationen.

Die Gemeinde- und Kreisvolksräte legen mindestens einmal im Jahr vor ihren Wählern in der gesetzlich vorgesehenen Weise Rechenschaft über ihre Tätigkeit ab.

Artikel 53. Die Gemeinde- und Kreisvolksräte führen ordentliche und außerordentliche Tagungen durch. Die Gemeindevolksräte werden jeden Monat, die Kreisvolksräte jeden zweiten Monat zu einer ordentlichen Tagung einberufen.

Die Gemeinde- und Kreisverwaltungen können den Rat aus eigener Initiative, auf Verlangen von mindestens einem Drittel der Mitglieder des Rates oder auf Anweisung des übergeordneten Organs der Staatsgewalt zu außerordentlichen Tagungen einberufen.

Artikel 54. Die Gemeinde- und Kreisverwaltungen unterstehen jeweils dem Volksrat, der sie gewählt hat, sowie dem übergeordneten Organ der staatlichen Verwaltung.

Artikel 55. Bei den Gemeinde- und Kreisvolksräten können Abteilungen für die verschiedenen Verwaltungszweige gebildet werden, die von der Verwaltung des Volksrates geleitet werden. Diese Abteilungen unterstehen in ihrer Tätigkeit sowohl der Verwaltung des Volksrates, bei dem sie gebildet sind, wie der entsprechenden Abteilung bei den übergeordneten Volksräten und dem entsprechenden Ministerium oder Regierungsorgan der Volksrepublik.

Kapitel VI.
VOLKSGERICHTE UND STAATSANWALTSCHAFTLICHE AUFSICHT

Artikel 56. Die Gerichte wenden die Gesetze genau und für alle Bürger in gleicher Weise an.

Die Richter sind unabhängig; in ihrer Rechtsprechung sind sie nur dem Gesetz unterworfen. Sie sprechen ihre Urteile im Namen des Volkes.

Artikel 57. Die Gerichte verhandeln unter Beteiligung von Beisitzern. Umfang und Form dieser Beteiligung werden durch Gesetz geregelt.

Artikel 58. Mit Ausnahme der im Gesetz genau vorgesehenen Fälle werden die Richter aller Stufen und die Beisitzer gewählt.

Durch Gesetz wird bestimmt, welche Richter und Beisitzer unmittelbar von den Bürgern auf Grund allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechts in geheimer Abstimmung und welche durch die örtlichen Volksräte oder durch die Volksversammlung gewählt werden sowie für welche Zeit die Wahl erfolgt.

Artikel 59. Besondere Gerichte zur Verhandlung bestimmter Arten von Rechtsstreitigkeiten und Verbrechen können nur durch Gesetz geschaffen werden.

Artikel 60. Der Gerichtsaufbau, das Gerichtsverfahren, die Bedingungen für die Wählbarkeit zum Richteramt, das Verfahren für die Wahl und Abberufung der Richter und Beisitzer sowie das Verhältnis der Gerichte zueinander werden durch Gesetz geregelt.

Artikel 61. Die oberste gerichtliche Aufsicht über die Gerichte aller Arten und Stufen obliegt dem Obersten Gericht der Volksrepublik, dessen Mitglieder von der Volksversammlung auf fünf Jahre gewählt werden.

Artikel 62. Die oberste Aufsicht über die genaue Erfüllung der Gesetze durch die verschiedenen Staatsorgane und Staatsfunktionäre sowie durch die Bürger übt der Oberste Staatsanwalt der Volksrepublik aus.

Der Oberste Staatsanwalt der Volksrepublik ist verpflichtet, besonders streng darüber zu wachen, daß Verbrechen verfolgt und bestraft werden, welche die allgemeinen staatlichen, nationalen oder wirtschaftlichen Interessen der Volksrepublik berühren oder die Unabhängigkeit und die staatliche Souveränität des Landes verletzen.

Artikel 63. Der Oberste Staatsanwalt der Volksrepublik wird von der Volksversammlung auf die Dauer von fünf Jahren gewählt und untersteht nur ihr.

Artikel 64. Alle übrigen Staatsanwälte bei den Gerichten aller Stufen werden vom Obersten Staatsanwalt der Volksrepublik ernannt und abberufen; bei der Ausführung ihrer Aufgaben unterstehen sie nur den entsprechenden übergeordneten Staatsanwälten; alle Staatsanwälte unterstehen aber dem Obersten Staatsanwalt der Volksrepublik.

Kapitel VII.
DIE GEGENSEITIGEN BEZIEHUNGEN ZWISCHEN DEN ORGANEN DER STAATSGEWALT UND DEN ORGANEN DER STAATLICHEN VERWALTUNG

Artikel 65. Das Präsidium der Volksversammlung hat das Recht, alle Verordnungen und Verfügungen des Ministerrates aufzuheben, die nicht mit der Verfassung oder den Gesetzen in Einklang stehen.

Der Ministerrat hat das Recht, alle Beschlüsse und Verfügungen jedes seiner Mitglieder aufzuheben, die nicht mit der Verfassung, den Gesetzen oder den Verordnungen und Verfügungen der Regierung in Einklang stehen.

Artikel 66. Das Präsidium der Volksversammlung und die übergeordneten örtlichen Volksräte haben das Recht, gesetzwidrige oder fehlerhafte Maßnahmen der untergeordneten Volksräte aufzuheben.

Artikel 67. Die Regierung und ihre einzelnen Mitglieder haben das Recht, im Rahmen ihrer Zuständigkeit gesetzwidrige oder fehlerhafte Maßnahmen der Gemeinde- und Kreisverwaltungen aufzuheben.

Die Verwaltungen der übergeordneten Volksräte haben das gleiche Recht hinsichtlich der Maßnahmen der Verwaltungen der untergeordneten Volksräte.

Artikel 68. Jeder Gemeinde- oder Kreisvolksrat hat das Recht, gesetzwidrige oder fehlerhafte Maßnahmen seiner Verwaltung aufzuheben.

Artikel 69. Die Regierung und ihre einzelnen Mitglieder sowie die Verwaltung eines örtlichen Volksrates haben im Rahmen ihrer Zuständigkeit das Recht, den Vollzug einer gesetzwidrigen oder fehlerhaften Maßnahme eines untergeordneten örtlichen Volksrates auszusetzen und dem Präsidium der Volksversammlung oder dem betreffenden Volksrat die Aufhebung dieser Maßnahme vorzuschlagen.

Artikel 70. Der übergeordnete örtliche Volksrat wie auch das Präsidium der Volksversammlung haben das Recht, einen untergeordneten Volksrat ihres Zuständigkeitsbereiches aufzulösen und Neuwahlen anzuordnen.

Der übergeordnete örtliche Volksrat wie auch das Präsidium der Volksversammlung haben das Recht, die Verwaltung eines untergeordneten örtlichen Volksrates ihres Zuständigkeitsbereiches von ihren Pflichten zu entbinden und die Wahl einer neuen Verwaltung anzuordnen.

Kapitel VIII.
DIE GRUNDRECHTE UND GRUNDPFLICHTEN DER BÜRGER

Artikel 71. Alle Bürger der Volksrepublik Bulgarien sind vor dem Gesetz gleich.

Es werden keinerlei Vorrechte in bezug auf die Nationalität, die Abstammung, das Glaubensbekenntnis oder die Vermögenslage anerkannt.

Jede Verbreitung von Rassenhaß sowie von nationalem oder religiösem Haß wird nach den Gesetzen bestraft.

Artikel 72. Der Frau stehen auf allen Gebieten des staatlichen, privaten, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Lebens die gleichen Rechte zu wie dem Mann.

Diese Gleichberechtigung wird dadurch verwirklicht, daß der Frau das gleiche Recht auf Arbeit, das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit sowie das Recht auf Erholung, Sozialversicherung, Altersrente und Bildung zuerkannt wird.

Die Frau genießt als Mutter in ihrem Arbeitsverhältnis besonderen Schutz. Der Staat läßt Mutter und Kind besondere Sorge durch Schaffung von Entbindungs- und Kinderheimen, Kindergärten und Kinderkrippen angedeihen. Außerdem werden der Frau vor und nach der Geburt ein bezahlter Urlaub sowie unentgeltliche Geburtshilfe und andere ärztliche Hilfe gewährt.

Artikel 73. Die Bürger haben das Recht auf Arbeit. Der Staat gewährleistet die Verwirklichung dieses Rechts für jeden Bürger durch die Planung der Volkswirtschaft, durch die systematische und ständige Entwicklung der Produktivkräfte sowie durch die Durchführung von öffentlichen Arbeiten. Die Entlohnung erfolgt nach Quantität und Qualität der geleisteten Arbeit.

Die Arbeit ist eine Pflicht und eine Sache der Ehre für jeden arbeitsfähigen Bürger. Jeder Bürger ist verpflichtet, entsprechend seinen Kräften und Fähigkeiten eine Arbeit zu leisten, die der Gesellschaft nützt.

Die Arbeitspflicht der Bürger wird durch ein besonderes Gesetz geregelt.

Artikel 74. Die Bürger haben das Recht auf Erholung.

Dieses Recht wird durch die Begrenzung der täglichen Arbeitszeit, durch die Gewährung eines bezahlten Jahresurlaubs und durch die Schaffung eines umfassenden Netzes von Erholungsheimen, Klubs und anderen Einrichtungen gewährleistet.

Artikel 75. Die Bürger haben im Falle von Krankheit, Unglücksfällen, Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit und Alter das Recht auf finanzielle Unterstützung sowie auf Hilfe und Fürsorge.

Der Staat verwirklicht dieses Recht durch eine allgemeine Sozialversicherung und durch die umfassende Gewährung ärztlicher Hilfe.

Artikel 76. Ehe und Familie stehen unter dem Schutz des Staates.

Nur die zivile Ehe, die vor den zuständigen Staatsorganen geschlossen wird, ist gesetzlich anerkannt.

Nichteheliche Kinder haben die gleichen Rechte wie eheliche Kinder.

Artikel 77. Der Staat sorgt besonders für die gesellschaftliche, kulturelle und körperliche Erziehung sowie für die Gesundheit der Jugend.

Artikel 78. Den Bürgern wird Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie die Freiheit der Reiigionsausübung gewährleistet.

Kirche und Staat sind getrennt.

Die Rechtsstellung der Religionsgemeinschaften, die Frage ihrer Unterhaltung sowie das Recht auf Regelung ihrer inneren Ordnung und Selbstverwaltung werden durch ein besonderes Gesetz geregelt.

Der Mißbrauch von Kirche und Religion zu politischen Zwecken sowie die Bildung von politischen Organisationen auf religiöser Grundlage sind verboten.

Artikel 79. Die Bürger haben das Recht auf Bildung. Die Bildung ist weltlich und von demokratischem und fortschrittlichem Geist durchdrungen. Nationale Minderheiten haben das Recht, in ihrer Muttersprache unterrichtet zu werden und ihre nationale Kultur zu entwickeln; die Erlernung der bulgarischen Sprache ist Pflicht.

Die Grundschulbildung ist obligatorisch und unentgeltlich.

Die Schulen sind staatlich. Nur durch ein Gesetz kann die Errichtung privater Schulen zugelassen werden, die dann unter der Aufsicht des Staates stehen.

Das Recht auf Bildung wird durch Schulen, Unterrichts- und Erziehungsanstalten, durch Universitäten sowie durch Stipendien, Studienheime, Hilfeleistungen und besondere Förderungsmaßnahmen für Begabte gewährleistet.

Artikel 80. Der Staat sorgt für die Entwicklung von Wissenschaft und Kunst, indem er Forschungsinstitute, Bibliotheken, Theater, Museen, Volkslesehallen, Kunstgalerien, Filmstudios, Lichtspieltheater und ähnliche Einrichtungen schafft und alle wissenschaftlichen und künstlerischen Begabungen fördert.

Artikel 81. Der Staat sorgt für die Volksgesundheit, indem er einen Gesundheitsdienst und entsprechende Institute schafft und leitet, das Volk über Gesundheitsfragen aufklärt und der Körperkultur des Volkes eine besondere Förderung angedeihen läßt.

Artikel 82. Die Freiheit und die Unverletzlichkeit der Person werden gewährleistet.

Niemand darf ohne Beschluß des Gerichts oder Genehmigung des Staatsanwalts länger als 48 Stunden in Haft behalten werden. $trafen dürfen nur auf Grund der geltenden Gesetze verhängt werden.

Die Bestrafung erfolgt individuell und entsprechend dem Verbrechen.

Strafen für Verbrechen dürfen nur durch die dafür vorgesehenen Gerichte verhängt werden.

Der Angeklagte hat das Recht auf Verteidigung.

Artikel 83. Alle bulgarischen Bürger, die sich im Ausland befinden, genießen den Schutz der Volksrepublik Bulgarien.

Artikel 84. In der Volksrepublik Bulgarien genießen diejenigen Ausländer Asylrecht, die wegen ihres Eintretens für die demokratischen Freiheiten, für den nationalen Befreiungskampf, für die Rechte der Werktätigen oder für die Freiheit der wissenschaftlichen und kulturellen Betätigung verfolgt werden.

Artikel 85. Die Wohnung der Bürger ist unverletzlich. Niemand darf ohne Einwilligung des Wohnungsinhabers in dessen Wohnung oder Besitztum eindringen oder darin eine Durchsuchung vornehmen, es sei denn, dies geschieht unter Einhaltung der gesetzlich hierfür vorgesehenen Bedingungen.

Artikel 86. Das Briefgeheimnis ist unverletzlich. Eingriffe in das Briefgeheimnis sind nur statthaft in Zeiten der Mobilmachung und des Ausnahmezustandes oder dann, wenn eine besondere Genehmigung eines gerichtlichen Organs oder eines Staatsanwalts vorliegt.

Artikel 87. Die bulgarischen Bürger haben das Recht, Gesellschaften, Vereinigungen und Organisationen zu gründen, sofern diese nicht gegen die verfassungsmäßig festgelegte staatliche und gesellschaftliche Ordnung gerichtet sind.

Verboten und nach dem Gesetz zu bestrafen ist die Gründung von Organisationen - oder die Beteiligung an ihnen -‚ die das Ziel haben, dem bulgarischen Volk die Rechte und Freiheiten zu nehmen oder zu beschneiden, die es im Volksaufstand vom 9. September 1944 errungen hat und die durch diese Verfassung garantiert sind, sowie von solchen Organisationen, die die nationale Unabhängigkeit und die staatliche Souveränität des Landes bedrohen, die offen oder heimlich faschistische oder antidemokratische Ideologien verkünden oder eine imperialistische Aggression begünstigen.

Artikel 88. Den Bürgern der Volksrepublik Bulgarien wird die Presse-, Rede- und Versammlungsfreiheit sowie die Freiheit zur Durchführung von Kundgebungen und Demonstrationen gewährleistet.

Artikel 89. Die Bürger haben das Recht, Anträge, Beschwerden und Petitionen vorzubringen.

Jeder Bürger hat das Recht, zu verlangen, daß Staatsfunktionäre wegen Verbrechen, die sie in Ausübung ihrer Dienstpflichten begangen haben, vor Gericht gestellt werden.

Die Bürger haben das Recht, von den Staatsfunktionären Ersatz des Schadens zu verlangen, den ihnen diese im Zusammenhang mit der ungesetzlichen oder rechtswidrigen Ausübung ihrer Dienstpflichten zugefügt haben.

Artikel 90. Die Verteidigung des Vaterlandes ist die höchste Pflicht und eine Sache der Ehre jedes Bürgers.

Vaterlandsverrat ist das schwerste Verbrechen gegenüber dem Volke und wird mit der ganzen Strenge des Gesetzes bestraft.

Artikel 91. Der Wehrdienst ist entsprechend den besonderen Gesetzen für alle Bürger Pflicht.

Artikel 92. Die Bürger sind verpflichtet, die Verfassung und die Gesetze des Landes genau und gewissenhaft einzuhalten.

Artikel 93. Die Bürger sind verpflichtet, das allgemeine Volkseigentum zu schützen und durch ihre gesamte Tätigkeit zur Stärkung der wirtschaftlichen und kulturellen Kräfte sowie zur Stärkung der Verteidigungskraft des Vaterlandes und zur Sicherung des Wohlstandes des Volkes beizutragen.

Artikel 94. Die Steuerpflichten werden auf die Bürger entsprechend ihrem Einkommen verteilt. Steuerpflichten und Steuerbefreiung werden nur durch Gesetz geregelt.

Kapitel IX.
WAPPEN, SIEGEL, FLAGGE, HAUPTSTADT

Artikel 95. Das Wappen der Volksrepublik Bulgarien ist rund; in seiner Mitte ist ein Löwe abgebildet, der an beiden Seiten durch Ähren umrahmt wird. Über dem Löwen befindet sich ein fünfzackiger Stern und unter ihm in goldenen Ziffern: 9. IX. 1944.

Artikel 96. Auf dem Staatssiegel ist das Staatswappen dargestellt.

Artikel 97. Die Flagge der Volksrepublik Bulgarien ist dreifarbig; sie besteht aus einem weißen, einem grünen und einem roten horizontalen Streifen. In der linken oberen Ecke des weißen Feldes ist das Wappen der Volksrepublik dargestellt.

Artikel 98. Die Hauptstadt der Volksrepublik Bulgarien ist Sofia.

Kapitel X.
VERFASSUNGSÄNDERUNG

Artikel 99. Verfassungsänderungen erfolgen auf Vorschlag der Regierung oder mindestens eines Viertels aller Abgeordneten der Volksversammlung. Der. Entwurf eines Gesetzes über eine Änderung der Verfassung wird frühestens eine Woche nach seiner Einbringung auf die Tagesordnung gesetzt. Er gilt als angenommen, wenn mindestens zwei Drittel aller Abgeordneten für ihn stimmen.

Ein verfassungsänderndes Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkündung im „Staatsanzeiger“ in Kraft.

Kapitel XI.
ÜBERGANGSBESTIMMUNGEN

Artikel 100. Nach Inkrafttreten dieser Verfassung wählt die am 27. Oktober 1946 gewählte Große Volksversammlung gemäß Artikel 33 das Präsidium der Großen Volksversammlung, das im Anschluß daran unverzüglich an die Durchführung der ihm gemäß der Verfassung obliegenden Aufgaben geht. Damit enden zugleich die Verpflichtungen des gemäß Artikel 2 der Geschäftsordnung der Großen Volksversammlung gewählten Präsidiums der Großen Volksversammlung. Für die Leitung der weiteren Tagungen wählt die Große Volksversammlung gemäß Artikel 20 dieser Verfassung den Vorsitzenden und dessen Stellvertreter.

Artikel 101. Bis zur Wahl der in dieser Verfassung vorgesehenen Gemeinde- und Kreisvolksräte ernennt das Präsidium der Großen Volksversammlung provisorische Gemeinde- und Kreisverwaltungen, die alle Rechte der Volksräte haben.


Quellen: Dărzacen Vestnik (Gesetzblatt) Nr. 284 vom 6. Dezember 1947 (bulgarisch)
Die Verfassungen der europäischen Länder der Volksdemokratie , VEB Deutscher Zentralverlag Berlin 1953
Jan F. Triska, Constitutions of the Communist Party-States, Hoover Institution Publikcations 1969 (englisch)

© 23. November  2001 - 20. Oktober 2008
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